Ubier
Die Ubier (lateinisch Ubii) waren ein westgermanisches Volk, das Caesar als bereits zivilisiert beschrieb.
Siedlungsgebiet
Die Ubier waren ein Germanenstamm und bewohnten zunächst das rechte Ufer des Rheins, gegenüber den Treverern[2] und südlich bzw. westlich der Sugambrer, lebten also den römischen Begrifflichkeiten nach in der Germania magna. Die Germanen siedelten mit Ausnahme der „Germani cisrhenani“ ausnahmslos rechts des Rheins.
Die Ubier lebten rechtsrheinisch südlich und westlich der Sugambrer und nördlich der Lahn. Caesar spricht in De Bello Gallico davon, dass er nach der Rheinüberquerung (nach heutiger Ansicht kommen Köln, die Siegmündung, Bonn oder Andernach in Betracht) auf dem Weg zu den Sugambrern das Gebiet der Ubier durchqueren musste und sich nach Vernichtung der Felder und Hütten der Sugambrer zu den Ubiern zurückzog („se in fines Ubiorum recepit“)[3]. Caesar ist in seiner Beschreibung der Siedlungsgebiete der Germanenstämme sehr eindeutig; demnach lag das Gebiet der Ubier „am Rhein“. Weiter spricht Caesar an mehreren Stellen vom „ubischen Ufer“ („quae ripas Ubiorum“),[4] wenn er die rechte Rheinseite meint. Auch ließ er nach der zweiten Rheinüberquerung, die vom Gebiet der Treverer aus und damit deutlich südlicher als beim ersten Mal erfolgte, seinen Brückenkopf am Ufer der Ubier („quae ripas Ubiorum contingebat“),[4] wie er es explizit bezeichnet, zurück. Die Ubier bewohnten also ein Gebiet, das direkt an den Rhein angrenzte.
Ihr Gebiet erstreckte sich vor der Ankunft der Römer ziemlich Nord-Süd-ausgedehnt entlang des Rheins, jedenfalls von der Gegend nördlich des heutigen Kölns (wobei die Nordgrenze nicht eindeutig ist, vermutlich die Wupper oder sogar die Ruhr) über die Sieg bis herunter zur Lahn, wie anhand von Münzfunden heute eingegrenzt werden kann. So finden sich ubische Münzen (ubische EL/AR-Rbs dlT 9441/F 399 (Mardorf-Typ))[5] in Königswinter (Fundstelle Stieldorfer Hohn, sog. Hortfund), aber auch deutlich nördlicher bei Beckinghausen (kleine Funde) und Bochum (kleine Funde), wobei letztere auch später in das dortige Gebiet (der Sugambrer) gelangt sein können, und bis in den Süden auf dem Dünsberg und in Heuchelheim.[5] Wenn man nur anhand der Fundplätze ginge, wäre die nördliche Grenze demnach die Ruhr. Die Ruhr als Grenzfluss zum Gebiet der Sugambrer wird in der Forschung auch teils vertreten.[6] Cassius Dio spricht bei der Schilderung des Drusus-Feldzuges 11 v. Chr. davon, dass „eine Brücke über die Lippe“ geschlagen wurde und man darüber „in das Land der Sugambrer vorrückte“. Sodann schildert er, dass auf dem Rückweg in die Winterlager „zwischen Lippe und Ruhr im Gebiet der Sugambrer“ ein Militärlager errichtet wurde.[7] Man muss somit annehmen, dass sich das Kernland der Sugambrer südlich der Lippe befand. Im Osten und Norden grenzte das Gebiet der Ubier somit an das der Sugambrer an, die also jedenfalls nördlich der Ruhr und im Siegerland sowie im Sauerland (und möglicherweise in Teilen des heutigen Oberbergischen Kreises) siedelten.[5] Das Gebiet der Ubier war demnach ein rechtsrheinisches Gebiet entlang des Rheines zwischen Lahn und Wupper, möglicherweise bis an die Ruhr und über das Bergische Land bis an die Grenze des Oberbergischen.
Die Ubier waren nach Cäsar der einzige Germanenstamm, der bereits zivilisiert war, und sie verfügten bereits über befestigte Plätze, denn Caesar befahl ihnen, zum Schutz diese ihre befestigten Plätze (oppida) aufzusuchen („Ubiis imperat, ut pecora deducant suaque omnia ex agris in oppida conferant“)[8].
Die Ubier waren einer der ersten germanischen Stämme, die sich auf regen Handel mit den Römern einließen, ihnen ihre Söhne in die Ausbildung gaben und sich schließlich auch zur Zahlung von Tributen bereit erklärten. Außerdem stellten sie den Römern Hilfstruppen (bevorzugt Reiterei) zur Verfügung, die diese gemäß ihrer politischen Devise „Divide et impera“ benutzten, um andere Germanenstämme zu unterdrücken und tributpflichtig zu unterwerfen. Dieses Verhalten der Ubier brachte ihnen das Misstrauen, den Neid und schließlich auch den Hass der anderen benachbarten Stämme ein, weshalb es in der Folge zu zahlreichen Auseinandersetzungen zwischen den Ubiern und ihren Nachbarn kam. Es wird in der Forschung, ausgehend von Münzfunden und Rückschlüssen aus Cäsars „De Bello Gallico“, heute teils die Auffassung vertreten, dass die Ubier sich auch an kriegerischen Aktionen gegen die Römer beteiligt haben. Vermutlich waren diese und eine Maßregelung der Ubier sogar der Grund für die zweite Rheinüberquerung Cäsars.[5]
Die Ubier gerieten unter Druck und zwischen die Fronten der Römer gegen andere Germanen und drohten aufgerieben zu werden. Daher wurden sie 19/18 v. Chr. von Marcus Vipsanius Agrippa während dessen zweiter Statthalterschaft auf das linke Rheinufer in die spätere römische Provinz Germania inferior umgesiedelt.[9] Bis etwa in die Regierungszeit Kaiser Domitians war das linke Rheinufer Teil der Provinz Gallia Belgica. Hier bewohnten sie die Gegend bei Bonn und Köln, bei Aachen rechts der Wurm sowie das Tal der Ahr. Das ist deswegen von Bedeutung, da oft behauptet wird, die Ubier seien römerfreundliche, linksrheinische Germanen gewesen. Linksrheinisch wurden sie aber erst durch die römische Umsiedlungspolitik. Der Hauptort der Ubier wurde Ara oder Oppidum Ubiorum, die später von Claudius zur Colonia Claudia Ara Agrippinensium ernannte Stadt Köln. Nach ihrer Umsiedlung waren die Ubier, oder zumindest der „kölnische Teil“ des Stammes, auch unter der Bezeichnung „Agrippinenser“ (Agrippinenses) bekannt.
Die nördlichste Grenze des Ubier-Gebietes wurde durch den Gelfbach markiert (ab dem Mittelalter Mühlenbach), der beim ehemaligen Römerkastell Gelduba bei Krefeld-Gellep in den Rhein mündet. Nördlich dieses Baches siedelten die germanischen Cugerner, eine Teilgruppe der rechtsrheinischen Sugambrer.[10]
Umsiedlung
Der erste Germanienfeldzug nach Caesar fand 39/38 v. Chr. unter dem Statthalter Marcus Vipsanius Agrippa statt. Er bekämpfte die aufständischen Gallier, überschritt den Rhein, unterwarf den Stamm der Ubier und erhielt einen Triumph zugebilligt, den er jedoch nicht ausführte (Tac. ann. XII 27,1; Cass. Dio XXXXVIII, 49, 3-4; vgl. Strab. IV 3,4 p. 194 C; Tac. Germ. 28).
Die Angabe bei Tacitus vermerkt als Zeitpunkt der Umsiedlung der unterworfenen Ubier auf das linke Rheinufer in das Gebiet des heutigen Kölns nur eine Statthalterschaft des Agrippa. Wahrscheinlich handelte es sich bei der Übersiedlung der Ubier um einen längeren Prozess, der durch Agrippa seine offizielle Bestätigung oder seinen Abschluss fand. Agrippa entwickelte das Konzept, die Rheinlinie durch unmittelbare Präsenz von römischen Truppen, vor allem aber durch Ansiedlung zuverlässiger romfreundlicher Stammesgruppen auf dem linken Rheinufer (Ubier und Bataver; Begründung des Zentralorts oppidum Ubiorum) sowie durch feste Vertragsbeziehungen zu den rechts des Rheins angrenzenden Stämmen zu schützen. Roms Politik zielte, von wenigen Ausnahmen abgesehen, hauptsächlich darauf ab, Landsuchende aus dem gesicherten Provinzialbereich herauszuhalten.
Ende
Die Ubier nahmen an dem Aufstand des Iulius Civilis in den Jahren 69 und 70 n. Chr. nur gezwungenermaßen und auch nur eine kurze Zeit lang teil. Nach der Expansion der Franken ab dem 3. Jahrhundert über den Rhein und der späteren Einnahme Kölns gingen die weitgehend romanisierten Nachfahren der Ubier in den Rheinfranken auf, die nach dem 6. Jahrhundert auch Ripuarier genannt wurden.[11]
Religion
Wie andere westgermanische Völker glaubten die Ubier an mehrere Götter, wie zum Beispiel Mercurius Hranno, Hercules Magusanus oder Hercules Deusoniensis.
Literatur
- Werner Eck: Köln in römischer Zeit. Geschichte einer Stadt im Rahmen des Imperium Romanum (= Geschichte der Stadt Köln. Band 1). Greven, Köln 2004, ISBN 3-7743-0357-6, S. 31 ff.
- Johannes Heinrichs: Ubier, Chatten, Bataver. Mittel- und Niederrhein ca. 70–1. v. Chr. anhand germanischer Münzen. In: Th. Grünewald: Kontinuität und Diskontinuität. Germania Inferior am Beginn und am Ende der römischen Herrschaft. Berlin 2003, S. 266 ff.
- Johannes Heinrichs: Civitas ubiorum. Studien zur Geschichte der Ubier und ihres Gebiets. Stuttgart 2002.
- Karl Strobel: Wirtschaftsstrukturen zwischen Maas und Rhein in römischer Zeit: Das Werden eines zentralen europäischen Wirtschaftsraumes 50 v. bis 500 n. Chr. In: Franz Irsigler: Zwischen Maas und Rhein: Beziehungen, Begegnungen und Konflikte in einem europäischen Kernraum. Verlag Kliomedia, Trier 2006, S. 82.
- Johannes Heinrichs, Stefan Zimmer: Ubier. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 2. Auflage. Band 31, Walter de Gruyter, Berlin/New York 2006, ISBN 3-11-018386-2, S. 355–361.
Weblinks
- Über die Ubier auf der Seite des Archäologen Jürgen Franssen
Einzelnachweise
- ↑ AE 1952, 145
- ↑ Cäsar, Gaius Julius: Der Gallische Krieg (de Bello gallico). Latein-Deutsch. Hrsg.: Otto Schönberger. De Gruyter Akademie Forschung, 2012, ISBN 3-05-005753-X, S. 6.8.7, 6.9.5, 6.2.3.
- ↑ Cäsar, Gaius Julius: Der gallische Krieg (de bello gallico). Latein-Deutsch. Hrsg.: Otto Schönberger. De Gruyter Akademie Forschung, Berlin 2012, ISBN 3-05-005753-X, S. 4.19.1.
- ↑ a b Cäsar, Gaius Julius: Der gallische Krieg (de Bello Gallico). Latein-Deutsch. Hrsg.: Otto Schönberger. De Gruyter Akademie Forschung, 2012, ISBN 3-05-005753-X, S. 6.29.1.
- ↑ a b c d Johannes Heinrichs: Zur Verwicklung ubische Gruppen in den Ambiorix-Aufstand des Jahres 54 v. Chr. - Eburonische und ubische Münzen im Hortfund Fraire-2. In: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik. Nr. 127, 1999, S. 291, 293.
- ↑ [1] Wilhelm Blankertz, Die Germanen des Bergischen Landes und seiner Nachbargebiete zur Römerzeit, abgerufen am 7. Januar 2023
- ↑ Cassius Dio: Bücher 51 - 60. In: Römische Geschichte. Band 4. Zürich/München 2007, ISBN 3-7608-3673-9, S. 54, 33, 1–5.
- ↑ Cäsar, Gaius Julius: Der Gallische Krieg (de Bello Gallico). Latein-Deutsch. Hrsg.: Otto Schönberger. De Gruyter Akademie Forschung, 2012, ISBN 3-05-005753-X, S. 6.10.1.
- ↑ Werner Eck: Köln in römischer Zeit. Geschichte einer Stadt im Rahmen des Imperium Romanum. Greven, Köln 2004, ISBN 3-7743-0357-6, S. 49.
- ↑ Feinendegen/Vogt (Hrsg.): Krefeld – die Geschichte der Stadt, Band 1. Christoph Reichmann: Kapitel Die Grenze am Mühlenbach. Verlag van Ackeren, Krefeld 1998, ISBN 3-9804181-6-2, S. 104 f.
- ↑ Feinendegen/Vogt (Hrsg.): Krefeld – die Geschichte der Stadt, Band 1. Renate Pirling: Kapitel Die Frankenzeit – historische Einführung. Verlag van Ackeren, Krefeld 1998, ISBN 3-9804181-6-2, S. 206f.