Deutsche Uhrglasfabrik
Die Deutsche Uhrglasfabrik GmbH war eine TEXT ERGÄNZEN
Vorgeschichte
Mitte des 19.Jhds. nimmt die DESAG, Deutsche Spiegelglas AG, in Grünenplan , Kreis Holzminden, unter ihrem Leiter, Dr. Friedrich Koch, als Spezialität die Fertigung von hochweißem optischen Glas auf, das bis heute den Standort Grünenplan sichert. Als Nebenprodukt fallen dabei Kugelabschnitte aus nicht ganz so weißem Glas an, die an die entstehenden Uhrglasfabriken in der Schweiz und in Frankreich verkauft werden. Weil der größte Abnehmer, die VTG, Verrerie Trois Fontaine/Elsass, eigenes Rohglas erzeugen will, die DESAG aber Abnehmer für die anfallenden Kugelabschnitte benötigt, gründet 1906 ihr Leiter, seit 1891 Dr. Franz Krippendorff, zusammen mit den Schweizer Brüdern Jequier eigene Uhrglasfabriken in Fleurier/Schweiz und Framont/Lothringen. Nach einem ruinösen Preiskampf, der die Erzeugung stillzulegen droht, entsteht 1912 mit Hilfe der Deutschen Uhrenindustrie und des Uhrenersatzteilgroßhandels (Furniturengoßhandels) ein Zusammenschluss fast aller Uhrglashersteller in einem Syndikat in Straßburg, den Verreries Unies S.a.r.l. - VUS. Die Umsätze werden in Quoten verteilt, das Rohglas wieder bei der DESAG gekauft. Diese forciert die eigene Uhrglasherstellung nicht mehr.
Gründung
1918, nach dem verlorenen 1. Weltkrieg, wird die Fabrik in Framont enteignet und die Schweizer und Franzosen verlegen ihre Rohglaseinkäufe komplett nach Frankreich. Die Uhrglasfirmen der DESAG werden aus dem Syndikat ausgeschlossen. Um den Absatz des Rohglases zu erhalten, gründet nunmehr Dr.Franz Krippendorff, Generaldirektor der DESAG, anfangs noch mit 1/3 Beteiligung der Schweizer Gebr.Jequier die eigene Tochtergesellschaft DUF - Deutsche Uhrglasfabrik GmbH, wieder unterstützt von der deutschen Uhrenindustrie und dem Uhrenfachgroßhandel.
Anfänge
Nach einem ersten kurzen Start in Duingen erfolgt der Aufbau in Freden (Leine) im Gebäude der Sandwäsche des dortigen, 1927 stillgelegten Werkes der DESAG. Schon ein Jahr später, im April 1919 stirbt Dr.Franz Krippendorff. Die Leitung der DESAG geht über an den im Werk tätigen Dr.Julius Hochhut, (der im August 1919 die Tochter seines Vorgängers heiratet). Die Leitung der DUF wird 1920 dem 24jährigen Walter Krippendorff übertragen, der dafür sein Studium in Köthen abbricht. Mit dem Schweizer Geld für den Anteil Jequier werden Maschinen aus Fleurier gekauft und die aus dem Fach kommende Familie Faltot aus Lothringen eingestellt. 1922 werden 50.000 bis 60.000 Uhrgläser pro Tag produziert.
Zwischenspiel
Wegen der Stärke, die die DUF inzwischen am Uhrglasmarkt erreicht hat, gründen einige Deutsche Uhrenfabriken 1923 eine eigene Uhrglasfabrik in Ludwigsburg. Aber das Unternehmen rechnet sich nicht und dank seiner inzwischen aufgebauten guten Verbindungen wird Walter Krippendorff, Leiter der Konkurrenz, 1925 mit der Auflösung beauftragt.
Beherrscht von außen
Seit 1923 ist die Aktienmehrheit der DESAG in den Händen der französischen Konkurrenz St.Gobain. Durch deren Einfluss wird das Werk Freden der DESAG 1927 stillgelegt. Die Firma SCHOTT übernimmt kurze Zit später die Aktien von St.Gobain. Die Beteiligung von Jequier an der DUF wird ausgetauscht gegen die Beteiligung der DESAG an Jequier. Die DUF ist nun zu 100% im Besitz der DESAG. Sie wird durch den französischen Einfluss gezwungen, wieder in das Straßburger Syndikat einzutreten mit einer unbefriedigenden Quote für Uhrgläser. Da diese nicht für andere Glasartikel der DUF gilt, erfolgt der erste Schritt der Diversifizierung.
Die NS-Zeit
1930 kommen aus den USA die ersten Uhrgläser aus Kunststoff auf den Markt mit dem Prädikat „unzerbrechlich“. Trotz großen Nachfragedrucks der Kundschaft der DUF wird dieser von der DESAG die Herstellung von Kunststoff-Uhrgläsern untersagt. Auch 1930 wird als Folge der Schließung des DESAG-Werkes Freden die DUF nach Grünenplan verlagert. Ein Teil kommt in die Facettenschleife, deren Leitung Walter Krippendorff zusätzlich übernimmt und dort die Fotofilterfertigung für die DESAG aufbaut. Räumliche Enge prägt die Zeit. Mit Hilfe des inzwischen mächtigen Reichswirtschaftsministeriums gelingt es der DUF, sich aus dem Syndikat zu lösen und frei und erfolgreich zu entwickeln. Das wird durch den Kriegsbeginn unterbrochen.
Walter Krippendorff hat sich bei den Nationalsozialisten unbeliebt gemacht – er hat in der DESAG entlassene Sozialdemokraten in die DUF eingestellt – und wird am ersten Kriegstag als Reserveoffizier eingezogen. Damals wurden „Betriebsführer“ normalerweise uk(=unabkömmlich)-gestellt. 1940 wird er nur kurz für wenige Monate zurückgeholt, als Dr. Hochhut, „Betriebsführer“ der DESAG erkrankt. Die Einberufungen zum Kriegsdienst treffen verstärkt zuerst die DUF, dann die DESAG. Viele bezahlen mit ihrem Leben.
Neuanfang
Nach der Besetzung Grünenplans durch die Alliierten stehen die Betriebe zunächst still. Eine Zeitlang droht der DESDAG die Demontage, da sie Scheinwerfergläser hergestellt hatte. Walter Krippendorff ist bis zur Kapitulation Soldat, kämpft zuletzt im Weserbergland und kommt dadurch ohne Gefangenschaft nach Haus. Ohne Rücksicht auf den langwierigen Prozess seiner „Entnazifizierung“ bringt er in Absprache mit der englischen Besatzung die DUF wieder zum Laufen, zunächst nur nachts, da nur dann Strom zur Verfügung steht. 1948 stellt die DESAG die Glaserzeugung von der Fertigung aus den Häfen auf kontinuierliche Wannenfertigung um und die Herstellung des Kugelglases entfällt. Da sie den ständig wachsenden Bedarf der DUF (siehe Ziffer 8.) nicht mehr decken kann, kauft diese ihren Rohglasbedarf auch bei anderen Hütten, wie DELOG, DETAG und REZAG.
Zweite Diversifikation
Um 1950 verdrängt das Kunststoff-Uhrglas nacheinander die Taschen- und Armbanduhrgläser und danach die Weckergläser aus Glas fast ganz. Die DUF nimmt die Produktion von Rückblickspiegeln für Autos auf und wächst mit der stark aufblühenden Autoindustrie. Durch eigene technische Entwicklungen in der Spiegeltechnik und solche zusammen mit der Autoindustrie wird sie Marktführer auf diesem Gebiet. Zeitweilig muss sogar die Autoindustrie vom Fortschritt überzeugt werden, wie bei dem von Amerika übernommenen „Keilspiegel“, einem abblendbaren Rückspiegel. Die erstmalige Herstellung fehlerfrei schwach gewölbter großer LKW-Spiegel ist eine Sensation. In den Jahren 1960 bis 1966 wird die von Prof Schröder im SCHOTT-Werk in Mainz entwickelte Oberflächenbeschichtung großer Glasflächen, heute Selbstverständnis, von der DUF in Grünenplan mit viel Aufwand zur Fertigungsreife gebracht und dann an SCHOTT zurückgegeben. Die schnell wachsende Produktion fordert Raum, der dem Mutterbetrieb vor Ort, der DESAG, mühsam abgerungen werden muss. 1953 entsteht ein Hallenbau zur Rohglaslagerung, 1957 ein erster Neubau und 1965 ein zweiter. Die Herstellung von Beleuchtungsgläsern und Geschirrglas - u.a. Untertassen für das SCHOTT-Teegeschirr – wird nur kurze Zeit betrieben, da der Aufbau der notwendigen Vertriebsorganisationen unverhältnismäßig erscheint. Dafür wird einwandfrei gebogenes Glas für alle technischen Anforderungen geliefert. Die DUF ist in der Biegetechnik im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts der führende Glasveredelungsbetrieb in der Bundesrepublik.
Das Ende in Etappen
Zum Ende September 1966 gibt Walter Krippendorff im 70.Lebensjahr die Leitung der DUF ab. Sie wird von den beiden Direktoren der DESAG übernommen, die inzwischen als SCHOTT-SPEZIALGLAS firmiert. Der von Krippendorff schon 1961 vorgeschlagene komplette Neubau der DUF auf freiem Gelände wird noch 1970 bezogen.
Aber 1980 wird die Deutsche Uhrglasfabrik GmbH aufgelöst und zur Betriebsabteilung von SCHOTT. 2003 wird die Autospiegelfertigung verkauft an die FLABEG Automotiv GmbH und die verbleibende Glasveredelung geht in verschiedenen Betriebsabteilungen auf.
Quellen
Aufzeichnungen und Vorträge von Walter Krippendorff im Familienarchiv Krippendorff (einschließlich Bildern), 2018 im Besitz von Dipl.-Ing. Wolfgang Krippendorff, Hannover .
Zur DESAG siehe: Johannes Laufer: Von der Glasmanufaktur zum Industrieunternehmen: Die Deutsche Spiegelglas AG (1830–1955). Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Hrs.: Gömmel, Klug u. Schneider, Bd. 75 in Kommission bei Franz Steiner Verlag, Stuttgart, 1997.
Links
[Erich-Mäder-Glasmuseum Grünenplan]