Regnum Teutonicum

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Regnum Teutonicum oder Regnum Teutonicorum („Reich der Teutonen“ bzw. Germanen, auch Reich der Deutschen[1]) ist eine Bezeichnung für den nördlich des Alpenhauptkamms gelegenen Teil des Heiligen Römischen Reiches oder auch römisch-deutschen Reiches. In Abgrenzung davon wurde der Begriff Regnum Italicum für Reichsitalien verwendet.

Entstehungsgeschichte und Bedeutung

Regnum Teutonicum um die Jahrtausendwende (in Dunkelblau)

Obwohl die Wortgruppe regnum Teutonicum (bzw. Teutonicorum) gemeinhin als die lateinische Entsprechung der deutschen Wortgruppe „deutsches Reich“ gilt, bedeutete die Wendung in verschiedenen Zeiten und Sprachen nicht immer dasselbe.[2]

Der angeblich früheste Beleg für den Begriff Regnum Teutonicorum ist ein Text der um 920 geschriebenen Annales luvavenses maximi. Hier bedeutete der Begriff aber noch keineswegs „Reich der Deutschen“ oder das „deutsche Königreich“, sondern „Reich der deutsch – also nicht romanisch oder slawisch – sprechenden Bayern“.[3][4] Wenn auch in diesem Fall die Zugehörigkeit des Stammesherzogtum Bayerns (das Regnum Teutonicorum im Sinne des Erstbelegs) zum Ostfrankenreich Reich Heinrichs I. vom Autor emphatisch abgelehnt wurde, interpretiert der Historiker Jörg Jarnut diese Wendung trotzdem als eine aus Italien übernommene Fremdbezeichnung für die Gesamtheit der Franken, Alemannen und Sachsen. Joachim Ehlers konstatiert, dass der Begriff außerhalb Italien im Frühmittelalter die Qualität einer Fremdbezeichnung behielte und deshalb über das Selbstverständnis der damaligen Angehörigen des Ostfrankenreichs nichts aussagt.[4] Die während des 19. Jahrhunderts populäre Behauptung, dass die Entstehung von Wendungen wie regnum Teutonicorum/Teutonicum historisch aussagekräftige Indizien für Wandlungen des politischen Bewusstseins seien, werden von der gegenwärtigen Wissenschaft abgelehnt.[1]

Eine stärkere Verbreitung erreichte der Begriff erst im 11. Jahrhundert, jedoch nicht in offiziellen Dokumenten der Kaiser, sondern in der päpstlichen Kanzleisprache. Der Hintergrund war höchst politisch: Der universale Herrschaftsanspruch des römisch-deutschen Königtums wurde vom Papsttum seit Beginn des Investiturstreits im 11. Jahrhundert zunehmend bestritten; vielmehr solle dem Papst die Universalherrschaft über alle geistlichen und weltlichen Herrscher zustehen. So wurde in päpstlichen Veröffentlichungen aus dem rex Romanorum (dem offiziell beanspruchten Titel der römisch-deutschen Herrscher) der rex Teutonicorum, was von kaiserlicher Seite freilich nie übernommen wurde.[1] Im Wormser Konkordat von 1122 unterschied Papst Calixt II. zwischen dem Teutonicum Regnum und den übrigen Teilen des Heiligen Römischen Reiches, nämlich den regna Italien und Burgund.[5] Bernhard Schimmelpfennig übersetzt in diesem Fall den Begriff Teutonicum regnum mit der Benennung „Deutsches Reich“ in Anführungszeichen, betont aber gleichzeitig, dass es zu dieser Zeit noch lange keine deutsche Nation gegeben habe.[6] Um 1500 verstärkte sich die Tendenz, dass der Reichsbegriff immer häufiger primär oder ausschließlich auf das Reich der Deutschen bezogen wurde, während die institutionellen Verdichtungsprozesse mit einer protonationalen Identitätsbildung einhergingen und die Bedeutungsebene Deutsches Reich weiter an Bedeutung gewann.[7]

Literatur

  • Carlrichard Brühl: Die Geburt zweier Völker. Köln u. a. 2001.
  • Walter Mohr: Von der Francia Orientalis zum Regnum Teutonicum. In: Archivum Latinitatis Medii Aevi. Bd. 27, 1957, S. 27–49.

Einzelnachweise

  1. a b c Matthias Springer: Italia docet. Bemerkungen zu den Wörtern francus, theodiscus und teutonicus, in: Dieter Hägermann, Wolfgang Haubrichs, Jörg Jarnut (Hrsg.): Akkulturation. Probleme einer germanisch-romanischen Kultursynthese in Spätantike und frühem Mittelalter. Berlin 2004, S. 68–98.
  2. Dieter Hägermann, Wolfgang Haubrichs, Jörg Jarnut (Hrsg.): Akkulturation. Probleme einer germanisch-romanischen Kultursynthese in Spätantike und frühem Mittelalter. Berlin 2004, S. 73–74.
  3. Roman Deutinger: Königswahl und Herzogserhebung Arnulfs von Bayern. Das Zeugnis der älteren Salzburger Annalen zum Jahr 920. In: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 58 (2002), S. 17–68 (Digitalisat).
  4. a b Joachim Ehlers: Die Entstehung des deutschen Reiches. 4. Auflage, München 2012, S. 113–114.
  5. Wolfgang Haubrichs: Theodiscus, Deutsch und Germanisch – drei Ethnonyme, drei Forschungsbegriffe. Zur Frage der Instrumentalisierung und Wertbesetzung deutscher Sprach- und Volksbezeichnungen. In: Heinrich Beck, Dieter Geuenich, Heiko Steuer und Dietrich Hakelberg (Hrsg.): Zur Geschichte der Gleichung „germanisch–deutsch“. Sprache und Namen, Geschichte und Institutionen (= Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 34), de Gruyter, Berlin/New York 2004, ISBN 3-11-017536-3, S. 199–228, hier S. 209.
  6. Bernhard Schimmelpfennig: Könige und Fürsten, Kaiser und Papst nach dem Wormser Konkordat (= Enzyklopädie deutscher Geschichte. Bd. 37). 2. Auflage, Oldenbourg, München 2010, S. 1.
  7. Matthias Schnettger: Kaiser und Reich. Eine Verfassungsgeschichte (1500–1806). W. Kohlhammer, Stuttgart 2020, ISBN 978-3-17-031350-7, S. 19 f.