Udo Zimmermann

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Udo Zimmermann, 2006, Foto: Astrid Ackermann

Udo Zimmermann (* 6. Oktober 1943 in Dresden, † 22. Oktober 2021 ebd.) war ein deutscher Komponist, Dirigent und Intendant.[1] Er lebte in Dresden.

Leben

Zimmermann war von 1954 bis 1962 Mitglied im Dresdner Kreuzchor unter Rudolf Mauersberger, welcher erste Kompositionen betreute und mit dem Chor aufführte. Zu dieser Zeit festigte sich sein ästhetischer „Blick nach innen, auch unabhängig von christlicher Sinnsuche“.[2] Nach dem Abitur studierte er an der Dresdner Musikhochschule bei Johannes Paul Thilman Komposition, außerdem Dirigieren (bei Rudolf Neuhaus) und Gesang. Er wurde 1968 Meisterschüler bei Günter Kochan an der Deutschen Akademie der Künste Berlin und arbeitete zwei Jahre als Assistent des Musiktheaterregisseurs Walter Felsenstein. 1970 wurde er Dramaturg für zeitgenössisches Musiktheater an der Staatsoper Dresden, wo er bis 1985 wirkte. Ab 1976 war er Dozent und ab 1979 Professor für Komposition an der Dresdner Musikhochschule; zu seinen Schülern gehörten Annette Schlünz, Caspar René Hirschfeld, Friedhelm Hans Hartmann und Jan Trieder.

1974 gründete Zimmermann das Dresdner „Studio Neue Musik“, aus dem 1986 in Dresden-Loschwitz das Dresdner Zentrum für zeitgenössische Musik hervorging, das sich als Forschungszentrum und Ausrichter von Konzerten und Festivals (Dresdner Tage der zeitgenössischen Musik) einen internationalen Ruf in der Szene der Neuen Musik erworben hat. 2004 überführte er es in das Europäische Zentrum der Künste Hellerau, das er bis 2008 als Intendant leitete.

1985 bis 1990 leitete Zimmermann die Werkstatt für zeitgenössisches Musiktheater an der Oper Bonn. Von 1990 bis 2001 war er Intendant der Oper Leipzig; auch hier galt sein Engagement besonders dem Musiktheater des 20. Jahrhunderts, zahlreiche Uraufführungen u. a. von Karlheinz Stockhausen, Dieter Schnebel und Jörg Herchet fanden in dieser Zeit statt, das Opernhaus wurde mehrfach ausgezeichnet.

1997 bis 2011 hatte Zimmermann die Künstlerische Leitung der Reihe musica viva des Bayerischen Rundfunks inne und brachte hier in den 14 Jahren seines Wirkens 175 Werke zur Uraufführung.[3] Von 2001 bis 2003 war er Generalintendant der Deutschen Oper Berlin. Von 2004 bis 2008 entwickelte er als Gründungsintendant des Europäischen Zentrums der Künste Hellerau u. a. in Zusammenarbeit mit dem Choreografen William Forsythe das historische Festspielhaus Hellerau zu einem wichtigen Standort für die zeitgenössischen Künste.

1993 und 1995 war Zimmermann Composer in Residence bei den Salzburger Festspielen. Als Dirigent gastierte er ab 1979 u. a. bei den Berliner Philharmonikern, Wiener Symphoniker, beim Gewandhausorchester, Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, NDR Sinfonieorchester, Tonhalle-Orchester Zürich und bei der Staatskapelle Dresden. Zudem wurde er an den Opernhäusern Wien, Hamburg, München und Bonn tätig.

1983 wurde Zimmermann zum Ordentlichen Mitglied der Akademie der Künste der DDR berufen. Von 1985 bis 1989 war er Vorstandsmitglied des Verbandes der Komponisten und Musikwissenschaftler der DDR. Zimmermann ist Mitglied der Akademie der Künste Berlin-Brandenburg, deren Sektion Musik er von 2003 bis 2008 als Direktor vorstand, der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste, der Freien Akademie der Künste zu Leipzig (Präsident von 1992 bis 1997), der Sächsischen Akademie der Künste (Präsident von 2008 bis 2011), der Freien Akademie der Künste Hamburg und der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Von 1996 bis 2001 war er Präsident des Sächsischen Kultursenats. 2008 wurde er zum Officier des Ordre des Arts et des Lettres ernannt.

Seit 2009 ist Zimmermann in dritter Ehe verheiratet mit Saskia, geb. Leistner. Seiner ersten Ehe (1967–1970) mit Kristina, geb. Mann, entstammt eine Tochter, die Schauspielerin Claudia Michelsen; seiner zweiten Ehe (1970–2007) mit Elżbieta, geb. Holtorp, entstammen die Söhne Robert und Romeo Alexander.

Kompositorisches Schaffen

Zimmermanns Hauptaugenmerk galt dem Musiktheater, er schrieb mehrere Opern, von denen die Weiße Rose (1986) über die Geschwister Scholl internationalen Erfolg hatte; mit fast 200 Produktionen seit ihrer Uraufführung ist sie eine der meistgespielten zeitgenössischen Opern. Die Ästhetik der Stille übernimmt hier den Ausdruck des Abstrakten und fordert die Bewusstwerdung und Rückbesinnung des Individuums auf sich selbst, gegen das Verschweigen der NS-Zeit und als Appell für eine weltoffene Gesellschaft der Zukunft.[4] Weitere Werke dieser Gattung sind u. a. Levins Mühle (nach dem Roman von Johannes Bobrowski), Der Schuhu und die fliegende Prinzessin (nach einem Märchen von Peter Hacks) und Die wundersame Schustersfrau (nach Federico García Lorca). Zimmermann schreibt außerdem Kammermusik sowie Vokal- und Orchesterwerke. Stilistisch gesehen rechnet man Zimmermann zur Neuen Musik, seine musikalische Ausdrucksbreite ist vielfältig und orientiert sich an einer jeweiligen plastischen Umsetzung der kompositorischen Aufgabe. Nach einer zwölfjährigen Schaffenspause aufgrund seiner umfangreichen Aufgaben als Intendant war Zimmermann erst seit 2009 wieder kompositorisch aktiv, u. a. mit zwei Solokonzerten für den Cellisten Jan Vogler (2009) und die Geigerin Elena Denisova (2013).

Auszeichnungen

Werke (Auswahl)

Vokalmusik

  • Sonetti amorosi (1966)
  • Ein Zeuge der Liebe die besiegt den Tod. Gesänge für Sopran und Kammerorchester nach Tadeusz Ròzewicz (1972)
  • Psalm der Nacht, für sechzehnstimmigen Frauenchor, Männerstimmen, Schlagwerk und Orgel (1976)
  • Hymne an die Sonne (1977)
  • Pax questuosa (Der klagende Friede) für Soli, drei Chöre und Orchester (1982)
  • Gib Licht meinen Augen oder ich entschlafe des Todes (1986)
  • Ich bin eine rufende Stimme, für Soli, drei Chöre, Kinderchor und Orchester (1996/1997)

Bühnenwerke (Opern)

Instrumentalmusik

  • Dramatische Impressionen (1963)
  • L’Homme (1970)
  • Sieh, meine Augen (1970)
  • Mutazoni per orchestra (1973)
  • Sinfonia come un grande Lamento (1977)
  • Songerie pour orchestre de chambre (1982)
  • Canticum marianum. Musik für 12 Violoncelli (1984)
  • Mein Gott, wer trommelt denn da? Reflexionen für Orchester (1986)
  • Nouveaux Divertissements d’après Rameau pour cor et orchestre de chambre (1988)
  • Dans la marche (1994)
  • Lieder von einer Insel. Konzert für Violoncello und Orchester. Für Jan Vogler (2009)
  • Brahms-Fanfare (2010)
  • Konzert für Violine und Orchester. Für Elena Denisova (2013)

Film- und Rundfunkmusik

  • Ein April hat 30 Tage (1978)
  • Der Morgen (1980)
  • So spricht das Leben (1981)
  • Die Generale (1986)

Schriften

  • Frank Geißler (Hrsg.): Man sieht, was man hört. Udo Zimmermann über Musik und Theater. Reclam, Leipzig 2003, ISBN 3-379-00810-9.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Biographische Daten von Udo Zimmermann in: Wer ist Wer – Das deutsche Who's Who 2010/2011. 50. Ausgabe, Schmidt-Römhild, Verlagsgruppe Beleke, Lübeck 2010, ISBN 978-3-7950-2050-7.
  2. Udo Zimmermann im Gespräch mit Attila Kornel, 9. Februar 2015, zitiert nach: Attila Kornel: „Tief unter uns nur Schweigen.“ – Die Ästhetik der Stille in Udo Zimmermanns Kammeroper „Weiße Rose“. In: DIE TONKUNST, Magazin für klassische Musik und Musikwissenschaft. Jg. 11, Nr. 3, Juli 2017, S. 368–377.
  3. Udo Zimmermann nach Abschlusskonzert der musica viva ausgezeichnet. nmz-Online, 13. Juli 2011.
  4. Attila Kornel: „'Tief unter uns nur Schweigen.'– Die Ästhetik der Stille in Udo Zimmermanns Kammeroper 'Weiße Rose'“, in: DIE TONKUNST, Magazin für klassische Musik und Musikwissenschaft, Jg. 11, Nr. 3, Juli 2017, S. 368–377.