Reise reise

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  • Reise reise und andere Redensarten

Der Tag an Bord beginnt wie überall mit dem Wecken, auch purren, das offiziell mit dem Locken eingeleitet wird, mit einem Pfeifsignal, das in der Regel fünf Minuten vor dem eigentlichen Aufstehen mit der Bootsmannsmaatenpfeife gegeben wird. Beim Locken handelt es sich um kurze, lockende Pfeiftöne. Das eigentliche Wecken beginnt hingegen mit einem langgezogen Pfiff und dem Ruf Reise reise, aufstehen, Überall zurrt Hängematten! das Reise reise hat seinen Ursprung im niederdeutschen rise rise, und auch im Englischen to rise hat es die gleiche Bedeutung. Damit das Wecken auch leichter fiel, wurden in früheren Jahren (auch in der Anfangszeit der Bundesmarine war dies noch Brauch) versöhnlichere Töne in Form von kleinen Versen ausgesungen, wie etwa:

  • Reise reise. Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, ist einer, der die Wache regelt!
  • Reise reise. Lüft an das Gattchen, senkt die Rohre, und denkt nicht mehr an Hannelore
  • Reise reise. Ein jeder stößt den Nebenmann, der Letzte stößt sich selber an
  • Reise reise. Seemann heb Dein Arschgewicht, Backbord voraus Laboe in Sicht
  • Reise reise. Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, ist einer der die Waschfrau kennt
  • Reise reise. Seemann, leg die Socken (Lümmeltüte) klar die Waschfrau von Laboe ist da
  • Reise reise. Seemann, leg Dein Hemdchen klar, die Waschfrau zeigt von achtern klar
  • Reise reise. Kommt hoch ihr müden Leiber die Pier steht voller nackter Weiber!, Reise reise aufstehen!.

Nicht mehr so rücksichtsvoll, wurden in der Kaiserlichen Marine die Seeleute geweckt.

  • Reise reise. Habt ihr nicht genug geschlafen?
  • Reise reise. Seemann wach auf, zurr Deine Hängematte und bring sie herauf, kommst Du nicht zur rechten Zeit, gibt's drei Stunden Strafarbeit!
  • Reise reise. Wollen Sie nicht, oder können Sie nicht? Soll ich ihnen helfen?

War der Tag dann zu Ende und die Schlafenszeit gekommen, wurde dem Seemann auch das versüßt mit einem nachtigallenhaft geflöteten, manchmal von wahren Künstlern gepfiffen Ruhe im Schiff, Licht aus dies wurde meist auch mit einem Vers versehen:

  • Ruhe im Schiff. Alle Geister und Klabautermänner auf Stationen, Matrosen mit abstehenden Ohren auf die Back zum Segeln. Ruhe im Schiff, Licht aus!
  • Ruhe im Schiff. Nur die zum Sterben abgeteilten Leute von der Wachstube antreten zum Särgeempfang. Ruhe im Schiff, Licht aus!

Anschließend beim Einschlafen oder manchmal des Nachts hört man nur das 'Trampsen (trampeln, mit kräftigen Auftretten) des Posten Back und sein Sprüchlein:

  • Auf der Back ist alles wohl, alle Laternen brennen!
  • Auf der Back steht Alkohol, und alle Posten pennen!

Um Redensarten und damit verbundenen Aussprüche, Verslein waren und sind Seeleute nie verlegen. Es beginnt damit bereits frühmorgens, nach der 'Reise reise zum Sichwaschen, wozu von den Maaten darauf hingewiesen wurde mit dem Wasser sparsam umzugehen:

  • Erst die Innenflächen der Hände reinigen, dann Gesicht und Oberkörper und dann erst die Hände ganz waschen!

Diese Redensarten wurden dann Fortgesetz, etwa beim Unterricht:

  • Klar und deutlich und vor allem laut hätte jeder zu antworten, auch wenn etwas falsch ist, wenn es klar und laut gesagt wird, dann ist es richtig, und wenn etwas richtig ist, und es wird leise gesagt, dann ist es falsch!

Beliebt sind beim Seemann auch Schüttelreime:

  • Der Dienst war wunderbar,
  • weil die Abwechslung noch bunter war!
  • Oh, wie wird dem Seemann wohl,
  • wenn er riecht den Hammelkohl!
  • Seekrank ist man oft in Lee,
  • man pumpt den Magen leer in See!

Das Sauberkeit an Bord und in den Marine-Unterkünften an Land groß geschrieben wird ist bekannt. Derjenie aber der es nicht so genau nimmt, wird oftmals mit einem Vers der Frau-Wirtin-Serie daran erinnert:

  • Frau Wirtin hat auch eine Tante,
  • die keinen Fußabtreter kannte,
  • mit ihr war's eine Seuche.
  • Du aber putz die Füße ab,
  • denn streng sind hier die Bräuche!

An Bord konnte man nach längerer Einsatzdauer gelegentlich auch folgende Sprüche hören:

  • Was brauchen wir an Land zu gehen,
  • wir könn' das Land doch von Bord aus sehen!

Nach längerer Dienstzeit und das besonders an Land:

  • Wen Gott will strafen, den schickt er nach Wilhelmshafen - und den Rest nach Sylt
  • In Wilhelmshaven möchte ich nicht einmal tot übern Zaun hängen!

Auch die unbeliebten Vorgesetzten bleiben von Versen nicht verschont:

  • En Bändsel mit en Fleut daran: fertig ist der Steuermann!
  • In der einen Hand 'nen Hammer, in der anderen eine Handvoll Twist, und eine grosse Schnauze, fertig ist der Maschinist!

Einen Seemann frage aber man nie: "Seemann frierst Du?" dann kommt sicherlich die Antwort: "Nein ich zittere vor Wut" Wenn man dann weiter fragt "Warum zitterst Du vor Wut?" kommt bestimmt die grimmige Antwort: "Weil mir kalt ist!"

Als kurz nach dem Zweiten Weltkrieg die zahlreichen Minenfelder noch geräumt werden mussten, wurden hierzu Minensuchgeschwader gebildet die unter Englischen Oberbefehl standen mit der Formationsbezeichnung German Minesweeping Administration kurz 'GMSA. Für diese Abkürzung hatte die Seeleute bald ihre eigenen Deutungen gefunden:

  • General Montgomery's - S.A.
  • Geheime Marine - S.A.
  • Geh mit, such Adolf!
  • Gesellschaft mit schlechten Absichten!
  • Geiler Matrose sucht Anschluß

Oder im umgekehrter Reihenfolge:

  • Arbeitsscheues Marinegesindel!

Ansonsten muss gesagt werden, dass der Seemann allgemein nach dem Motto handelt:

  • Lieber Vater und Mutter verlieren, als die Ruhe!