„Jan Dismas Zelenka“ – Versionsunterschied

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
[gesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
K Werke: blank
Werk: Oratorien
Zeile 14: Zeile 14:


Jan Dismas Zelenka komponierte höchst originelle und unkonventionelle Orchester- und Vokalwerke. Viele davon erlebten erst im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts eine Renaissance. Charakteristisch für seine Kompositionen ist der häufige Einbau tonartfremder Akkorde. In seinen herausragenden geistlichen Werken für den Dresdner Hof (seit der politisch motivierten [[Konversion (Religion)|Konversion]] [[August II. (Polen)|Augusts des Starken]] zum [[Römisch-katholische Kirche|katholischen]] Glauben) verbindet er teils archaische Satztechniken mit den modernsten Ausdrucksmitteln seiner Zeit zu hochexpressiven Schöpfungen.
Jan Dismas Zelenka komponierte höchst originelle und unkonventionelle Orchester- und Vokalwerke. Viele davon erlebten erst im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts eine Renaissance. Charakteristisch für seine Kompositionen ist der häufige Einbau tonartfremder Akkorde. In seinen herausragenden geistlichen Werken für den Dresdner Hof (seit der politisch motivierten [[Konversion (Religion)|Konversion]] [[August II. (Polen)|Augusts des Starken]] zum [[Römisch-katholische Kirche|katholischen]] Glauben) verbindet er teils archaische Satztechniken mit den modernsten Ausdrucksmitteln seiner Zeit zu hochexpressiven Schöpfungen.

Zelenka konnte auf eine reiche tschechische, wenn auch oft anonyme Tradition zurückgreifen. Als tschechische Komponisten vor Zelenka sind etwa [[Adam Václav Michna z Otradovic]] oder [[Pavel Josef Vejvanovský]] zu nennen. Wie Zelenka fanden auch weitere böhmische Komponisten außerhalb ihrer Heimat Anstellung und Anerkennung, wie [[Andreas Hammerschmidt]], [[Heinrich Ignaz Franz Biber]], [[Josef Mysliveček]] und [[Johann Baptist Vanhal|Jan Křtitel Vaňhal]].


In Zelenkas [[Suite (Musik)|Orchestersuiten]] folgen die italienischen und französischen Tänze sowie freie und programmatische Sätze einer Eröffnung aus ein oder zwei umfangreichen Einleitungssätzen, die verschiedenen Gattungen entnommen sind: der [[Sonata da chiesa|Kirchensonate]], dem [[Instrumentalkonzert]] und der [[Französische Ouvertüre|Ouvertüre]].<ref>Susanne Oschmann: '' Zelenka, Jan (Lukáš Ignatius) Dismas.'' In: Horst Weber (Hrsg.): ''Metzler Komponistenlexikon.'' Metzler, Stuttgart/Weimar 1992, S.&nbsp;889–891, hier 889.</ref> Formaler Schematismus etwa im ''Concerto G-Dur'' ZWV&nbsp;186 wird durch „ungebärdig expressiven Ausdruck“ aufgebrochen. Zelenkas Vorliebe für das Bizarre wird insbesondere in den ''[[Capriccio|Capricci]]'' deutlich, wenn die Hörerwartungen durch individuelle Lösungen durchkreuzt werden.<ref>Uwe Schweikert: ''Jan Dismas Zelenka.'' In: Ingeborg Allihn (Hrsg.): ''Barockmusikführer. Instrumentalmusik 1550–1770.'' Metzler, Stuttgart 2001, S.&nbsp;507–512, hier 508f.</ref>
In Zelenkas [[Suite (Musik)|Orchestersuiten]] folgen die italienischen und französischen Tänze sowie freie und programmatische Sätze einer Eröffnung aus ein oder zwei umfangreichen Einleitungssätzen, die verschiedenen Gattungen entnommen sind: der [[Sonata da chiesa|Kirchensonate]], dem [[Instrumentalkonzert]] und der [[Französische Ouvertüre|Ouvertüre]].<ref>Susanne Oschmann: '' Zelenka, Jan (Lukáš Ignatius) Dismas.'' In: Horst Weber (Hrsg.): ''Metzler Komponistenlexikon.'' Metzler, Stuttgart/Weimar 1992, S.&nbsp;889–891, hier 889.</ref> Formaler Schematismus etwa im ''Concerto G-Dur'' ZWV&nbsp;186 wird durch „ungebärdig expressiven Ausdruck“ aufgebrochen. Zelenkas Vorliebe für das Bizarre wird insbesondere in den ''[[Capriccio|Capricci]]'' deutlich, wenn die Hörerwartungen durch individuelle Lösungen durchkreuzt werden.<ref>Uwe Schweikert: ''Jan Dismas Zelenka.'' In: Ingeborg Allihn (Hrsg.): ''Barockmusikführer. Instrumentalmusik 1550–1770.'' Metzler, Stuttgart 2001, S.&nbsp;507–512, hier 508f.</ref>
Zeile 19: Zeile 21:
Als „Bestleistungen“<ref>Ernst Schenk: ''Die außeritalienische Triosonate.'' Volk, Köln 1970 (= ''Das Musikwerk,'' Heft 35), S.&nbsp;12.</ref> gelten Zelenkas ''Sei Sonate a due Hautbois et Basson con due bassi obligati'' ZWV&nbsp;181 für zwei Oboen (in Nummer 3 Oboe und Violine), Fagott und [[Generalbass|Basso continuo]], solistisch virtuose Werke unter venezianischem Einfluss mit tschechischen Eigenheiten in [[Rhythmus (Musik)|Rhythmik]] und [[Melodik]].<ref>Hubert Unverricht: ''Die Triosonate bei Fux und Zelenka. Versuch einer historischen Einordnung der sechs Sonaten Jan Dismas Zelenkas.'' In: Günter Gattermann (Hrsg.): ''Zelenka-Studien II. Referate und Materialien der 2.&nbsp;Internationalen Fachkonferenz Jan Dismas Zelenka (Dresden und Prag 1995).'' Academia-Verlag, Sankt Augustin 1997 (= ''Deutsche Musik im Osten,'' Band 12), ISBN 3-89665-035-1, S.&nbsp;193–200, hier 199.</ref> Die italienische Gattung wird mit der aus der französischen Oper stammenden Besetzung von zwei Oboen und Fagott verknüpft.<ref>Susanne Oschmann: '' Zelenka, Jan (Lukáš Ignatius) Dismas.'' In: Horst Weber (Hrsg.): ''Metzler Komponistenlexikon.'' Metzler, Stuttgart/Weimar 1992, S.&nbsp;889–891, hier 889.</ref> Zur Bassstimme tritt zum Teil eine zweite tiefe Stimme hinzu. Als Vorbilder zu nennen sind neben den [[Sonata da chiesa|Kirchen]]- und [[Sonata da camera|Kammersonaten]] [[Arcangelo Corelli]]s das [[Instrumentalkonzert|Konzert]] und die [[Fuge (Musik)|Fuge]],<ref>Lorenz Welker: ''Konstituenten der Form in Zelenkas Triosonaten.'' In: Günter Gattermann (Hrsg.): ''Zelenka-Studien II. Referate und Materialien der 2.&nbsp;Internationalen Fachkonferenz Jan Dismas Zelenka (Dresden und Prag 1995).'' Academia-Verlag, Sankt Augustin 1997 (= ''Deutsche Musik im Osten,'' Band 12), ISBN 3-89665-035-1, S.&nbsp;201–216, hier 203.</ref> die vom strengen [[Kanon (Musik)|Kanon]] bis zur dreistimmigen Doppelfuge Zelenkas Meisterschaft der [[Polyphonie]] verrät. Die außerordentlich originellen Werke verfügen über weit ausholende [[Motiv (Musik)|Motive]] und Motivketten in rhythmischer Kontrastierung und mit gewagter [[Harmonik]] mit „schmerzvoller [[Chromatik]]“.<ref>Uwe Schweikert: ''Jan Dismas Zelenka.'' In: Ingeborg Allihn (Hrsg.): ''Barockmusikführer. Instrumentalmusik 1550–1770.'' Metzler, Stuttgart 2001, S.&nbsp;507–512, hier 510f.</ref>
Als „Bestleistungen“<ref>Ernst Schenk: ''Die außeritalienische Triosonate.'' Volk, Köln 1970 (= ''Das Musikwerk,'' Heft 35), S.&nbsp;12.</ref> gelten Zelenkas ''Sei Sonate a due Hautbois et Basson con due bassi obligati'' ZWV&nbsp;181 für zwei Oboen (in Nummer 3 Oboe und Violine), Fagott und [[Generalbass|Basso continuo]], solistisch virtuose Werke unter venezianischem Einfluss mit tschechischen Eigenheiten in [[Rhythmus (Musik)|Rhythmik]] und [[Melodik]].<ref>Hubert Unverricht: ''Die Triosonate bei Fux und Zelenka. Versuch einer historischen Einordnung der sechs Sonaten Jan Dismas Zelenkas.'' In: Günter Gattermann (Hrsg.): ''Zelenka-Studien II. Referate und Materialien der 2.&nbsp;Internationalen Fachkonferenz Jan Dismas Zelenka (Dresden und Prag 1995).'' Academia-Verlag, Sankt Augustin 1997 (= ''Deutsche Musik im Osten,'' Band 12), ISBN 3-89665-035-1, S.&nbsp;193–200, hier 199.</ref> Die italienische Gattung wird mit der aus der französischen Oper stammenden Besetzung von zwei Oboen und Fagott verknüpft.<ref>Susanne Oschmann: '' Zelenka, Jan (Lukáš Ignatius) Dismas.'' In: Horst Weber (Hrsg.): ''Metzler Komponistenlexikon.'' Metzler, Stuttgart/Weimar 1992, S.&nbsp;889–891, hier 889.</ref> Zur Bassstimme tritt zum Teil eine zweite tiefe Stimme hinzu. Als Vorbilder zu nennen sind neben den [[Sonata da chiesa|Kirchen]]- und [[Sonata da camera|Kammersonaten]] [[Arcangelo Corelli]]s das [[Instrumentalkonzert|Konzert]] und die [[Fuge (Musik)|Fuge]],<ref>Lorenz Welker: ''Konstituenten der Form in Zelenkas Triosonaten.'' In: Günter Gattermann (Hrsg.): ''Zelenka-Studien II. Referate und Materialien der 2.&nbsp;Internationalen Fachkonferenz Jan Dismas Zelenka (Dresden und Prag 1995).'' Academia-Verlag, Sankt Augustin 1997 (= ''Deutsche Musik im Osten,'' Band 12), ISBN 3-89665-035-1, S.&nbsp;201–216, hier 203.</ref> die vom strengen [[Kanon (Musik)|Kanon]] bis zur dreistimmigen Doppelfuge Zelenkas Meisterschaft der [[Polyphonie]] verrät. Die außerordentlich originellen Werke verfügen über weit ausholende [[Motiv (Musik)|Motive]] und Motivketten in rhythmischer Kontrastierung und mit gewagter [[Harmonik]] mit „schmerzvoller [[Chromatik]]“.<ref>Uwe Schweikert: ''Jan Dismas Zelenka.'' In: Ingeborg Allihn (Hrsg.): ''Barockmusikführer. Instrumentalmusik 1550–1770.'' Metzler, Stuttgart 2001, S.&nbsp;507–512, hier 510f.</ref>


In den Oratorien liegt das Schwergewicht weniger in den Rezitativen als in den Arien mit ihrer Affektdarstellung, bei der allgemein musikalische Mittel Verwendung finden, Figuren zur Textausdeutung jedoch eine geringere Rolle spielen.<ref>Susanne Oschmann: ''Jan Dismas Zelenka. Seine geistlichen italienischen Oratorien.'' B.&nbsp;Schott’s Söhne, Mainz 1986, ISBN 3-7957-1794-9, S.&nbsp;270f.</ref>
Zelenka konnte auf eine reiche tschechische, wenn auch oft anonyme Tradition zurückgreifen. Als tschechische Komponisten vor Zelenka sind etwa [[Adam Václav Michna z Otradovic]] oder [[Pavel Josef Vejvanovský]] zu nennen. Wie Zelenka fanden auch weitere böhmische Komponisten außerhalb ihrer Heimat Anstellung und Anerkennung, wie [[Andreas Hammerschmidt]], [[Heinrich Ignaz Franz Biber]], [[Josef Mysliveček]] und [[Johann Baptist Vanhal|Jan Křtitel Vaňhal]].

Bereits vor seinem Studium in Wien ordnete Zelenka vokale und instrumentale Kräfte nach Prinzipien des [[Concerto Grosso]] in solistische und Tutti-Gruppen, etwa in der ''Missa Judica me'' (1714).<ref>Janice B. Stockigt: ''Jan Dismas Zelenka. A Bohemian Musician at the Court of Dresden.'' Oxford University Press, New York 2000, ISBN 0-19-816622-2, S.&nbsp;139.</ref> In festlichen Messen treten neben Trompeten und Pauken ein Paar Hörner in Erscheinung.<ref>Janice B. Stockigt, Andrew Frampton, Frederic Kiernan: ''Zelenka, Jan (Lukáš Ignatius) Dismas.'' In: ''Grove Music Online. Oxford Music Online.'' Oxford University Press, Version: 26. Dezember 2018. http://www.oxfordmusiconline.com.</ref> Auch Elemente eines einfachen, beinahe ländlichen Stils integrierte er in Messkompositionen.<ref>Janice B. Stockigt: ''Jan Dismas Zelenka. A Bohemian Musician at the Court of Dresden.'' Oxford University Press, New York 2000, ISBN 0-19-816622-2, S.&nbsp;142.</ref>


== Nachwirkung ==
== Nachwirkung ==

Version vom 10. Juli 2024, 18:14 Uhr

Jan Dismas Zelenka (Taufname Jan Lukáš Zelenka;[1] * getauft 16. Oktober 1679 in Launiowitz, Böhmen; † 23. Dezember 1745 in Dresden) war ein böhmischer Barockkomponist.

Leben

Gedenktafel von Vinzenz Wanitschke an der Stelle von Zelenkas Wohnhaus in Dresden (Foto: 2009)

Jan Dismas Zelenka war Sohn eines tschechischen Dorflehrers und Organisten. Er wurde am Prager Jesuitenkolleg, wahrscheinlich am Clementinum, ausgebildet. Aus der Titelseite der Komposition Immisit Dominus pestilentiam geht hervor, dass Zelenka im Jahr 1709 im Haushalt von „Graf Hartig“ lebte. 1712 schrieb Zelenka in einem Bewerbungsschreiben an Kurfürst Friedrich August I. von Sachsen, er habe bei dem berühmten Musiker „Baron von Hartig“ aus Prag musikalische Unterweisung erhalten.[2]

Im Jahr 1710 trat er eine Stelle als Violonist bzw. Kontrabassist am sächsischen Hof in Dresden an. Zwischen 1716 und 1719 reiste er nach Wien, wo er bei Johann Joseph Fux studierte. Ein vielfach vermuteter Aufenthalt in Italien, wo er Antonio Lotti und Alessandro Scarlatti getroffen haben soll, ist nicht belegt. Nach dem Tod des Dresdner Kapellmeisters Johann David Heinichen 1729, den er während dessen Krankheit bereits vertreten hatte, bewarb er sich bei Kurfürst Friedrich August II. um dessen Nachfolge, unterlag jedoch Johann Adolf Hasse. 1733 wurde er lediglich zum Hofkomponisten und 1735 zum „Kirchen-Compositeur“ ernannt. Er blieb, mit Ausnahme gelegentlicher Reisen nach Prag, bis zu seinem Tod im Jahr 1745 in Dresden.

Zelenkas Grab auf dem Alten Katholischen Friedhof in Dresden ist nicht erhalten. Seit 1996 erinnert auf dem Friedhof eine Gedenkstele an ihn. Ein authentisches Porträt Zelenkas ist nicht überliefert.[3] Im Internet zu findende angebliche Darstellungen Zelenkas zeigen in Wirklichkeit meist Johann Joseph Fux.[4]

Werk

Denkmal für Zelenka im Geburtsort Louňovice pod Blaníkem (Foto: 2013)

Jan Dismas Zelenka komponierte höchst originelle und unkonventionelle Orchester- und Vokalwerke. Viele davon erlebten erst im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts eine Renaissance. Charakteristisch für seine Kompositionen ist der häufige Einbau tonartfremder Akkorde. In seinen herausragenden geistlichen Werken für den Dresdner Hof (seit der politisch motivierten Konversion Augusts des Starken zum katholischen Glauben) verbindet er teils archaische Satztechniken mit den modernsten Ausdrucksmitteln seiner Zeit zu hochexpressiven Schöpfungen.

Zelenka konnte auf eine reiche tschechische, wenn auch oft anonyme Tradition zurückgreifen. Als tschechische Komponisten vor Zelenka sind etwa Adam Václav Michna z Otradovic oder Pavel Josef Vejvanovský zu nennen. Wie Zelenka fanden auch weitere böhmische Komponisten außerhalb ihrer Heimat Anstellung und Anerkennung, wie Andreas Hammerschmidt, Heinrich Ignaz Franz Biber, Josef Mysliveček und Jan Křtitel Vaňhal.

In Zelenkas Orchestersuiten folgen die italienischen und französischen Tänze sowie freie und programmatische Sätze einer Eröffnung aus ein oder zwei umfangreichen Einleitungssätzen, die verschiedenen Gattungen entnommen sind: der Kirchensonate, dem Instrumentalkonzert und der Ouvertüre.[5] Formaler Schematismus etwa im Concerto G-Dur ZWV 186 wird durch „ungebärdig expressiven Ausdruck“ aufgebrochen. Zelenkas Vorliebe für das Bizarre wird insbesondere in den Capricci deutlich, wenn die Hörerwartungen durch individuelle Lösungen durchkreuzt werden.[6]

Als „Bestleistungen“[7] gelten Zelenkas Sei Sonate a due Hautbois et Basson con due bassi obligati ZWV 181 für zwei Oboen (in Nummer 3 Oboe und Violine), Fagott und Basso continuo, solistisch virtuose Werke unter venezianischem Einfluss mit tschechischen Eigenheiten in Rhythmik und Melodik.[8] Die italienische Gattung wird mit der aus der französischen Oper stammenden Besetzung von zwei Oboen und Fagott verknüpft.[9] Zur Bassstimme tritt zum Teil eine zweite tiefe Stimme hinzu. Als Vorbilder zu nennen sind neben den Kirchen- und Kammersonaten Arcangelo Corellis das Konzert und die Fuge,[10] die vom strengen Kanon bis zur dreistimmigen Doppelfuge Zelenkas Meisterschaft der Polyphonie verrät. Die außerordentlich originellen Werke verfügen über weit ausholende Motive und Motivketten in rhythmischer Kontrastierung und mit gewagter Harmonik mit „schmerzvoller Chromatik“.[11]

In den Oratorien liegt das Schwergewicht weniger in den Rezitativen als in den Arien mit ihrer Affektdarstellung, bei der allgemein musikalische Mittel Verwendung finden, Figuren zur Textausdeutung jedoch eine geringere Rolle spielen.[12]

Bereits vor seinem Studium in Wien ordnete Zelenka vokale und instrumentale Kräfte nach Prinzipien des Concerto Grosso in solistische und Tutti-Gruppen, etwa in der Missa Judica me (1714).[13] In festlichen Messen treten neben Trompeten und Pauken ein Paar Hörner in Erscheinung.[14] Auch Elemente eines einfachen, beinahe ländlichen Stils integrierte er in Messkompositionen.[15]

Nachwirkung

Gedenkstele für Zelenka auf dem Alten Katholischen Friedhof in Dresden (Foto: 2009)

Zelenka verdankt seine Wiederentdeckung in Tschechien besonders dem Musikwissenschaftler und Flötisten Milan Munclinger. 1959 spielte er mit seinem Ensemble Ars Rediviva für das Label Supraphon eine der Kammersonaten ein (in dem Ars-rediviva-Konzertzyklus schon 1958 aufgeführt). 1964 folgten die Schallplattenaufnahmen von weiteren Triosonaten, Orchesterwerken und 1969 die Lamentationes Jeremiae Prophetae (Solisten: Theo Altmeyer, Karel Berman, Nedda Casei; Ars rediviva unter der Leitung von Milan Munclinger), ebenfalls für Supraphon.

Seit Mitte der 1970er-Jahre werden der Erfindungsreichtum und die Virtuosität von Zelenkas Gesamtwerk, das sich von den verbreiteten Stilen des 18. Jahrhunderts beträchtlich entfernt, mehr und mehr gewürdigt. Einen maßgeblichen Anteil an der Wiederentdeckung der Werke Zelenkas hatte der Oboist, Dirigent und Komponist Heinz Holliger, der 1972 die Schallplattenaufnahmen der sechs Triosonaten für das Label DGG Archiv Produktion leitete und 1977 an der Einspielung der Orchesterwerke (ebenfalls DGG Archiv Produktion) beteiligt war. Aufgrund der Verwandtschaft zu den Klangvorstellungen Johann Sebastian Bachs wird Zelenka in zunehmendem Maße als dessen Pendant erkannt. J. S. Bach selbst schätzte seinen Kollegen sehr, was auf Gegenseitigkeit beruhte.

Das kirchenmusikalische Werk Zelenkas wird seit seiner Entstehungszeit nahezu ununterbrochen an der Dresdner Hofkirche gepflegt, dem Ort, für den die meisten seiner Werke komponiert wurden. Die Dresdner Kapellknaben führen gemeinsam mit Mitgliedern der Staatskapelle Dresden, der Nachfolgeinstitution der sächsischen Hofkapelle, in Gottesdiensten die Mess- und Psalmvertonungen Zelenkas auf.

Einer der bedeutenden Interpreten Zelenkascher Kirchenmusik ist der Marburger Bachchor, 1966 von Studenten der Philipps-Universität Marburg gegründet. Unter der Leitung von Wolfram Wehnert (früher Hochschule für Musik und Theater Hannover) erwarb sich der überregionale Chor durch die zahlreichen Wiederaufführungen von Zelenkas Musik zwischen 1978 und 1990, vor allem der Missa Dei Patris, der Missa votiva und weiterer, zum Teil einzigartiger Kompositionen, internationale Anerkennung. Mit Zelenkas Musik reiste das Ensemble mit verschiedenen Orchestern durch viele europäische Länder und trug auf vielen Festivals erheblich zur Renaissance der Musik Zelenkas bei.

Das tschechische Ensemble Collegium 1704 widmet sich unter Leitung des Cembalisten und Dirigenten Václav Luks schwerpunktmäßig dem Werk Zelenkas. Es ehrt den Komponisten auch mit der Jahreszahl 1704 in seinem Namen: Im August 1704 wurde Zelenkas Werk Via Laureata in der Prager Sankt-Nikolaus-Kirche aufgeführt.[16]

Werke

Zelenkas Kompositionen wurden vom Musikwissenschaftler Wolfgang Reich im Zelenka-Werke-Verzeichnis (ZWV) zusammengefasst und katalogisiert.

Geistliche Vokalmusik

  • 21 Messvertonungen:
    • Missa Sanctae Caeciliae G-Dur (ZWV 1, ca. 1711)
    • Missa »Judica me« F-Dur (ZWV 2, 1714)
    • Missa Corporis Domini C-Dur (ZWV 3, ca. 1719)
    • Missa Sancti Spiritus D-Dur (ZWV 4, 1723)
    • Missa Spei C-Dur (ZWV 5, 1724 [verschollen])
    • Missa Fidei C-Dur (ZWV 6, 1725)
    • Missa Paschalis D-Dur (ZWV 7, 1726)
    • Missa Nativitatis Domini D-Dur (ZWV 8, 1726)
    • Missa Corporis Domini D-Dur (ZWV 9, ca. 1727)
    • Missa Charitatis D-Dur (ZWV 10, 1727)
    • Missa Circumcisionis D-Dur (ZWV 11, 1728)
    • Missa Divi Xaverii D-Dur (ZWV 12, 1729)
    • Missa »Gratias agimus tibi« D-Dur (ZWV 13, 1730)
    • Missa Sancti Josephi D-Dur (ZWV 14, ca. 1731)
    • Missa Eucharistica D-Dur (ZWV 15, 1733)
    • Missa Purificationis B.M.V. D-Dur (ZWV 16, 1733)
    • Missa Sanctissimae Trinitatis a-Moll (ZWV 17, 1736)
    • Missa votiva, dicta: »Vota mea Domino reddam« e-Moll (ZWV 18, 1739)
    • Missa Dei Patris C-Dur (ZWV 19, 1740)
    • Missa Dei Filii C-Dur (ZWV 20, ca. 1740)
    • Missa Omnium Sanctorum a-Moll (ZWV 21, 1741)
  • 4 Requiems: (ZWV 45; 46; 48; 49)
  • Werke für die Karwoche:
    • Lamentationes Jeremiae (ZWV 53; 54)
    • Responsoria pro Hebdomada Sancta (ZWV 55)
    • 2 Miserere (ZWV 56; 57)
  • Geistliche Oratorien:
    • Il Serpente del bronzo (ZWV 61)
    • Gesù al Calvario (ZWV 62)
    • I penitento al Sepolchro del Redentore (ZWV 63)
  • Diverse Psalm-Vertonungen und Magnificats
  • 19 marianische Antiphonen
  • Vertonungen des Te Deum und der Litaneien

Weltliche Vokalmusik

  • Sub olea pacis: Melodrama de Sancto Wenceslao (ZWV 175)
  • 8 italienische Arien (ZWV 176)
  • Serenata Il diamante (ZWV 177), 1737
  • 2 Krebskanons Emit amor (ZWV 178)
  • Cantilena circularis Vide Domine (ZWV 179)

Instrumentalmusik

  • 6 Triosonaten für 2 Oboen oder Oboe und Violine, Fagott und Basso continuo (ZWV 181).
  • Mehrere Orchesterwerke für unterschiedliche Besetzungen, bezeichnet mit
    • „Capriccio“ (ZWV 182–185; 190)
    • „Concerto a 8 Concertanti“ G-dur (ZWV 186)
    • „Simphonie a 8 Concertanti“ a-moll (ZWV 189)
    • „Hipocondrie a 7 Concertanti“ A-dur (ZWV 187)

Nachlass

Der Nachlass von Jan Dismas Zelenka wird in der Musikabteilung der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden unter der Signatur Mus.2358-… aufbewahrt. Er enthält Musikautographe im Umfang von ca. 190 Katalognummern.[17]

Literatur

Commons: Jan Dismas Zelenka – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Außer im Taufbuch erscheint als zweiter Vorname überall Dismas, der (nachbiblische) Name des „reuigen Schächers“ (Lk 23,39–42 EU); wann und warum es zu dem Namenswechsel kam, ist unbekannt. Manche vermuten in Dismas den Firmnamen Zelenkas (so David Charlton: Jan Dismas Zelenka. classical.net); allerdings war es auch im Barock nicht üblich, den Firmnamen als bürgerlichen Namen zu führen.
  2. Laut dem Standardwerk über Zelenka von Janice B. Stockigt handelt es sich um zwei Brüder aus dem böhmischen Adelsgeschlecht von Hartig: Wahrscheinlich sei „Graf Hartig“, bei dem Zelenka im Jahr 1709 lebte, Jan Hubert Hartig (1671–1741), während „Baron von Hartig“, Zelenkas musikalischer Lehrer, wohl Joseph Ludwig Hartig (1685–1735) sei (vgl. Buchvorschau, S. 5 f.). Unklar ist bei Stockigt, warum sie im Widerspruch zu den angegebenen Lebensdaten Jan Hubert Hartig als den jüngeren der Brüder bezeichnet.
  3. Volker Hagedorn: Der Bizarre neben Bach. zeit.de, 17. März 2011
  4. Zum Beispiel hoasm.org, last.fm, rateyourmusic.com oder classicalm.com
  5. Susanne Oschmann: Zelenka, Jan (Lukáš Ignatius) Dismas. In: Horst Weber (Hrsg.): Metzler Komponistenlexikon. Metzler, Stuttgart/Weimar 1992, S. 889–891, hier 889.
  6. Uwe Schweikert: Jan Dismas Zelenka. In: Ingeborg Allihn (Hrsg.): Barockmusikführer. Instrumentalmusik 1550–1770. Metzler, Stuttgart 2001, S. 507–512, hier 508f.
  7. Ernst Schenk: Die außeritalienische Triosonate. Volk, Köln 1970 (= Das Musikwerk, Heft 35), S. 12.
  8. Hubert Unverricht: Die Triosonate bei Fux und Zelenka. Versuch einer historischen Einordnung der sechs Sonaten Jan Dismas Zelenkas. In: Günter Gattermann (Hrsg.): Zelenka-Studien II. Referate und Materialien der 2. Internationalen Fachkonferenz Jan Dismas Zelenka (Dresden und Prag 1995). Academia-Verlag, Sankt Augustin 1997 (= Deutsche Musik im Osten, Band 12), ISBN 3-89665-035-1, S. 193–200, hier 199.
  9. Susanne Oschmann: Zelenka, Jan (Lukáš Ignatius) Dismas. In: Horst Weber (Hrsg.): Metzler Komponistenlexikon. Metzler, Stuttgart/Weimar 1992, S. 889–891, hier 889.
  10. Lorenz Welker: Konstituenten der Form in Zelenkas Triosonaten. In: Günter Gattermann (Hrsg.): Zelenka-Studien II. Referate und Materialien der 2. Internationalen Fachkonferenz Jan Dismas Zelenka (Dresden und Prag 1995). Academia-Verlag, Sankt Augustin 1997 (= Deutsche Musik im Osten, Band 12), ISBN 3-89665-035-1, S. 201–216, hier 203.
  11. Uwe Schweikert: Jan Dismas Zelenka. In: Ingeborg Allihn (Hrsg.): Barockmusikführer. Instrumentalmusik 1550–1770. Metzler, Stuttgart 2001, S. 507–512, hier 510f.
  12. Susanne Oschmann: Jan Dismas Zelenka. Seine geistlichen italienischen Oratorien. B. Schott’s Söhne, Mainz 1986, ISBN 3-7957-1794-9, S. 270f.
  13. Janice B. Stockigt: Jan Dismas Zelenka. A Bohemian Musician at the Court of Dresden. Oxford University Press, New York 2000, ISBN 0-19-816622-2, S. 139.
  14. Janice B. Stockigt, Andrew Frampton, Frederic Kiernan: Zelenka, Jan (Lukáš Ignatius) Dismas. In: Grove Music Online. Oxford Music Online. Oxford University Press, Version: 26. Dezember 2018. http://www.oxfordmusiconline.com.
  15. Janice B. Stockigt: Jan Dismas Zelenka. A Bohemian Musician at the Court of Dresden. Oxford University Press, New York 2000, ISBN 0-19-816622-2, S. 142.
  16. Collegium 1704: Über uns (siehe Ende des Textes)
  17. Kalliope | Verbundkatalog für Archiv- und archivähnliche Bestände und nationales Nachweisinstrument für Nachlässe und Autographen. Abgerufen am 14. Mai 2020.