„Normativ“ – Versionsunterschied
[gesichtete Version] | [ungesichtete Version] |
Keine Bearbeitungszusammenfassung |
Keine Bearbeitungszusammenfassung Markierungen: Mobile Bearbeitung Mobile Web-Bearbeitung |
||
Zeile 11: | Zeile 11: | ||
In der Rechtswissenschaft hat der Begriff mehrere Bedeutungen. |
In der Rechtswissenschaft hat der Begriff mehrere Bedeutungen. |
||
== Philosophie == |
== Philosophie == hi |
||
Philosophische Normativität gibt an, wie etwas sein sollte (englisch: ''ought''). Normativ ist in der Philosophie in der Regel dem Attribut [[Phänomenologie (Methodik)|deskriptiv]] (beschreibend) als Beschreibung für Theorien und Begriffe entgegengesetzt. Deskriptive Aussagen sind Sätze über die [[Realität]] und können überprüft und gegebenenfalls auch widerlegt werden ([[Falsifikation]]). Normative Sätze geben vor, wie etwas sein ''soll'', also wie etwas zu bewerten ist. In der Moralphilosophie wird beispielsweise normativ geklärt, ob etwas gut oder böse ist oder welche [[Handeln|Handlungen]] [[moral]]isch geboten sind. |
Philosophische Normativität gibt an, wie etwas sein sollte (englisch: ''ought''). Normativ ist in der Philosophie in der Regel dem Attribut [[Phänomenologie (Methodik)|deskriptiv]] (beschreibend) als Beschreibung für Theorien und Begriffe entgegengesetzt. Deskriptive Aussagen sind Sätze über die [[Realität]] und können überprüft und gegebenenfalls auch widerlegt werden ([[Falsifikation]]). Normative Sätze geben vor, wie etwas sein ''soll'', also wie etwas zu bewerten ist. In der Moralphilosophie wird beispielsweise normativ geklärt, ob etwas gut oder böse ist oder welche [[Handeln|Handlungen]] [[moral]]isch geboten sind. |
||
Erst im 18. Jahrhundert wies [[David Hume]] darauf hin, dass es diesen [[Logik|logischen]] Unterschied zwischen wertenden und beschreibenden Sätzen gibt ([[Humes Gesetz]]). Verschiedene philosophische Schulen beschäftigen sich mit der Frage nach der [[Rationalität]] und objektiven Begründbarkeit normativer Sätze. Während |
Erst im 18. Jahrhundert wies [[David Hume]] darauf hin, dass es diesen [[Logik|logischen]] Unterschied zwischen wertenden und beschreibenden Sätzen gibt ([[Humes Gesetz]]). Verschiedene philosophische Schulen beschäftigen sich mit der Frage nach der [[Rationalität]] und objektiven Begründbarkeit normativer Sätze. Während Popogesicht wie die von [[Platon]], [[Aristoteles]] über [[Kant]] bis [[Jürgen Habermas|Habermas]] von dieser Möglichkeit ausgehen, bestreiten dies neben anderen die [[Politische Theorie und Ideengeschichte#Empirisch-analytischer Ansatz|empirisch-analytisch]] arbeitenden Schulen (z. B. [[logischer Empirismus]]). |
||
Unterschieden werden muss, besonders wenn der Begriff ''normativ'' im Zusammenhang mit Theorien gebraucht wird, zwischen normativen Theorien und [[teleologisch]]en Theorien. Im Gegensatz zu teleologischen Theorien versuchen normative Wissenschaften nicht das tatsächliche Vorgegebensein einer Norm oder eines Zieles an sich zu begründen. Normative Theorien setzten also eine Norm hypothetisch als gegeben voraus, ohne selbst zu begründen, ''warum'' man dieser Norm folgen soll. Allerdings beschreiben normative Theorien z. B., welche Bedingungen gegeben sein müssen oder welche Handlungen vollbracht werden müssen, um eine bestimmte Norm erfüllen zu können. Insofern sind normative Theorien selbst deskriptiv. Der Philosoph und Soziologe [[Georg Simmel]] drückt diesen Sachverhalt so aus: |
Unterschieden werden muss, besonders wenn der Begriff ''normativ'' im Zusammenhang mit Theorien gebraucht wird, zwischen normativen Theorien und [[teleologisch]]en Theorien. Im Gegensatz zu teleologischen Theorien versuchen normative Wissenschaften nicht das tatsächliche Vorgegebensein einer Norm oder eines Zieles an sich zu begründen. Normative Theorien setzten also eine Norm hypothetisch als gegeben voraus, ohne selbst zu begründen, ''warum'' man dieser Norm folgen soll. Allerdings beschreiben normative Theorien z. B., welche Bedingungen gegeben sein müssen oder welche Handlungen vollbracht werden müssen, um eine bestimmte Norm erfüllen zu können. Insofern sind normative Theorien selbst deskriptiv. Der Philosoph und Soziologe [[Georg Simmel]] drückt diesen Sachverhalt so aus: |
Version vom 19. April 2018, 09:41 Uhr
Der Begriff Norm (lat. „Winkelmaß, Richtschnur, Regel“) ist mehrdeutig. Das Adjektiv normativ wird nur für einen Teilbereich der Bedeutungen des Begriffs Norm verwendet:
- Norm als Werteordnung innerhalb einer Gesellschaft, soziale Norm,
- Normen als ethische Werte und Maßstäbe, siehe Normethik,
- Norm als eine rechtliche Vorschrift, Rechtsnorm.
Zwischen diesen drei Bereichen gibt es Schnittmengen und Korrelationen. Alle drei Normbereiche implizieren Regeln, ein Sollen und/oder Müssen.
Normativität ist ein in vielen Bereichen übliches Konzept, das u. a. in der Philosophie, im Rechtswesen und in den Kultur- und Sozialwissenschaften verwendet wird. Es gibt zwei große Gruppen von Gedanken (z. B. Theorien), nämlich deskriptive (beschreibende) und normative. Mit dieser Dualität beschäftigt sich unter anderem die Wissenschaftstheorie.
Bei einigen Forschungsansätzen ist normativ ein Namensbestandteil (zum Beispiel normativ-ontologische Ansätze).
In der Rechtswissenschaft hat der Begriff mehrere Bedeutungen.
== Philosophie == hi Philosophische Normativität gibt an, wie etwas sein sollte (englisch: ought). Normativ ist in der Philosophie in der Regel dem Attribut deskriptiv (beschreibend) als Beschreibung für Theorien und Begriffe entgegengesetzt. Deskriptive Aussagen sind Sätze über die Realität und können überprüft und gegebenenfalls auch widerlegt werden (Falsifikation). Normative Sätze geben vor, wie etwas sein soll, also wie etwas zu bewerten ist. In der Moralphilosophie wird beispielsweise normativ geklärt, ob etwas gut oder böse ist oder welche Handlungen moralisch geboten sind.
Erst im 18. Jahrhundert wies David Hume darauf hin, dass es diesen logischen Unterschied zwischen wertenden und beschreibenden Sätzen gibt (Humes Gesetz). Verschiedene philosophische Schulen beschäftigen sich mit der Frage nach der Rationalität und objektiven Begründbarkeit normativer Sätze. Während Popogesicht wie die von Platon, Aristoteles über Kant bis Habermas von dieser Möglichkeit ausgehen, bestreiten dies neben anderen die empirisch-analytisch arbeitenden Schulen (z. B. logischer Empirismus).
Unterschieden werden muss, besonders wenn der Begriff normativ im Zusammenhang mit Theorien gebraucht wird, zwischen normativen Theorien und teleologischen Theorien. Im Gegensatz zu teleologischen Theorien versuchen normative Wissenschaften nicht das tatsächliche Vorgegebensein einer Norm oder eines Zieles an sich zu begründen. Normative Theorien setzten also eine Norm hypothetisch als gegeben voraus, ohne selbst zu begründen, warum man dieser Norm folgen soll. Allerdings beschreiben normative Theorien z. B., welche Bedingungen gegeben sein müssen oder welche Handlungen vollbracht werden müssen, um eine bestimmte Norm erfüllen zu können. Insofern sind normative Theorien selbst deskriptiv. Der Philosoph und Soziologe Georg Simmel drückt diesen Sachverhalt so aus:
„Was man normative Wissenschaft nennt, ist tatsächlich nur Wissenschaft vom Normativen. Sie selbst normiert nichts, sondern sie erklärt nur Normen und ihre Zusammenhänge, denn Wissenschaft fragt stets nur kausal, nicht teleologisch, und Normen und Zwecke können wohl so gut wie alles andere den Gegenstand ihrer Untersuchung, aber nicht ihr eigenes Wesen bilden.[1]“
Rechtswesen
Im Rechtswesen und in der Rechtswissenschaft sind zwei Grundbedeutungen zu unterscheiden:
Erstens bezieht sich das Adjektiv normativ auf die Rechtsnorm. Andererseits bezieht sich das Adjektiv normativ auf die Maßnahme eines Trägers öffentlicher Gewalt, die einen abstrakten Sachverhalt generell regelt, d. h. für eine Vielzahl von Adressaten außerhalb des Trägers selbst.
Innerhalb von Rechtsnormen unterscheidet man normative (wertende) und deskriptive (beschreibende) Tatbestandsmerkmale. Deren Bedeutung entsteht durch bewertende Interpretation. Dazu gehört zum Beispiel der Begriff fremd in § 242 Strafgesetzbuch oder Treu und Glauben in § 242 Bürgerliches Gesetzbuch.[2][3]
- Normativbestimmungen im Gesellschaftsrecht sind gesetzliche Vorschriften, die den Inhalt der Satzungen juristischer Personen regeln.
- Normativbestimmungen im Arbeitsrecht sind gesetzliche Vorschriften, die Inhalte eines Tarifvertrags regeln, welche die Arbeitsverhältnisse der Tarifgebundenen betreffen.[4][5]
Sozialwissenschaften
In den Sozialwissenschaften beschreibt normativ den Teil der gesellschaftlichen und kulturellen Strukturen, der die menschlichen sozialen Aktivitäten reguliert. Trotz vorhandener Regelverstöße (z. B. Verbrechen bei Rechtsnormen) führen diese gesellschaftlichen Normen zu einer homogenen, relativ stabilen Gesellschaftsordnung.
In der Soziologie bezeichnet man mit normativem Verhalten soziale Handlungen, die beabsichtigen, etwas gesellschaftlich akzeptabel zu machen, es quasi zu normalisieren.
Die Sozialpsychologie erforscht den normativen sozialen Einfluss, jenen Einfluss, den Gruppen auf das Verhalten von Individuen ausüben, weil diese nicht durch Verstoß gegen Gruppennormen unangenehm auffallen wollen.
Siehe auch
- Autoritative Erziehung
- Hypothese
- Politische Theorie und Ideengeschichte
- Präskription
- Rechtsphilosophie
- Wiener Kreis
- Wertvorstellung
Literatur
- Peter Stemmer: Normativität. Eine ontologische Untersuchung. Gruyter, 2008, ISBN 978-3-11-020035-5.
- Tatjana Tarkian: Moral, Normativität und Wahrheit. Paderborn: mentis, 2009, ISBN 978-3-89785-218-1.
Quellen
- ↑ Georg Simmel, Einleitung in die Moralwissenschaft. Eine Kritik der ethischen Grundbegriffe. I, 321 [1]
- ↑ Creifelds, Carl (Begr.)/Weber, Klaus (Hrsg.): Rechtswörterbuch. 20. Auflage, Beck, München 2011.
- ↑ Tilch, Horst/Arloth, Frank (Hrsg.): Deutsches Rechts-Lexikon. 3. Auflage, Beck, München 2001.
- ↑ Köbler, Gerhard: Juristisches Wörterbuch. 13. Auflage, Vahlen, München 2005.
- ↑ Tilch, Horst/Arloth, Frank (Hrsg.): Deutsches Rechts-Lexikon. 3. Auflage, Beck, München 2001.