„Ebioniten“ – Versionsunterschied
[ungesichtete Version] | [gesichtete Version] |
H7 (Diskussion | Beiträge) K Rest wiederhergestellt |
KKeine Bearbeitungszusammenfassung |
||
(7 dazwischenliegende Versionen von 4 Benutzern werden nicht angezeigt) | |||
Zeile 3: | Zeile 3: | ||
== Entstehung und Geschichte == |
== Entstehung und Geschichte == |
||
Die Ebioniten unterschieden sich von den sogenannten [[Nazarener (Religion)|„Nazarenern“]], die ebenso wie sie 66/67 n. Chr. von [[Jerusalem]] ins [[Ostjordanland]] ausgewandert waren.<ref>Werner Kleine: ''Fragmente, Zitate und Logien Judenchristliche Evangelien, das Thomasevangelium und ein jüdisches Antievangelium.'' 28. Januar 2011, www.pastoralservice.de, abgerufen am 14. April 2018 [http://www.relipaed.de/fileadmin/Archiv/GrundkursNT/Apokrypha/Merkblatt_3-JudenchristlicheTexte-EvThom-TolJeschu.pdf]</ref> Die Ebioniten waren zumeist in [[Transjordanien]] und [[Syria|Syrien]] verbreitet. Ob der Ursprung der Ebioniten in der [[Jerusalemer Urgemeinde]] liegt, bleibt unklar. Mit |
Die Ebioniten unterschieden sich von den sogenannten [[Nazarener (Religion)|„Nazarenern“]], die ebenso wie sie 66/67 n. Chr. von [[Jerusalem]] ins [[Ostjordanland]] ausgewandert waren.<ref>Werner Kleine: ''Fragmente, Zitate und Logien Judenchristliche Evangelien, das Thomasevangelium und ein jüdisches Antievangelium.'' 28. Januar 2011, www.pastoralservice.de, abgerufen am 14. April 2018 [http://www.relipaed.de/fileadmin/Archiv/GrundkursNT/Apokrypha/Merkblatt_3-JudenchristlicheTexte-EvThom-TolJeschu.pdf]</ref> Die Ebioniten waren zumeist in [[Transjordanien]] und [[Syria|Syrien]] verbreitet. Ob der Ursprung der Ebioniten in der [[Jerusalemer Urgemeinde]] liegt, bleibt unklar. Mit |
||
''Ebionim'' wurden in der [[Thora]] die (JHWH-)treuen [[Volk Israel|Israeliten]] bezeichnet, {{B|1 Sam|2|8}}, {{B|Hes|22|29}}, {{B|Amos|5|12}}. ''Ebionim'' stand für eine ehrenvolle Bezeichnung gottesfürchtiger Israeliten. Sie waren Anhänger des [[Judaismus]], also jener Richtung der Judenchristen, die die Beschneidung und die Einhaltung |
''Ebionim'' wurden in der [[Thora]] die (JHWH-)treuen [[Volk Israel|Israeliten]] bezeichnet, {{B|1 Sam|2|8}}, {{B|Hes|22|29}}, {{B|Amos|5|12}}. ''Ebionim'' stand für eine ehrenvolle Bezeichnung gottesfürchtiger Israeliten. Sie waren Anhänger des [[Judaismus]], also jener Richtung der Judenchristen, die die Beschneidung und die Einhaltung der Zeremonialgesetze fordert.<ref name="herder">[http://www.zeno.org/Herder-1854/A/Ebioniten ''Ebioniten''] in Herders Conversations-Lexikon, 1854</ref> |
||
Es war [[Irenäus von Lyon]], der als erster Autor um 180 n. Chr. eine eigene, von der alten Kirche getrennte ‚häretische‘ Gruppe der Ebionäer oder Ebioniten erwähnte (''Adversus haereses'' I 26,2; III 11,7). Über die antihäretische Schrift ''Arzneikasten'' (''panárion'') des [[Epiphanius von Salamis]] sind bis heute Teile eines Textes überliefert, der als [[Ebionitenevangelium]]<ref>[[Jörg Frey]]: ''Ebionitenevangelium.'' Andere Schreibweise: Ebionäerevangelium; Gospel of Ebionites (engl.). Erstellt: April 2013, ([https://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/ebionitenevangelium-1/ch/d1579e5220d70e00d89d2fc89479d86b/] auf www.bibelwissenschaft.de)</ref> oder ''Ebionäerevangelium'' bezeichnet wird, von Epiphanius allerdings fälschlicherweise [[Hebräerevangelium]] genannt wurde. Über die Ebionäer sagte Epiphanius, dass sie nur das [[Evangelium nach Matthäus]] benutzten. |
Es war [[Irenäus von Lyon]], der als erster Autor um 180 n. Chr. eine eigene, von der alten Kirche getrennte ‚häretische‘ Gruppe der Ebionäer oder Ebioniten erwähnte (''Adversus haereses'' I 26,2; III 11,7). Über die antihäretische Schrift ''Arzneikasten'' (''panárion'') des [[Epiphanius von Salamis]] sind bis heute Teile eines Textes überliefert, der als [[Ebionitenevangelium]]<ref>[[Jörg Frey]]: ''Ebionitenevangelium.'' Andere Schreibweise: Ebionäerevangelium; Gospel of Ebionites (engl.). Erstellt: April 2013, ([https://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/ebionitenevangelium-1/ch/d1579e5220d70e00d89d2fc89479d86b/] auf www.bibelwissenschaft.de)</ref> oder ''Ebionäerevangelium'' bezeichnet wird, von Epiphanius allerdings fälschlicherweise [[Hebräerevangelium]] genannt wurde. Über die Ebionäer sagte Epiphanius, dass sie nur das [[Evangelium nach Matthäus]] benutzten. |
||
Ursprünglich war „die Armen“ ein Ehrenname. Im Laufe der Zeit wandelte sich die Bedeutung zum Negativen, weil die Gruppe Feinde von allen Seiten hatte: Sie wurden von den Juden, obwohl sie sich selbst als Juden betrachteten, aus ihrer Gemeinschaft ausgeschlossen, weil sie in Jesus den Messias sahen und weil sie Tieropfer ablehnten, sich gar zu Vegetariern entwickelten. Von den Heidenchristen wurden sie als Ketzer betrachtet, weil sie Paulusgegner<ref>[[Hermann Detering]]: ''Die Gegner des Paulus - Judaistenthese 2. Jahrhundert.'' 4. Juli, 2018 [http://radikalkritik.de/wp-content/uploads/2018/10/Pauusgegner_J2J.pdf]</ref> waren und Jesu Tod nicht als blutigen Sühnetod interpretierten. Sie feierten das Abendmahl als bloße Erinnerung an Jesus und ersetzten den „Blutkelch“ durch einen Wasserkelch. Von den Römern wurden die Ebioniten wie Juden und Christen als Gruppe potentieller Aufständischer eingestuft und entsprechend beargwöhnt. |
Ursprünglich war „die Armen“ ein Ehrenname. Im Laufe der Zeit wandelte sich die Bedeutung zum Negativen, weil die Gruppe Feinde von allen Seiten hatte: Sie wurden von den Juden, obwohl sie sich selbst als Juden betrachteten, aus ihrer Gemeinschaft ausgeschlossen, weil sie in Jesus den [[Messias]] sahen und weil sie Tieropfer ablehnten, sich gar zu Vegetariern entwickelten. Von den Heidenchristen wurden sie als Ketzer betrachtet, weil sie Paulusgegner<ref>[[Hermann Detering]]: ''Die Gegner des Paulus - Judaistenthese 2. Jahrhundert.'' 4. Juli, 2018 [http://radikalkritik.de/wp-content/uploads/2018/10/Pauusgegner_J2J.pdf]</ref> waren und Jesu Tod nicht als blutigen Sühnetod interpretierten. Sie feierten das Abendmahl als bloße Erinnerung an Jesus und ersetzten den „Blutkelch“ durch einen Wasserkelch. Von den Römern wurden die Ebioniten wie Juden und Christen als Gruppe potentieller Aufständischer eingestuft und entsprechend beargwöhnt. |
||
Die Ebioniten sind zu anderen jüdischen Anhängern der Jesusbewegung, etwa den Nazarenern, in Beziehung gesetzt worden. So versuchte [[Epiphanius von Salamis]], die als nicht-[[Häresie|häretisch]] betrachteten ''nasaraioi'' von den als häretisch betrachteten ''nazoraioi,'' oder Ebioniten, zu unterscheiden.<ref>[[Rainer Riesner]]: ''Nazarener.'' In [[Manfred Görg]], [[Bernhard Lang (Theologe, 1936)|Bernhard Lang]] (Hrsg.): ''Neues Bibel-Lexikon.'' Bd. 2, Benziger, Zürich 1995, Kol. 908–912.</ref> Bis ins 20. Jahrhundert wurden Ebioniten mit einer theosophischen Geheimlehre der [[Essener]] (um 100 n. Chr.) in Verbindung gebracht, während die Nazarener eine „milde“ Richtung der Ebioniten gewesen seien, die das Zeremonialgesetz nur für sich selbst verbindlich gesehen haben. Sie seien nach ihrer Auswanderung nach [[Pella (Jordanien)|Pella]] im Ostjordanland von der Kirche abgeschnitten worden, sodass ihnen die Gestaltung des biblischen [[Kanon (Bibel)|Kanons]] fremd geblieben sei.<ref name="herder" /> Diese These wurde von [[Georg Strecker]] 1958 widerlegt.<ref>Georg Strecker: ''Das Judenchristentum in den Pseudoklementinen'' (= ''Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur.'' Reihe 5, Band 15 = 70). Akademie-Verlag, Berlin 1958, {{DNB|454928475}}, S. 117 ff.</ref> |
Die Ebioniten sind zu anderen jüdischen Anhängern der Jesusbewegung, etwa den Nazarenern, in Beziehung gesetzt worden. So versuchte [[Epiphanius von Salamis]], die als nicht-[[Häresie|häretisch]] betrachteten ''nasaraioi'' von den als häretisch betrachteten ''nazoraioi,'' oder Ebioniten, zu unterscheiden.<ref>[[Rainer Riesner]]: ''Nazarener.'' In [[Manfred Görg]], [[Bernhard Lang (Theologe, 1936)|Bernhard Lang]] (Hrsg.): ''Neues Bibel-Lexikon.'' Bd. 2, Benziger, Zürich 1995, Kol. 908–912.</ref> Bis ins 20. Jahrhundert wurden Ebioniten mit einer theosophischen Geheimlehre der [[Essener]] (um 100 n. Chr.) in Verbindung gebracht, während die Nazarener eine „milde“ Richtung der Ebioniten gewesen seien, die das Zeremonialgesetz nur für sich selbst verbindlich gesehen haben. Sie seien nach ihrer Auswanderung nach [[Pella (Jordanien)|Pella]] im Ostjordanland von der Kirche abgeschnitten worden, sodass ihnen die Gestaltung des biblischen [[Kanon (Bibel)|Kanons]] fremd geblieben sei.<ref name="herder" /> Diese These wurde von [[Georg Strecker]] 1958 widerlegt.<ref>Georg Strecker: ''Das Judenchristentum in den Pseudoklementinen'' (= ''Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur.'' Reihe 5, Band 15 = 70). Akademie-Verlag, Berlin 1958, {{DNB|454928475}}, S. 117 ff.</ref> |
||
Zeile 14: | Zeile 14: | ||
== Ebionitische Positionen == |
== Ebionitische Positionen == |
||
Viel ist über die Positionen der Ebioniter nicht bekannt. Sie standen wohl in engerer Beziehung zu der Haltung und den Ansichten der [[Jerusalemer Urgemeinde]] und waren den [[Paulinische Theologie|paulinischen Vorstellungen]] gegenüber ablehnend.<ref>[[Gerd Lüdemann]]: ''Paulus, der Heidenapostel: Antipaulinismus im frühen Christentum.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1980, ISBN 978-3-5255-3801-2; S. 17 f.</ref> |
Viel ist über die Positionen der Ebioniter nicht bekannt. Sie standen wohl in engerer Beziehung zu der Haltung und den Ansichten der [[Jerusalemer Urgemeinde]] und waren den [[Paulinische Theologie|paulinischen Vorstellungen]] gegenüber ablehnend.<ref>[[Gerd Lüdemann]]: ''Paulus, der Heidenapostel: Antipaulinismus im frühen Christentum.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1980, ISBN 978-3-5255-3801-2; S. 17 f.</ref> Die antipaulinische Haltung wird in den Schriften einiger [[Kirchenvater|Kirchenvätern]] erwähnt, so u. a. bei [[Justin der Märtyrer]], [[Irenäus von Lyon]], [[Hippolyt von Rom]], [[Tertullian|Quintus Septimius Florens Tertullianus]], [[Origenes]]. |
||
Laut [[Irenäus von Lyon]], der das frühste Zeugnis über die Ebioniter gibt, akzeptierten die Ebioniter nur das Matthäusevangelium, und verurteilen insbesondere Paulus als [[Apostasie|Apostaten]]. Irenäus schreibt ihnen einen »judäischen Lebensstil« zu, weil sie der Tora – für Irenäus – streng folgten.<ref>{{Literatur |Autor=Irenäus von Lyon |Titel=Gegen die Häresien |Band=I |Datum=180 n. Chr. |Kapitel=26 |Fundstelle=2 |Online=https://www.newadvent.org/fathers/0103126.htm}}</ref> [[Epiphanios von Salamis]], der später als Irenäus schreibt, meint, ihr Matthäusevangelium sei unvollständig gewesen. Dieses unvollständige Matthäusevangelium wurde auch als »Hebräerevangelium« bezeichnet; heute ist es als »[[Ebionitenevangelium]]« bekannt, wenn auch nur durch Zitate des Epiphanios fragmentarisch erhalten. |
Laut [[Irenäus von Lyon]], der das frühste Zeugnis über die Ebioniter gibt, akzeptierten die Ebioniter nur das Matthäusevangelium, und verurteilen insbesondere Paulus als [[Apostasie|Apostaten]]. Irenäus schreibt ihnen einen »judäischen Lebensstil« zu, weil sie der Tora – für Irenäus – streng folgten.<ref>{{Literatur |Autor=Irenäus von Lyon |Titel=Gegen die Häresien |Band=I |Datum=180 n. Chr. |Kapitel=26 |Fundstelle=2 |Online=https://www.newadvent.org/fathers/0103126.htm}}</ref> [[Epiphanios von Salamis]], der später als Irenäus schreibt, meint, ihr Matthäusevangelium sei unvollständig gewesen. Dieses unvollständige Matthäusevangelium wurde auch als »Hebräerevangelium« bezeichnet; heute ist es als »[[Ebionitenevangelium]]« bekannt, wenn auch nur durch Zitate des Epiphanios fragmentarisch erhalten. |
||
Die Schrift des Irenäus von Lyon, in welcher nichts von der Unvollständigkeit des Matthäusevangeliums der Ebioniten steht, ist jedoch vorzuziehen, da sie älter ist und Epiphanios‘ Bericht auf dem des [[Eusebius von Caesarea|Eusebius]] beruht, der wahrscheinlich keinen direkten Kontakt zu den Ebionitern |
Die Schrift des Irenäus von Lyon, in welcher nichts von der Unvollständigkeit des Matthäusevangeliums der Ebioniten steht, ist jedoch vorzuziehen, da sie älter ist und Epiphanios‘ Bericht auf dem des [[Eusebius von Caesarea|Eusebius]] beruht, der wahrscheinlich keinen direkten Kontakt zu den Ebionitern hatte. |
||
Epiphanios schreibt von einer „verkürzten und verstümmelten Ausgabe“ des Matthäusevangeliums, das bei der „judenchristlichen Sekte der Ebionäer“ in Gebrauch sei.}}</ref> |
|||
Der populäre jüdische Schriftsteller [[Hyam Maccoby |
Der populäre jüdische Schriftsteller [[Hyam Maccoby]] behauptet darüber hinaus, dass für die Ebioniten [[Jesus von Nazareth]] bloß ein Mensch, geboren durch seine Eltern, war und folglich die [[Jungfrauengeburt]] von Ebionitern abgelehnt worden sei.<ref>{{Literatur |Autor=Hyam Maccoby |Titel=The Mythmaker: Paul and the Invention of Christianity |Verlag=Barnes & Noble Books |Ort=United States of America |Datum=1986 |ISBN=0-76070-787-1 |Seiten=176}}</ref> Gott ([[JHWH]]) verlieh ihm durch die ''[[Heiliger Geist#Judentum|Ruach HaQodesh]]'', ({{heS|רוח הקודש| ruach ha-kodesh}}, d. h. Heiliger Geist) prophetische Gaben. Er sei ein gesetzestreuer Jude gewesen, der gemäß der [[Halacha]], die 613 [[Mitzwa|Mizwot]] (Gebote) achtete.<ref>[[Hyam Maccoby]]: ''Der Mythenschmied. Paulus und die Erfindung des Christentums.'' Übers. und hrsg. von Fritz Erik Hoevels, Ahriman-Verlag, Freiburg 2007, ISBN 978-3-89484-605-3, S. 194–195; 200</ref> Die Darstellung Maccobis ist aber erkennbar tendenziös und seine polemische Agenda offenbar.<ref>{{Literatur |Autor=Rebecca Moore |Titel=The Mythmaker: Hyam Maccoby and the Invention of Christianity* |Hrsg=University of Pennsylvania Press |Band=52 |Nummer=3 |Datum=2017 |DOI=10.1353/ecu.2017.0041 |Seiten=384 |Online=https://academia.edu/resource/work/50946307}}</ref> |
||
Die Darstellung Maccobis ist aber erkennbar tendenziös und seine polemische Agenda offenbar.<ref>{{Literatur |Autor=Rebecca Moore |Titel=The Mythmaker: Hyam Maccoby and the Invention of Christianity* |Hrsg=University of Pennsylvania Press |Band=52 |Nummer=3 |Datum=2017 |DOI=10.1353/ecu.2017.0041 |Seiten=384 |Online=https://academia.edu/resource/work/50946307}}</ref> |
|||
== Literatur == |
== Literatur == |
||
Zeile 36: | Zeile 33: | ||
== Weblinks == |
== Weblinks == |
||
* [http://www.theologie-systematisch.de/christologie/4nizaea.htm Aktuelle Literatur zu den Ebioniten] |
* [http://www.theologie-systematisch.de/christologie/4nizaea.htm Aktuelle Literatur zu den Ebioniten] |
||
* [https://www.earlychristianwritings.com/gospelebionites.html Ebionitenevangelium] auf Englisch. |
|||
== Einzelnachweise == |
== Einzelnachweise == |
Version vom 16. Oktober 2023, 21:22 Uhr
Ebioniten (auch Ebionäer, hebräisch-aramäisch ebionim, die Armen) war eine Selbstbezeichnung von antiken Judenchristen, die eine von der Hauptströmung (der sich konstituierenden alten Kirche) getrennte Gruppe bildeten.
Entstehung und Geschichte
Die Ebioniten unterschieden sich von den sogenannten „Nazarenern“, die ebenso wie sie 66/67 n. Chr. von Jerusalem ins Ostjordanland ausgewandert waren.[1] Die Ebioniten waren zumeist in Transjordanien und Syrien verbreitet. Ob der Ursprung der Ebioniten in der Jerusalemer Urgemeinde liegt, bleibt unklar. Mit Ebionim wurden in der Thora die (JHWH-)treuen Israeliten bezeichnet, 1 Sam 2,8 EU, Hes 22,29 EU, Amos 5,12 EU. Ebionim stand für eine ehrenvolle Bezeichnung gottesfürchtiger Israeliten. Sie waren Anhänger des Judaismus, also jener Richtung der Judenchristen, die die Beschneidung und die Einhaltung der Zeremonialgesetze fordert.[2]
Es war Irenäus von Lyon, der als erster Autor um 180 n. Chr. eine eigene, von der alten Kirche getrennte ‚häretische‘ Gruppe der Ebionäer oder Ebioniten erwähnte (Adversus haereses I 26,2; III 11,7). Über die antihäretische Schrift Arzneikasten (panárion) des Epiphanius von Salamis sind bis heute Teile eines Textes überliefert, der als Ebionitenevangelium[3] oder Ebionäerevangelium bezeichnet wird, von Epiphanius allerdings fälschlicherweise Hebräerevangelium genannt wurde. Über die Ebionäer sagte Epiphanius, dass sie nur das Evangelium nach Matthäus benutzten.
Ursprünglich war „die Armen“ ein Ehrenname. Im Laufe der Zeit wandelte sich die Bedeutung zum Negativen, weil die Gruppe Feinde von allen Seiten hatte: Sie wurden von den Juden, obwohl sie sich selbst als Juden betrachteten, aus ihrer Gemeinschaft ausgeschlossen, weil sie in Jesus den Messias sahen und weil sie Tieropfer ablehnten, sich gar zu Vegetariern entwickelten. Von den Heidenchristen wurden sie als Ketzer betrachtet, weil sie Paulusgegner[4] waren und Jesu Tod nicht als blutigen Sühnetod interpretierten. Sie feierten das Abendmahl als bloße Erinnerung an Jesus und ersetzten den „Blutkelch“ durch einen Wasserkelch. Von den Römern wurden die Ebioniten wie Juden und Christen als Gruppe potentieller Aufständischer eingestuft und entsprechend beargwöhnt.
Die Ebioniten sind zu anderen jüdischen Anhängern der Jesusbewegung, etwa den Nazarenern, in Beziehung gesetzt worden. So versuchte Epiphanius von Salamis, die als nicht-häretisch betrachteten nasaraioi von den als häretisch betrachteten nazoraioi, oder Ebioniten, zu unterscheiden.[5] Bis ins 20. Jahrhundert wurden Ebioniten mit einer theosophischen Geheimlehre der Essener (um 100 n. Chr.) in Verbindung gebracht, während die Nazarener eine „milde“ Richtung der Ebioniten gewesen seien, die das Zeremonialgesetz nur für sich selbst verbindlich gesehen haben. Sie seien nach ihrer Auswanderung nach Pella im Ostjordanland von der Kirche abgeschnitten worden, sodass ihnen die Gestaltung des biblischen Kanons fremd geblieben sei.[2] Diese These wurde von Georg Strecker 1958 widerlegt.[6]
Der Ebionismus konnte sich bis ins 5. Jahrhundert halten.
Ebionitische Positionen
Viel ist über die Positionen der Ebioniter nicht bekannt. Sie standen wohl in engerer Beziehung zu der Haltung und den Ansichten der Jerusalemer Urgemeinde und waren den paulinischen Vorstellungen gegenüber ablehnend.[7] Die antipaulinische Haltung wird in den Schriften einiger Kirchenvätern erwähnt, so u. a. bei Justin der Märtyrer, Irenäus von Lyon, Hippolyt von Rom, Quintus Septimius Florens Tertullianus, Origenes.
Laut Irenäus von Lyon, der das frühste Zeugnis über die Ebioniter gibt, akzeptierten die Ebioniter nur das Matthäusevangelium, und verurteilen insbesondere Paulus als Apostaten. Irenäus schreibt ihnen einen »judäischen Lebensstil« zu, weil sie der Tora – für Irenäus – streng folgten.[8] Epiphanios von Salamis, der später als Irenäus schreibt, meint, ihr Matthäusevangelium sei unvollständig gewesen. Dieses unvollständige Matthäusevangelium wurde auch als »Hebräerevangelium« bezeichnet; heute ist es als »Ebionitenevangelium« bekannt, wenn auch nur durch Zitate des Epiphanios fragmentarisch erhalten.
Die Schrift des Irenäus von Lyon, in welcher nichts von der Unvollständigkeit des Matthäusevangeliums der Ebioniten steht, ist jedoch vorzuziehen, da sie älter ist und Epiphanios‘ Bericht auf dem des Eusebius beruht, der wahrscheinlich keinen direkten Kontakt zu den Ebionitern hatte.
Der populäre jüdische Schriftsteller Hyam Maccoby behauptet darüber hinaus, dass für die Ebioniten Jesus von Nazareth bloß ein Mensch, geboren durch seine Eltern, war und folglich die Jungfrauengeburt von Ebionitern abgelehnt worden sei.[9] Gott (JHWH) verlieh ihm durch die Ruach HaQodesh, (hebräisch רוח הקודש ruach ha-kodesh, d. h. Heiliger Geist) prophetische Gaben. Er sei ein gesetzestreuer Jude gewesen, der gemäß der Halacha, die 613 Mizwot (Gebote) achtete.[10] Die Darstellung Maccobis ist aber erkennbar tendenziös und seine polemische Agenda offenbar.[11]
Literatur
- Katharina Ceming, Jürgen Werlitz: Die verbotenen Evangelien: Apokryphe Schriften. Marix, Wiesbaden 2004, ISBN 3-937715-51-7, S. 109–113.
- Philipp Vielhauer: Geschichte der urchristlichen Literatur. Einleitung in das Neue Testament, die Apokryphen und die apostolischen Väter. de Gruyter, Berlin / New York 1978, ISBN 3-11-007763-9, S. 653 ff. Google-Booksearch
- G. Uhlhorn: Ebioniten. In: Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche (RE). 3. Auflage. Band 5, Hinrichs, Leipzig 1898, S. 125–128.
- Adolf Jülicher: Ebioniten. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band V,2, Stuttgart 1905, Sp. 1895 f.
- Hella Lemke: Judenchristentum – zwischen Ausgrenzung und Integration: zur Geschichte eines exegetischen Begriffes. Bd. 25 Hamburger theologische Studien, LIT Verlag, Münster 2001, ISBN 978-3-8258-5759-2, S. 220 f.
- Hans-Ulrich Rüegger: «Es war ein Mann mit Namen Jesus …» Philologische Überlegungen zur Komposition des Evangeliums der Ebionäer. Theologische Zeitschrift 1/62 (2006) 24-40 [4]
- Hans Joachim Schoeps: Theologie und Geschichte des Judenchristentums. Mohr, Tübingen 1949
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Werner Kleine: Fragmente, Zitate und Logien Judenchristliche Evangelien, das Thomasevangelium und ein jüdisches Antievangelium. 28. Januar 2011, www.pastoralservice.de, abgerufen am 14. April 2018 [1]
- ↑ a b Ebioniten in Herders Conversations-Lexikon, 1854
- ↑ Jörg Frey: Ebionitenevangelium. Andere Schreibweise: Ebionäerevangelium; Gospel of Ebionites (engl.). Erstellt: April 2013, ([2] auf www.bibelwissenschaft.de)
- ↑ Hermann Detering: Die Gegner des Paulus - Judaistenthese 2. Jahrhundert. 4. Juli, 2018 [3]
- ↑ Rainer Riesner: Nazarener. In Manfred Görg, Bernhard Lang (Hrsg.): Neues Bibel-Lexikon. Bd. 2, Benziger, Zürich 1995, Kol. 908–912.
- ↑ Georg Strecker: Das Judenchristentum in den Pseudoklementinen (= Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur. Reihe 5, Band 15 = 70). Akademie-Verlag, Berlin 1958, DNB 454928475, S. 117 ff.
- ↑ Gerd Lüdemann: Paulus, der Heidenapostel: Antipaulinismus im frühen Christentum. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1980, ISBN 978-3-5255-3801-2; S. 17 f.
- ↑ Irenäus von Lyon: Gegen die Häresien. Band I, 180 n. Chr., Kap. 26, 2 (newadvent.org).
- ↑ Hyam Maccoby: The Mythmaker: Paul and the Invention of Christianity. Barnes & Noble Books, United States of America 1986, ISBN 0-7607-0787-1, S. 176.
- ↑ Hyam Maccoby: Der Mythenschmied. Paulus und die Erfindung des Christentums. Übers. und hrsg. von Fritz Erik Hoevels, Ahriman-Verlag, Freiburg 2007, ISBN 978-3-89484-605-3, S. 194–195; 200
- ↑ Rebecca Moore: The Mythmaker: Hyam Maccoby and the Invention of Christianity*. Hrsg.: University of Pennsylvania Press. Band 52, Nr. 3, 2017, S. 384, doi:10.1353/ecu.2017.0041 (academia.edu).