Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Auf Zeugeneid gestützte Einrede bezüglich der Zulässigkeit eines Verfahrens
Band V,1 (1903) S. 324325
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Διαμαρτυρία ist eine auf Zeugeneid gestützte Einrede bezüglich der Zulässigkeit einer Klage. Das Verfahren war nach Harpokration folgendes: Bestritt der Verklagte in seiner Klagebeantwortung (s. Ἀντιγραφή) die Zulässigkeit der Klage, so hatte zunächst der Kläger das Recht, durch einen Zeugen die Nichtigkeit des gegen die Zulässigkeit eingewandten Grundes zu erhärten. Der Beklagte musste nun gegen den Zeugen des Klägers die δίκη ψευδομαρτυριῶν erheben. Unterliess er dies oder gab er die angestrengte Klage auf oder verlor er diesen Vorprocess, so war die Einrede erledigt und der Hauptprocess begann. Gewann der Beklagte dagegen den Vorprocess, so musste auch der Hauptprocess aufgegeben werden. Ein Beispiel für ersteren Fall ist Lys. XXIII 13. Stellte der Kläger dagegen keinen solchen Zeugen, so durfte der Beklagte nun seinerseits durch einen Zeugen seinen Grund gegen die Zulässigkeit bekräftigen, und der Kläger musste erst durch δίκη ψευδομαρτυριῶν dies Zeugnis beseitigen, ehe er den Hauptprocess verfolgen konnte. Beispiele Isokr. XVIII 11. 15. Isai. II 2. 17. VI 52. VII 3. [Demosth.] XLIV. Auch kam die δ. vor bei einer διαδικασία κλήρου im eigentlichen Sinne, wenn mehrere zugleich gerichtlichen Anspruch auf eine Erbschaft erhoben, Isai. III 3. 61. V 16. Die Titel der verlornen Reden über δ. sind bei Schoemann-Lipsius Att. Proz. 843 gesammelt. Den Unterschied von der παραγραφή (s. d.), der andern Art der Einrede, zeigt am besten Lys. XXIII 5. 10 vgl. 13, insofern bei der δ. der Einwand des Beklagten sofort vom Kläger durch Zeugeneid zurückgewiesen, bezw. vom Beklagten erhärtet wird, während bei παραγραφή die Frage der Zulässigkeit erst durch Process zu entscheiden war, der bei δ. nur mögliche, nicht notwendige Folge war. Übrigens findet sich in Erbschaftssachen nur δ. angewandt, und sie wurde von den Gegnern ([Demosth.] XLIV 57), wie von den Richtern (Isai. VII 3) als nicht besonders ehrliche Waffe missgünstig angesehen. Dass sie häufiger vom Beklagten gebraucht wurde, liegt in der Natur der [325] Sache, weil er eher in der Lage war, für die Thatsachen, auf die er die Einrede stützte, Zeugen zu stellen, als der Kläger für deren Nichtvorhandensein.

Die δ. war für den, der sie anwandte, nicht ohne Gefahr ([Demosth.] XLIV 59), indem er, sicher bei Erbstreitigkeiten (Isai. VI 12), vielleicht auch sonst, die παρακαταβολή (s. d., gleich dem zehnten Teil der Schätzung) erlegen musste, die dem Gegner zufiel, wenn er das Zeugnis als falsch erwies. Dieser dagegen verfiel, wenn er nicht den fünften Teil der Stimmen erhielt, der Strafe der ἐπωβελία (s. d.), d. i. er musste den sechsten Teil der Schätzung an den belangten Zeugen zahlen, Isokr. XVIII 11. Anzubringen war die δ. schriftlich vor der Antomosie, Isai. V 16. VI 62. Ein Beispiel [Demosth.] XLIV 46. Die Zeugen erscheinen übrigens mitunter an dem Hauptprocess sehr stark beteiligt, Isai. III 2. 15. VI 10. 58. [Demosth.] XLIV 46. 54. Dass ferner das Verbum διαμαρτυρεῖν sowohl vom Zeugen als von dem, der ihn stellt, gesagt wird, bemerkte schon Harpokration. Das Medium steht [Demosth.] XLIV 49, persönliches Passiv Lys. XXIII 13. Isai. ΙΙI 5. Nicht zu verwechseln ist es mit διαμαρτύρεσθαι, zum Zeugen anrufen. Vgl. Schoemann-Lipsius Att. Proz. 841f.