Die Reise
Einst machte durch sein ganzes Land,
Ein König den Befehl bekannt,
Daß jeder, der ein Amt erhalten wollte,
Gewisse Zeit auf Reisen gehen sollte,
Er ließ genaue Karten stechen,
Und gab dazu noch jedem das Versprechen,
Ihm, würd er nur, soweit er könnte, gehn,
Mit dem Vermögen seiner Schätze
Es war das deutlichste Gesetze,
Das jemals noch die Welt gesehn;
Doch weil die meisten sich vor dieser Reise scheuten:
So sah man viele Dunkelheit.
Half das Gesetz sehr sinnreich deuten;
Und jeder gab ihm den Verstand,
Den er bequem für seine Neigung fand;
Doch alle waren eins, daß man gehorchen müßte.
Damit man doch der Länder Gegend wüßte.
Sehr viele reisten nur im Geist,
Und überredten sich, als hätten sie gereist.
Noch andre schafften das Geräthe
Und glaubten, wenn man nur stets reisefertig thäte:
So hätte man die Reise schon gethan.
Als wollten sie die ganze Welt durchgehn;
Und meynten, dem Befehl sey nun genug geschehn.
Noch andre suchten auf den Reisen
Noch mehr Gehorsam zu beweisen,
Als den, den das Gesetz befahl;
O nein! sie suchten finstre Wälder,
Und reisten unter Furcht und Qvaal;[1]
Behängten sich mit schweren Bürden,
Und glaubten, wenn sie ausgezehrt,
So wären sie des besten Amtes werth;
Sie reisten nie auf Kosten des Regenten;
Doch jene, die zur Zeit noch keinen Schritt gethan,
Die hielten Tag für Tag um Reisekosten an,
Wie elend, hör ich manchen klagen,
Ist nicht dieß Mährchen ausgedacht!
Schämt sich der Dichter nicht, uns Dinge vorzusagen,
Die man kaum Kindern glaublich macht?
Als uns der Dichter vorgestellt?
Dieß sind unsinnige Geschöpfe,
Und nicht Bewohner unsrer Welt.
O Freund! was zankst du mit dem Dichter?
Betrachte sie, und dann sey Richter,
Ob dieses Bild unglaublich heissen kann?
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Qvaal = Qual