ADB:Philipp I. (Herzog von Pommern-Wolgast)

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Philipp I., Herzog von Pommern-Wolgast“ von Gottfried von Bülow in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 31–34, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Philipp_I._(Herzog_von_Pommern-Wolgast)&oldid=- (Version vom 11. Dezember 2024, 19:30 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 26 (1888), S. 31–34 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Philipp I. (Pommern) in der Wikipedia
Philipp I. in Wikidata
GND-Nummer 102324212
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|26|31|34|Philipp I., Herzog von Pommern-Wolgast|Gottfried von Bülow|ADB:Philipp I. (Herzog von Pommern-Wolgast)}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=102324212}}    

Philipp I., Herzog von Pommern-Wolgast, geb. am 14. Juli 1515 als einziger Sohn des Herzogs Georg I. aus dessen erster Ehe mit Amalie von der Pfalz. Der am 6. Januar 1525 mutterlos gewordene Knabe erhielt am großelterlichen Hofe zu Heidelberg seine Erziehung, der dem talentvollen Prinzen einen geeigneteren Schauplatz zur geistigen Entwickelung bot, als die enge pommersche Heimath. Er wurde auch schon in jungen Jahren zum selbständigen Handeln genöthigt, denn bereits am 9./10. Mai 1531 starb auch sein Vater und der 16jährige Jüngling wurde als Landesherr durch eine stattliche Gesandtschaft nach dem Norden abgeholt. Um Michaelis 1531 hielt er seinen Einzug in Stettin. Leicht war die ihm bevorstehende Aufgabe nicht, trotz der Unterstützung, welche pfälzische Räthe den ersten Handlungen des jungen Fürsten gewährten. Eine Spannung, die schon zwischen seinem Vater und dessen Bruder, Herzog Barnim XI. (s. A. D. B. II, 79) geherrscht hatte, drohte sich fortsetzen zu wollen, da der Oheim dem jungen Neffen gegenüber nicht die nöthige Rücksicht geübt zu haben scheint. P. drang daher alsbald auf Herausgabe des ganzen väterlichen Erbes, während die Landesregierung bis zur Beendigung der Erbtheilungsgeschäfte in Barnim’s Händen bleiben mußte. Die Hofhaltung waren die Fürsten genöthigt, bis auf Weiteres von Stettin nach Wolgast zu verlegen (April 1532), da das aufrührerische Treiben des Bürgermeisters Hans Stoppelberg gegen seinen Collegen Hans Loytz (s. A. D. B. XIX, 320) Stettin zum Schauplatz ärgster bürgerlicher Unruhen gemacht hatte. In Wolgast wurde denn auch nach 54jähriger Zusammengehörigkeit am 21. October 1532 die Landestheilung Pommerns, zunächst auf 8 Jahre, ausgesprochen. Die Swine, der Höhenzug bei Stettin und die Randow sollten die Grenzscheide bilden. Die Erträge der Hauptzollstätten und des Haffs blieben gemeinsam, ebenso die Oberherrlichkeit über das Bisthum Camin und die geistlichen Stifter, während die Rechte über die Universität Greifswald mit gewisser Beschränkung dem Wolgaster Theil zufielen. Wie bei allen früheren pommerschen Landestheilungen wurde auch diesmal der Grundsatz der Staatseinheit aufrecht gehalten. Bei der am gleichen Tage stattgehabten Verloosung fiel der „Ort Wolgast“ P. zu, der im Schloßthurm seiner nunmehrigen Residenz der insularen Lage wegen auch das gemeinsame Archiv in Verwahrung bekam. Dem jungen Fürsten standen in Jost v. Dewitz (s. A. D. B. V, 106), Rüdiger v. Massow und dem Kanzler Nicolaus Brunn tüchtige Räthe zur Seite, auch der pommersche Chronist Thomas Kantzow (s. A. D. B. XV, 97) blieb in seinen Diensten. Zunächst galt es, das zerrüttete Gerichtswesen zu ordnen, das Leibgeding der im Lande wenig beliebten Wittwe Herzogs Georg, Margaretha von Brandenburg, Philipp’s Stiefmutter, bei ihrer Wiedervermählung mit dem Fürsten Johann II. von Anhalt (1534) mit 70 000 Gulden einzulösen und die vom Vater übernommenen Schulden durch Einschränkung des Hofhalts zu mindern. Auf politischem und kirchlichem Gebiet herrschte bei Philipp’s Regierungsantritt arge Verwirrung. Es war die Zeit des Niederganges des mittelalterlichen Städtethums gegenüber der jugendlich aufstrebenden Staatsidee. Jürgen Wullenwebers kühner Plan, die Hansa wieder zur Gebieterin des Nordens zu machen, hatte in Stralsund den Beifall des großen Haufens gefunden, der nach Theilnahme an der Herrschaft ringend, eine Zeitlang die Oberhand gewann und das Regiment der Achtundvierzig eingesetzt hatte. Mit Wullenweber’s Sturz aber wurde auch hier und ebenfalls nicht ohne Blutvergießen der alte Zustand wieder [32] hergestellt. Nicht minder bildete die kirchliche Reform einen die ruhige Entwickelung des Landes schwer bedrohenden Gährungsstoff. Der Oheim Herzog Barnim hatte von Anfang an Sympathieen für die evangelische Partei gehabt, ganz abgesehen von den Erleichterungen, die seine beständige Geldverlegenheit aus den eingezogenen geistlichen Gütern erfuhr. Die Nothwendigkeit einer gesetzlichen Regelung der Verhältnisse wurde immer dringender, und auch P. durfte ohne Gefährdung des landesherrlichen Ansehens nicht zögern, sich zu entscheiden. Um die Sache der Kirchenverbesserung ernstlich in die Hand zu nehmen, beriefen daher beide Herzoge zum December 1534 einen gemeinsamen Landtag beider „Orte“ nach Treptow an der Rega und luden Johann Bugenhagen als den bedeutendsten Träger der Reformation in Niederdeutschland zur Theilnahme ein, der durch sein organisatorisches Talent und durch seine Bekanntschaft mit den kirchlichen Zuständen seiner Heimath dazu besonders geeignet erschien. Von Stettin kam Paul von Roda, von Stralsund Johann Knipstro (s. A. D. B. XVI, 298), Franz Wessel u. A. Schon seit einem Jahrzehnt hatten die reformatorischen Ideen in der pommerschen Bevölkerung Fuß gefaßt: 1524 war in Stralsund das Evangelium durch Ketelhot (s A. D. B. XV, 666), in Stettin durch Paul von Roda gepredigt worden; am ersteren Orte wurde nach bilderstürmerischen Scenen der letzte Rest des Katholicismus weggeräumt; in Stettin kam es ebenfalls zu Unruhen, die für einige Jahre auch hier die Einführung der Achtundvierzig neben dem Rath zur Folge hatten, und in Stargard mußte selbst Bischof Erasmus von Camin arge persönliche Beschimpfung hinnehmen. Als auch in Pasewalk die Einführung der neuen Lehre zu Aufruhr führte, infolge dessen der Rath verjagt wurde, ließ sich Herzog P. nur durch die dringendsten Vorstellungen Bugenhagens abhalten, die Anstifter am Leben zu strafen. Trotz alledem fand der von Letzterem und den herzoglichen Räthen ausgearbeitete Entwurf zur Neuorganisation des Kirchenwesens auf dem Landtage zu Treptow von allen Seiten heftigsten Widerspruch. Die Predigt der reinen Lehre sollte zwar allgemein eingeführt, überhaupt im Gottesdienst und in der Kirchenzucht Manches gebessert werden, nach der weltlichen Seite aber erstrebte die landesherrliche Gewalt einen viel größeren Einfluß, als sie unter der alten Kirche je gehabt hatte. Der Bischof von Camin versagte daher seine Zustimmung durchaus, ebenso der Adel, der Ansprüche auf die eingezogenen Klostergüter erhob und in seinem Widerstand durch den Abt von Neuencamp gestärkt wurde, der ein kaiserliches Strafmandat gegen die Treptower Abmachungen erwirkte. Kam es infolge dessen auch nicht zu einem regelrechten Landtagsabschied, so muß die gesetzmäßige Einführung der Reformation in Pommern doch von dieser Versammlung datirt werden. Unmittelbar darnach begannen beide Herzoge die Arbeit der Kirchenvisitation, welche Bugenhagen nach dem Muster der sächsischen Visitation von 1528 leitete und trotz des Widerstandes einiger Städte auch durchführte; nur Stralsund bewahrte sich, indem es dem Hamburger Convent von 1538 beitrat, ein eigenes Kirchenregiment. Für Pommern-Wolgast wurde Johann Knipstro, für Pommern-Stettin Paul von Roda zum Superintendenten bestellt. 1539 wurde auch mit der Organisation der Universität Greifswald im evangelischen Sinne begonnen, die Durchführung der Arbeit nahm indeß noch manche Jahre in Anspruch. Nächst der Ausarbeitung neuer Statuten und der Gewährung vermehrter Geldmittel ließ sich P. die Berufung namhafter evangelischer Gelehrter für diesen Mittelpunkt geistigen Lebens und Strebens in Pommern angelegen sein. Unter den gewonnenen Professoren befand sich auch der vor den Verfolgungen Franz I. von Frankreich aus Orleans entflohene Andreas Magerius, Erzieher der Söhne Philipp’s. 1541 wurde die bei Philipp’s Regierungsantritt vorläufig angenommene Landestheilung zur endgültigen, nur die [33] Besetzung des bischöflichen Stuhles zu Cammin sollte beiden Fürsten gemeinsam bleiben. Die reichsständischen Gelüste des alten Bischof Erasmus wurden durch dessen Tod (27. Januar 1544) beseitigt, und nachdem Bugenhagen abgelehnt hatte, Bartholomäus Swave, Herzog Barnim’s bisheriger Kanzler, zum ersten evangelischen und verheiratheten Bischof von Cammin gewählt. – Dem schmalkaldischen Bunde waren beide Herzoge bereits im April 1536 zu Frankfurt a. M. beigetreten, von einem entschiedenen Auftreten wurden sie indeß durch den Wunsch abgehalten, es mit Keinem zu verderben. Diese Halbheit mußte sich rächen und eine Zeitlang befürchtete man in Pommern das Schlimmste von gegnerischer Seite. P. suchte in Greifswald Schutz und manche Städte verstärkten ihre Wälle und Mauern. Es gelang jedoch, den erzürnten Kaiser durch Zahlung einer erheblichen Geldbuße zu besänftigen. – Die durch den Widerstand namentlich der pommerschen Geistlichen gegen das Interim dem Lande drohende Gefahr wurde zum Theil dadurch abgewandt, daß Bischof Bartholomäus, die Unhaltbarkeit seiner Stellung dem Kaiser gegenüber erkennend, freiwillig abdankte (1549). Sein Nachfolger Martin von Weyher (s. A. D. B. XX, 476) hatte stark katholisirende Neigungen und holte sich nicht nur seine Bestätigung vom römischen Stuhl, sondern suchte auch in schlauer Benützung der Zeitumstände früher angestrebte Rechte des Bisthums Cammin auf Reichsunmittelbarkeit wieder geltend zu machen, so daß sein Tod (1556) als ein Glück für das Land anzusehen ist, der Pommern vor neuer religiöser und politischer Zersplitterung bewahrte. Die Herzoge aber verknüpften die Interessen des Landesbischofs und die ihrigen für die Zukunft dadurch unlöslich, daß sie übereinkamen, nur der Wahl eines Prinzen ihres Hauses als Bischof ihre Zustimmung zu geben. Philipp’s ältester Sohn Johann Friedrich wurde bereits wenige Wochen nach Martin’s Tode zum Bischof gewählt (s. A. D. B. XIV, 317). Nachdem die von außen drohenden Gefahren geschwunden waren, konnte sich P. mit mehr Ruhe der weiteren Ordnung der inneren Zustände widmen. Die nach dem Treptower Landtage verfaßte Kirchenordnung ließ er revidiren und suchte auf einer Synode in Greifswald die unter den Geistlichen seines Herzogthums entstandenen Zwistigkeiten zu schlichten. Seit er für seinen Landestheil ein eigenes Hofgericht in Wolgast errichtet hatte, gab er sich mit Eifer der Rechtspflege hin und nahm persönlich an den Gerichtssitzungen Theil. Um Handel und Verkehr zu heben, sandte er seinen Kanzler Val. von Eickstedt nach Polen, damit der Reichstag zu Warschau 1556 Erleichterungen für die Schiffahrt auf der Warthe beschließen möchte. Ueberhaupt gebührt P. das Lob, in politisch und kirchlich sehr bewegter Zeit seinen Platz mit Festigkeit behauptet zu haben zum Unterschied von dem die Mühsal der Regierung scheuenden Oheim Barnim. Im persönlichen Verkehr war er leutselig und umgänglich, der Jagd und dem mühseligen Vergnügen der Winterfischerei auf dem Eise huldigend, aber auch nicht frei von der dem Greifenstamme anhangenden Trunkliebe. Seine Kinder zur Standhaftigkeit im evangelischen Glauben und zur Einigkeit unter einander ermahnend, starb P. erst 45 Jahr alt am 14. Februar 1560 in Wolgast. Seit dem 27. Februar 1536 war er vermählt gewesen mit Marie, Tochter des Kurfürsten Johann von Sachsen, zu welcher Verbindung die politische Lage Veranlassung gegeben hatte. Die Trauung wurde in Torgau durch Luther vollzogen. Die Wittwe überlebte ihren Gemahl um 23 Jahre, sie starb am 7. Januar 1583. Der Ehe entsproßten fünf Söhne: Johann Friedrich (s. A. D. B. XIV, 317), Bogislav XIII. (s. A. D. B. III, 55), Ernst Ludwig, Barnim und Casimir, und drei Töchter: Amelie, welche unvermählt starb, Margaretha, Gemahlin Herzogs Franz von Sachsen-Lauenburg, und Anna, Gemahlin Herzogs Ulrich von Mecklenburg-Schwerin.

[34] Barthold, Gesch. von Rügen und Pommern, Band V. – O. Fock, Rüg.-Pomm. Geschichten, Band V. – Urkunden des Staatsarchivs zu Stettin.