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== Emergenz, Materialismus und Dualismus ==
 
Es wäresei falsch, den [[Materialismus]] mit dem generellen Reduktionismus gleichzusetzen und den [[Dualismus]] mit dem Antireduktionismus. Zwar ist der Dualismus sicherlich auf einen Antireduktionismus festgelegt – eine [[immateriell]]e Entität kann nicht auf eine materielle reduziert werden –, doch viele Philosophen versuchen einen nichtreduktiven Materialismus zu formulieren. Die Popularität von Positionen, die einen Antireduktionismus mit einem Materialismus kombinieren wollen, hat in den letzten Jahrzehnten durch die unten beschriebenen antireduktionistischen Argumente enorm zugenommen. Zudem gibt es philosophische Positionen, die sich jenseits der Alternative Materialismus - Dualismus positionieren wollen. Beispiele sind der [[Neutraler Monismus|neutrale Monismus]] und der Begriffspluralismus, etwa der [[Nelson Goodman]]s.
 
Ein Begriff, der in den Debatten um einen nichtreduktiven Materialismus eine zunehmende Aufmerksamkeit erreicht hat, ist „[[Emergenz]]“. Dabei gilt es jedoch zu beachten, dass dieser Begriff in den heutigen Debatten mit zwei verschiedenen Bedeutungen gebraucht wird. In einem schwachen Sinne ist eine Eigenschaft genau dann emergent, wenn sie aus einer [[komplex]]en Konfiguration entstanden ist. In diesem Sinne ist etwa die Eigenschaft eines [[Roboter]]s emergent, komplizierte visuelle [[Muster]] wiedererkennen zu können. Für die Reduktionismusdebatte ist dieser Emergenzbegriff uninteressant, weil nichts gegen die prinzipielle Reduzierbarkeit der schwach emergenten Eigenschaft spricht.
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=== Wissenschaftsgeschichte ===
 
Der Reduktionismus ist meistens dadurch motiviert, dass sich Personen beeindruckt vom Erklärungserfolg der modernen Naturwissenschaften zeigen. Man kann unter Verweis auf diesen Erklärungserfolg ein [[Induktion (Denken)|induktives]] Argument für den Reduktionismus formulieren: Da sich bei so vielen Theorien gezeigt habe, dass eine Reduktion prinzipiell möglich wäresei, sollte man davon ausgehen, dass auch in den bislang unerklärten Bereichen Reduktionen möglich sind. Aus einer reduktionistischen Perspektive kann man zudem darauf verweisen, dass die [[Wissenschaftsgeschichte]] gezeigt habe, dass Theoriebereiche, die sich der Reduktion grundsätzlich entzogen haben, schließlich ganz abgeschafft wurden. Klassische Beispiele sind der [[Hexe]]nglaube oder die [[Astrologie]].
 
Gegen eine Begründung des Reduktionismus aus der Wissenschaftsgeschichte kann verschiedenes eingewandt werden. Zum einenEinen ist es möglich, daran zu zweifeln, dass wirklich für viele Theorien gezeigt worden ist, dass eine Reduktion möglich ist. Durchgeführt worden sind Reduktionen nämlich bislang immer nur für sehr begrenzte Bereiche. Zudem kann man daran zweifeln, dass die Induktion überzeugend ist: Wenn sich eine Theorie A reduzieren lasse, so müsse dies eben noch lange nicht heißen, dass sich auch B reduzieren lasse. Schließlich sind Theorien über verschiedene Phänomenbereiche oft auch sehr verschieden aufgebaut, so dass das Induktionsargument letztlich wie ein sehr ungewisser Analogieschluss wirkt.
 
=== Kausalität ===
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In der Wissenschaftstheorie beziehen sich daher die meisten Argumente für den Reduktionismus nicht auf die Wissenschaftsgeschichte, sondern auf Überlegungen zur Kausalität. Die klassische Argumentation verweist darauf, dass es für ein [[Ereignis]] [[Ursache]]n auf verschiedenen Ebenen gibt. Ein Beispiel: Wenn eine Person eine Kopfschmerztablette einnimmt, so kann man für dieses Ereignis verschiedene Ursachen angeben, etwa: 1) die Empfindung von Kopfschmerzen – das wäre eine mentale Erklärung, 2) biologische Prozesse, die bestimmte Muskelkontraktionen auslösten oder 3) mikrophysikalische Prozesse, die andere mikrophysikalische Prozesse verursachen, die das Tablettenschlucken realisieren.
 
Nun argumentieren Reduktionisten, dass diese Vielfalt an Ursachen problematisch wäresei: Es sei höchst unplausibel, dass das Schlucken der Tablette gleich drei voneinander unabhängige Ursachen hathabe. Schließlich gibt es bei jeder Handlung eine solche Vielfalt von Ursachen und es wäre ein Wunder, wenn all diese Handlungen ständig mehrere voneinander unabhängige Ursachen hätten. Viel plausibler sei es, dass wir es hier letztlich mit einer Ursache zu tun haben: Die Kopfschmerzen ''seien'' letztlich nichts anderes, als ein biologischer Prozess und der biologische Prozess wiederum nichts anderes als ein mikrophysikalischer Prozess. Wenn man nun aber diese Lösung des Problems der mehrfachen Ursachen akzeptiert, so müsse man hier auch den Reduktionismus akzeptieren, da die Kopfschmerzen ja letztlich mit einem mikrophysikalischen Prozess identifiziert werden.
 
=== Supervenienz ===
Zeile 56:
A superveniert über B, wenn sich A nicht ändern kann, ohne, dass sich B ändert. Supervenienzbeziehungen lassen sich anhand von einfachen Beispielen erörtern: Die Tatsache, dass eine Person Haare auf dem Kopf hat, kann sich nicht ändern, ohne dass sich gleichzeitig etwas auf der mikrophysikalischen Ebene ändert. Daher superveniert diese Tatsache über der Mikrophysik - aber nicht umgekehrt. Nun stimmen Reduktionisten mit einigen Antireduktionisten darin überein, dass alles über der Mikrophysik superveniert: Politische, biologische oder psychologische Fakten können sich nicht ändern, ohne dass sich gleichzeitig mikrophysikalische Fakten verändern.
 
Nun wird argumentiert, dass sich diese Supervenienzbeziehungen nur im Rahmen einer reduktionistischen Theorie verständlich machen lasse. Ohne den Reduktionismus wäresei es vollkommen rätselhaft, dass alles über den mikrophysikalischen Fakten superveniert. Erkennt man jedoch den Reduktionismus an, gebe es eine ganz einfache Erklärung dafür, dass A über B superveniert: A ist ''nichts anderes als'' B.
 
== Argumente gegen den Reduktionismus ==
Zeile 67:
Der Aufsatz ''Special Sciences – The Disunity of Science as a Working Hypothesis'' des Kognitionswissenschaftlers und Philosophen [[Jerry Fodor]] aus dem Jahre 1974 gehört zu den wohl einflussreichsten reduktionismuskritischen Texten. Nach Fodor's These lassen sich Einzelwissenschaften wie die [[Psychologie]] oder [[Ökonomie]] prinzipiell nicht auf die Mikrophysik reduzieren, da die [[Naturgesetz|Gesetze]] und Eigenschaften, die von den Einzelwissenschaften beschrieben werden, sich nicht durch die Gesetze und Eigenschaften der Physik wiedergeben lassen.
 
Fodor argumentiert, dass etwa ganz verschiedene Objekte die Eigenschaft haben, ein Zahlungsmittel zu sein - Gold, Dollars, Muscheln etc. Auch wenn diese Objekte also eine ökonomische Eigenschaft gemeinsam haben, die sie von allen anderen Objekten unterscheidet, istsei es doch unwahrscheinlich, dass Gold, Dollar und Muscheln eine physikalische Eigenschaft haben, die sie von allen anderen Objekten abgrenzt. Doch dies heißt, dass diese ökonomische Eigenschaft eben nicht auf eine physikalische Eigenschaft zu reduzieren ist. In der [[Philosophie]] spricht man auch von einer [[Multiple Realisierung|multiplen Realisierung]] der Eigenschaft.
 
Fodor argumentiert zudem, dass die Einzelwissenschaften Gesetze beschreiben, die sich nicht auf physikalische Gesetze zurückführen lassen. Fodors Beispiel ist „Greshams Gesetz“: ''Existieren gleichzeitig zwei Währungen, von denen die eine wertvoller ist als die andere, so wird die wertvollere Währung aus dem Zahlungsverkehr gedrängt und gespart.'' Da Währungen nun multipel realisiert sind, scheint es plausibel, dass – je nach Realisierung – auf der mikrophysikalischen Ebene ganz verschiedene Gesetze involviert sind. Dies bedeutet aber, dass sich auch einzelwissenschaftliche Gesetze nicht reduzieren lassen und somit die Einzelwissenschaften irreduzibel sind.
Zeile 85:
III. [[Ästhetik|Ästhetische Eigenschaften]]: Bei ästhetischen und moralischen Eigenschaften ist die Argumentationslage ähnlich. Die naturwissenschaftliche Beschreibung kennt kein ästhetisches Vokabular, weswegen eine Reduktion auch hier unplausibel erscheint.
 
Insbesondere die These, dass das Bewusstsein nicht reduktiv erklärbar istsei, führt oft zu einer generellen Ablehnung des Materialismus. Dabei sind die konkreten Ausformulierungen der antimaterialistischen Positionen vielfältig. Zum einen werden klassische [[Dualismus|Substanzdualismen]] vertreten. Zum anderen gibt es aber auch verschiedene antimaterialistische Positionen, die sich ebenfalls vom Substanzdualismus abgrenzen. Dazu gehören verschiedene Formen des [[Pluralismus (Philosophie)|Pluralismus]], [[Neutraler Monismus|neutralen Monismus]], Aspekt bzw. [[Eigenschaftsdualismus]] und [[Relativismus]].
 
=== Pluralistische Kritik ===
 
Während die beiden vorherigen Einwände einzelne Phänomene beschrieben haben, die irreduzibel sein sollen, ist die pluralistische Kritik generell ausgerichtet. Ein Pluralist erklärt, dass Menschen ganz verschiedene Zugänge zur Welt haben und es gar keinen Grund dafür gibt, anzunehmen, dass sich diese Zugänge alle aufeinander reduzieren lassen. Auch Pluralisten geben zu, dass es Reduktionen gibt, doch sie argumentieren, dass der Reduktionismus auf einer einseitigen Bevorzugung bzw. Verabsolutierung der physikalischen Beschreibung der Welt beruhtberuhe. Innerhalb des [[Pluralismus (Philosophie)|Pluralismus]] lassen sich zwei Strömungen unterscheiden. Zum einen gibt es eine [[Antirealismus|antirealistisch]] ausgerichtete Strömung, die erklärt, dass es aussichtslos sei, hinter den verschiedenen Beschreibungen der Welt noch ein beschreibungsunabhängiges „So-Sein“ der Welt zu suchen. Als ihr wichtigster Vertreter kann [[Nelson Goodman]] angesehen werden. Zum anderen gibt es aber auch [[Realismus (Philosophie)|realistische]] Pluralisten, wie [[John Dupré]], die mit ihrer Position eine pluralistische [[Ontologie]] verbinden.
 
== Reduktionismusdebatten in der Öffentlichkeit ==