Laistrygonen

märchenhaftes Volk von Riesen und Kannibalen in der griechischen Mythologie
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Die Laistrygonen (altgriechisch Λαιστρυγόνες Laistrygónes, lateinisch Laestrygones) werden bei Homer,[1] Ovid,[2] Hyginus[3] und Apollodor[4] erwähnt. Sie sind ein märchenhaftes Volk von Riesen und Kannibalen, das nur Viehzucht, aber keinen Ackerbau betreibt und als äußerst unzivilisiert beschrieben wird. Stammvater der Laistrygonen ist Laistrygon, ein Sohn des Poseidon und der Gaia.

Die Zerstörung der Schiffe des Odysseus, moderne Darstellung von 1902

Odysseus erreicht das Land am siebten Tag nach dem Besuch der Insel des Aiolos und vor dem Besuch bei Kirke auf der Insel Aiaia. Er verliert hier einen Großteil seiner Mannschaft und seiner Schiffe, da er von den Laistrygonen angegriffen wird.

Als ein König der Laistrygonen wird der Poseidon-Sohn Lamos genannt. Auch sein Nachfahre Antiphates wird als König angegeben, dessen Tochter die drei Kundschafter des Odysseus an der Quelle Artakie treffen. Antiphates lässt sich einen Kundschafter Odysseus’ als „Schmaus“ auftischen, den anderen beiden gelingt die Flucht.

Odysseus kann mit einem kleinen Teil seiner Gefährten auf seinem Schiff entkommen, da er es als einziges nicht in den Hafen fahren ließ; seine übrigen Männer werden von den Laistrygonen verschlungen.

Die Hauptstadt der Laistrygonen heißt Telepylos (fernes Tor), wohl benannt nach dem Hafen mit einer engen Einfahrt. Von einigen Autoren wurde vorgeschlagen, dass Telepylos „fernes Pylos“ bedeutet, im Kontrast zum (nahe gelegenen) Pylos auf der Peloponnes.[5]

Die Lage des Landes der Laistrygonen ist ungewiss. Homer erwähnt, dass dort die Bahnen von Tag und Nacht nahe seien, weshalb ein Hirte, der nicht schläft, doppelten Lohn – als Schafhirt und als Rinderhirt – verdienen könne.[6]

Die späteren Griechen suchten den Wohnsitz der Laistrygonen auf Sizilien,[7] speziell unterhalb des Ätna in den Gefilden der Stadt Leontinoi,[8] die römischen Autoren an der südlichsten Küste von Latium im Gebiet von Formiae.[9] Auch ein Ort in der Nähe von Kyzikos am Marmarameer wird erwogen, da die Argonautensage dort ebenfalls eine Quelle namens Artakie erwähnt und die dort lebenden Gegeneis gewisse Parallelen zu den Laistrygonen offenbaren.[10] Andere haben Mezapos bei Stavri im Peloponnes in Griechenland als Lage identifiziert. Unter sorgfältiger Abwägung der o. a. Orte (Leontinoi/Formiae) kommt Ernle Bradford zu dem Ergebnis, dass es sich um (den Hafen von) Bonifacio handele.[11] Armin Wolf dagegen lokalisiert die Laistrygonen in Westsizilien, am Golf nördlich von Marsala.[12]

Literatur

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Commons: Laistrygonen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

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  1. Homer, Odyssee 10,80–132
  2. Ovid, Metamorphosen 14,233–242
  3. Hyginus, Fabulae 125
  4. Bibliotheke des Apollodor Epitome 7,12
  5. Albert Gruhn: Der Schauplatz der Ilias und Odyssee, Bände 9-11. 1910, S. 34. Ähnlich auch Armin Wolf: Homers Reise. Auf den Spuren des Odysseus. Böhlau-Verlag, Köln 2009, ISBN 978-3412204075, S. 51, der auf ausgeprägte geografische Ähnlichkeiten zwischen dem messenischen Pylos an der Bucht von Navarino (das er mit dem homerischen Pylos gleichsetzt) mit der Bucht von Marsala verweist, wo er Telepylos vermutet (ebenda, S. 44ff.).
  6. Homer, Odyssee 10,83–86
  7. Thukydides 6,2; Theopompos bei Polybios 8,9,13
  8. Strabo 1,2,9; Eustathios, Kommentar zu Homer, Odyssee 10, 81 1649,10; Scholion zu Lykophron, Alexandra 662
  9. Cicero, Epistulae ad Atticum 2,13,2; Plinius der Ältere, Naturalis historia 3,59
  10. vgl. hierzu Uvo Hölscher: Die Odyssee. Epos zwischen Märchen und Roman. C.H. Beck, München 2000, S. 171–173.
  11. Ernle Bradford: Reisen mit Homer. Die Wiedergefundenen Inseln, Küsten und Meere der Odyssee. dtv, München 1967.
  12. Armin Wolf: Homers Reise. Auf den Spuren des Odysseus. Böhlau-Verlag, Köln 2009, ISBN 978-3412204075, S. 44 ff.