Hans Gygax

Schweizer Literat, Privatgelehrter und Kunsthandwerker
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Hans Theodor Gualtiereo Gygax, auch Gaxi genannt (* 23. Oktober 1906 bei Ferrara; † 11. März 2004 in Basel), war ein Schweizer Literat, Kunsthandwerker, Privatgelehrter und Querdenker.[1][2] Nachdem er in den 1940er bis 1960er Jahren vor allem für den Entwurf des Holzspielzeugs Faxlibutz sowie als Bildhauer in der Produktion von Kleinkunst, Theatermasken und Architekturzier tätig war, widmete er sich im fortgeschrittenen Alter philosophischen Studien im Grenzgebiet zwischen Wissenschaft und Parawissenschaft und publizierte seine enzyklopädischen Werke mit Erfolg.

Leben

Hans Gygax war das erste Kind des Ingenieurs Walter Gygax und der Flora Wiedenkeller. Nach frühen Kindheitsjahren in der Po-Ebene Norditaliens zog die Mutter 1910 nach Basel, wo die Schwester Gertrud Gygax zur Welt kam. In zweiter Ehe war sie mit dem Spezialarzt für Nerven- und Gemütskrankheiten Karl Graeter verheiratet; ihre Kinder waren die Halbschwestern Verena und Clara Graeter. Ab 1924 lebte die sechsköpfige Familie an der Batteriestrasse, wo Karl Graeter eine kleine Privatklinik unterhielt.

Hans Gygax erkrankte als junger Erwachsener über mehr als 15 Jahre an Depression und wohnte bis 1946 im elterlichen Haus. Aus einer kurzen Ehe mit der Berlinerin Käthe Bittner ging der Sohn Mathias Gygax (* 27. Mai 1938) hervor. Weitere Lebensstationen führten ihn nach Zürich, Stockholm, Rothenburg und Derendingen, ehe er 1973 endgültig nach Basel zurückkehrte und bei der Familie seiner Nichte Verena Hoffmann, geborene Kloetzer (* 1931), an der Clarastrasse 36 (Foto Hoffmann) lebte.[3] In seinem 98. Lebensjahr starb er am 11. März 2004 an den Folgen einer Lungenentzündung in Basel.

Künstlerisches und literarisches Wirken

Nach dem Abbruch des Gymnasiums absolvierte Gygax zunächst an der Allgemeinen Gewerbeschule Basel (AGS) eine Ausbildung als Holzbildhauer und übernahm in der Region Basel kunsthandwerkliche Auftragsarbeiten. So erhielt er 1928 vom Basler Kunstkredit einen Preis für seinen Wettbewerbsbeitrag zur Brunnengestaltung im Solitude-Park, fertigte im Auftrag des Historischen Museums Basel Gipsabgüsse gallischer Bronzen an und wirkte 1943/44 in Zusammenarbeit mit dem Basler Grafiker Max Breitschmid (1911-1970) als Maskenbildner bei den erfolgreichen Aufführungen griechischer Klassiker im römischen Theater von Augusta Raurica, im Basler Kunstmuseum und im Freilichttheater auf dem Dietschiberg (LU) mit.[4][5]

1946 übersiedelte Gygax nach Zürich, wo er 1953 in der Plattenstrasse 50 ein Geschäft für die Herstellung und den Handel von kunsthandwerklichen Gegenständen anmeldete und dort Teil der Zürcher Bohème der fünfziger Jahre wurde. Hier entwickelte er eine besondere Fertigkeit in der Technik der Messingätzung und erweiterte sein Portfolio um grafische Arbeiten. 1950 erschien im Oltener Hauenstein-Verlag das Kinderbuch «Die Geschichte vom Affenbüblein Timbo» von Marietta Meier mit seinen handkolorierten Holzschnitten.[6] Weitere Stationen stellten Rothenburg 1954 und Derendingen 1960 dar, wo er sich ein Atelier für Messingätzung einrichtete. Grosser Erfolg war der von Gygax entworfenen Zusammensteckfigur «Faxlibutz» beschieden, zu der er 1962 eine ganze «Faxlibutz-Enzyklopädie» kreierte.[7] Zunächst durch den Verleger René Simmen (1927-2023) im Buchhandel vertrieben, brachte die nachfolgende Zusammenarbeit mit dem Schweizer Spielzeughersteller Kurt Naef (1926–2006) hier den Durchbruch.[8]

Im Pensionsalter zog Hans Gygax wieder nach Basel und widmete sich neben zeichnerischen Studien intensiv dem Studium philosophischer, parapsychologischer und wissenschaftskritischer Werke. In seinem Kleinbasler Mansarden-Atelier entwickelte er eine ganz eigene Methode der enzyklopädischen Arbeitsweise, bei der er typoskriptartige Textbausteine, graphische Einschübe und bildliche Assoziationsketten zu einem literarisch-künstlerischen Gewebe miteinander verknüpfte. Als 89-Jähriger debütierte Gygax 1995 im Zürcher Verlag Ricco Bilger mit der Weltuntergangsvision «Das Weltende in Kürze»; im Jahr darauf folgte «Homers Odyssee: Die Reise eines Toten zur Wiedergeburt».

Der literarische Nachlass von Hans Gygax befindet sich in der Universitätsbibliothek Basel, die kunsthandwerklichen Arbeiten sind in Familienbesitz und wurden teilweise dem Landesmuseum übergeben.

Rezeption und Ehrungen

Hans Gygax Publikationen der späten 1990er Jahre fanden ein breites Medienecho und wurden auch im deutschsprachigen Ausland aufgegriffen.[9] 1995 erhielt er den Berner Literaturpreis. Im Jahr 2000 folgte er der Einladung, mit einem literarischen Beitrag an der Berliner Grossausstellung «Sieben Hügel. Bilder und Zeichen des 21. Jahrhunderts» teilzunehmen.[10][11]

Schriften

  • Gygax, Hans; Das Weltende in Kürze: das Überwissenschaftliche als Ärgernis; Zürich, Verlag Rico Bilger; 1994
  • Gygax, Hans; Homers Odyssee: die Reise eines Toten zur Wiedergeburt; Zürich, Verlag Rico Bilger, 1996
  • Gygax, Hans; Die lustige Faxlibutz-Enzyklopädie; Zürich Verlag René Simmen, 1963
  • Gygax, Hanns Theodor; Die hölzerne Faxlibutz Enzyklopädie, Rene Simmen, Zürich (Herausgeber), Kurt Naef, Zeiningen (Fabrikation und Vertrieb), 1966

Einzelnachweise

  1. Zum Gedenken: Hans Gygax, in: Basler Zeitung vom 17. April 2004
  2. Zum Tod des Autors Hans Gygax: Enzyklopädie und Phantast, in: Neue Zürcher Zeitung, 17. März 2004 (Digitalisat)
  3. Hoffmann, David Marc / Badenberg, Nana; Foto Hoffmann: drei Generationen Basler Fotografen; Basel, Christoph Merian Verlag, 2019, S. 23
  4. Kachler, Karl Gotthilf / Iselin-Haeger, Gustava; Lebendiges Theater in schwieriger Zeit: ein Kapitel Basler Theatergeschichte 1936–1946, Charaktere in Maske und Darstellung vor Ausbruch und während des Zweiten Weltkrieges, Basel: Buchverlag Basler Zeitung, 1982, S. 53
  5. Kachler, Karl Gotthilf; Maskenspiele aus Basler Tradition: 1936–1974; Basel, Christoph Merian Verlag 1986, S. 73 und 81
  6. Meier, Marietta; Die Geschichte vom Affenbüblein Timbo, mit 17 ganzseitigen handkolorierten Holzschnitten von Hans Gygax, Hauenstein-Verlag, Olten, 1950
  7. Der Spiegel, Ausgabe vom 03. Februar 1969, Nr. 6, Jahrgang 23, Rubrik «Literatur: Experimente mit neuen Buchformen», S. 140
  8. von Büren, Charles, et al; Kurt Naef - Der Spielzeugmacher / The Toymaker, Basel Birkhäuser, 2006, S. 47
  9. Trösch, Ursy; Zuerst die Reportage, dann das Ereignis. Hans Gygax über Prophetie und illegale Entdeckungen; SRF Radiobeitrag DRS 1 «Siesta» am 26. Dezember 1994 (FARO Datenbank, zuletzt abgerufen am 31.05.2024)
  10. Baumunk, Bodo Michael et al; Glauben: Weltreligionen zwischen Trend und Tradition, Katalog zur Ausstellung der Berliner Festspiele, 14. Mai bis 29. Oktober 2000 im Martin-Gropius-Bau, Berlin Henschel, 2000, S. 28–29
  11. Knoblauch, Hubert/ Schnettler, Bernd; Die Apokalypse findet nicht statt! Prophetische Zukunftsvisionen zum Ende des Jahrtausends in Deutschland, in: 7 Hügel: Bilder und Zeichen des 21. Jahrhunderts. Berlin: Henschel, 2000, Band 5: Glauben, Weltreligionen zwischen Trend und Tradition, S. 26–35