Das deutsche Steuerstrafrecht umfasst im weitesten Sinne alle Gesetze, die Sanktionen wegen Verstößen gegen deutsche Steuergesetze androhen. Zwar enthalten die §§ 369 ff. Abgabenordnung (AO) einige Regelungen über die strafrechtlichen Konsequenzen bestimmter Verstöße gegen Steuergesetze, allerdings handelt es sich insoweit um Blanketttatbestände, das heißt offene Gesetze, die durch das materielle Steuerrecht ausgefüllt werden. Die Verknüpfung des strafrechtlichen Tatbestandes mit dem besonderen Steuerrecht ist kennzeichnend für das Steuerstrafrecht, insbesondere für den Grundtatbestand der Steuerhinterziehung (§ 370 AO). Danach macht sich wegen Steuerhinterziehung strafbar, wer über steuerlich erhebliche Tatsachen pflichtwidrig unvollständige oder unrichtige Angaben macht oder die Finanzbehörden über solche pflichtwidrig in Unkenntnis lässt (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO). Ausgangspunkt einer jeden Steuerhinterziehung ist also die Abgabe einer falschen oder unvollständigen Steuererklärung oder das pflichtwidrige Unterlassen einer solchen. Was erheblich und was pflichtwidrig ist, ergibt sich aus den einzelnen Vorschriften des besonderen Steuerrechts wie etwa dem Einkommensteuergesetz (EStG) oder dem Umsatzsteuergesetz (UStG). Der Erfolg der Steuerhinterziehung besteht in einer Steuerverkürzung. Verkürzt sind Steuern, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden (§ 370 Abs. 4 S. 1 AO). Die Höhe der Steuerschuld bzw. die Rechtzeitigkeit der Festsetzung lässt sich jedoch nur nach den einzelnen Steuergesetzen bestimmen.
Die §§ 369 bis 384 AO unterscheiden zwischen Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten.
Steuerstraftaten werden im Regelfall mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe geahndet. Neben der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) zählen der Bannbruch (§ 372 AO), der gewerbsmäßige, gewaltsame und bandenmäßige Schmuggel (§ 373 AO), die Steuerhehlerei (§ 374 AO) und die Wertzeichenfälschung (§ 148, § 149 Strafgesetzbuch) zu den Steuerstraftaten.
Steuerordnungswidrigkeiten können gem. § 377 AO mit einer Geldbuße geahndet werden. Zu ihnen gehören die leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO), die Steuergefährdung (§ 379 AO) und der unzulässige Erwerb von Steuererstattungs- oder Steuervergütungsansprüchen (§ 383 AO).
Darüber hinaus finden sich steuerstrafrechtliche Normen auch im Umsatzsteuergesetz (UStG). Während § 26b UStG die Schädigung des Umsatzsteueraufkommens als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro ahndet, bestraft § 26c UStG als Straftatbestand die gewerbs- oder bandenmäßige Schädigung des Umsatzsteueraufkommens mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe.
Steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren
Bei Verstoß bzw. Verdacht auf Verstoß gegen das Steuerstrafrecht wird ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Am Vermittlungsverfahren beteiligte Behörden sind:
- die Straf- und Bußgeldsachenstelle der Finanzbehörde (StraBu / BuStra (je nach Bundesland unterschiedliche Bezeichnungen)): Die Einleitung des Ermittlungsverfahrens sowie die Durchführung des Verfahrens obliegt der Straf- und Bußgeldsachenstelle, sofern es sich ausschließlich um eine Steuerstraftat handelt. Bei einer selbstständigen Ermittlung ist die Behörde mit den Rechten und Pflichten der Staatsanwaltschaft ausgestattet. Die Staatsanwaltschaft ist berechtigt der Straf- und Bußgeldsachenstelle das Ermittlungsverfahren nach eigenem Ermessen abzuziehen bzw. zurückzugeben. Andersherum kann auch die Straf- und Bußgeldsachenstelle den Fall an die Staatsanwaltschaft übergeben.
- die Steuerfahndung: Die Steuerfahndung ist eine Ermittlungsbehörde, die im Zuge einer Ermittlung gemäß Strafprozessordnung mit denselben Rechten und Pflichten wie Beamte des Polizeidienstes anbetraut sind. Die Steuerfahndung kann von der Finanzbehörde beauftragt werden, im Verdachtsfall zu ermitteln. Um Steuerstraftaten aufzudecken, sind Vernehmung, Beschlagnahmung, Durchsuchung und vorläufige Festnahmen wesentliche Methoden der Steuerfahndung.
- die Staatsanwaltschaft: Auch die Staatsanwaltschaft kann ein Ermittlungsverfahren durchführen. Die Finanzbehörde kommt hierbei die Rolle der Hilfsbeamten zu.[1][2]
Die Steuerhinterziehung ist in § 370 AO (Abgabenordnung) geregelt. Der Steuerpflichtige handelt ordnungswidrig, wenn er
- gegenüber dem Finanzamt falsche oder unvollständige Angaben zu den persönlichen Besteuerungsgrundlagen übermittelt
- wer seiner Pflicht nicht nachkommt, die Finanzbehörde über steuerrelevante Tatsachen in Kenntnis zu setzen,
so dass sich für die steuerpflichtige Person daraus ein Steuervorteil ergibt.[3]
Demnach kann sowohl durch aktives Tun (370 Abs. 1 Nr. 1 AO) (Herausgabe falscher Information) als auch durch Unterlassen (370 Abs. 1 Nr. 2 AO) (Verschweigen von Informationen) eine Steuerhinterziehung vorliegen.
Beispiele für Steuerhinterziehung durch aktives Tun
Werden Betriebsausgaben oder Werbungskosten im amtlichen Vordruck der Steuererklärung aufgeführt, die nicht oder nicht in der Höhe existieren, so begeht der Steuerpflichtige durch aktives Tun Steuerhinterziehung. Ein weiteres Beispiel ist, wenn der Grundstückskaufvertrag auf eine niedrigere Summe ausgeschrieben wird als der tatsächlich vereinbarte Kaufpreis. Dadurch erschleicht sich der Steuerpflichtige durch bewusste Fehlinformationen einen Steuervorteil bei der Grunderwerbssteuer.[2]
Beispiele für Steuerhinterziehung durch Unterlassen
Wird eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen begangen, dann kommt der Verantwortliche seiner Pflicht nicht nach, dem Finanzamt Meldung zu steuerlich relevanten Fakten zu machen. Beispielsweise gilt die Nichtabgabe der Steuererklärung oder die Nichtanzeige einer Korrektur, sobald ein Versäumnis bekannt wird, als Unterlassen.
Literatur
- Andreas Schwörer Die grenzüberschreitende Beweisnutzung im Abgabenverfahren und Steuerstrafverfahren bei hinzutretendem Wechsel der Verfahrensart, 1. Auflage, Books on Demand Verlag, Norderstedt 2009, ISBN 978-3-8370-3610-7
- Peter Haas, Ulrike Müller: Steuerstrafrecht und Steuerstrafverfahren. 1. Auflage. Gabler, Wiesbaden 2008. ISBN 978-3-8349-0697-7
- Klaus Franzen: Steuerstrafrecht mit Zoll- und Verbrauchsteuerstrafrecht. 6. Auflage. Beck, München 2005. ISBN 3-406-52369-2
- Thomas Kuhn, Jörg Weigell: Steuerstrafrecht. Beck, München 2005. ISBN 3-406-53497-X
- Jo Lammerding, Rüdiger Hackenbroch: Steuerstrafrecht. 8. Auflage. Fleischer, Achim 2004. ISBN 3-8168-1158-2
- Stefan Rolletschke: Steuerstrafrecht. 2. Aufl., Carl Heymanns Verlag, Köln 2008. ISBN 978-3-452-26723-8
- H. Eberhard Simon, Claus-Arnold Vogelberg: Steuerstrafrecht. 2. Auflage. Schäffer-Pöschel, Stuttgart 2007. ISBN 978-3-7910-2384-7
- Michael Stahlschmidt: Steuerstrafrecht. Schmidt, Bielefeld 2004. ISBN 3-503-06363-3
- Hans W. Többens: Wirtschaftsstrafrecht, 1. Auflage, Verlag Franz Vahlen, München, 2006, ISBN 3-8006-3362-0
- Annette Warsönke Steuerstrafrecht leicht gemacht, 1. Auflage, Ewald von Kleist Verlag, Berlin 2009, ISBN 3-87440-250-9
Einzelnachweise
- ↑ "Steuerlexikon: Steuerstrafverfahren - Ermittlungsverfahren" im Steuerlexikon von steuerlinks.de
- ↑ a b "Steuerstrafrecht" Aufsatz von Rechtsanwalt Frank J. Colin zum Thema Steuerstrafverfahren
- ↑ "Juraforum: Steuerhinterziehung