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== Leben ==
=== Kindheit und seine frühen Jahre ===
Marat wurde am 24. Mai 1743 als zweites von acht Kindern in Boudry im Fürstentum Neuenburg geboren, das als [[Zugewandter Ort]] mit der [[Alte Eidgenossenschaft|Schweizerischen Eidgenossenschaft]] assoziiert war und zu jener Zeit von der preußischen Königsfamilie der [[Hohenzollern]] regiert wurde. Sein Vater wurde bei der Registrierung seines Sohnes als „Jean Mara“ eingetragen<ref>Félix Bovet: „''Jean-Paul Marat''.“ In: „''Le Quérard, archives d'histoirelittéraired’histoirelittéraire de biographie et de bibliographie française''“, Band II, Paris 1856, Seite 463.</ref>, in den Bibliographien wird er auch „Jean-Baptiste Mara“ genannt.<ref>so bei Jean Massin, Marat, Paris 1960, S. 12.</ref> 1753 zog die Familie nach Yverdon, wo der Vater in einer Tuchfabrik als Zeichner arbeitete. 1755 zog man nach Neuchâtel weiter, wo der Vater nunmehr als Fremdsprachenlehrer tätig wurde. Hier fügte er seinem Namen das Schluss-„t“ an. Den dadurch französisch klingenden Nachnamen „Marat“ übernahm nun auch der Sohn Jean Paul.<ref>Biografische Details des Vaters siehe bei Jean Massin, Marat, Paris 1960, S. 13</ref>
In der Literatur wird der Vater je nach Sprache Giovanni Mara, Juan Salvador Mara oder Jean Marat genannt. Er war in [[Cagliari]] auf [[Sardinien]] geboren; seine Mutter, Louise Cabrol, stammte aus der ebenfalls mit der Eidgenossenschaft verbundenen Stadtrepublik [[Genf]].
 
Durch eine Hautkrankheit ([[Skrofulose]], mit einem heftigen Juckreiz verbunden) bedingt, litt Marat unter Entstellungen. Als er sechzehn Jahre alt wurde, verließ er die Schweiz und wanderte allein nach [[Bordeaux]], wo er Medizin studierte. Um sein Auskommen zu sichern, arbeitete er für den vornehmen [[Reederei|Reeder]] Jean-Paul Nairac.<ref name="Capus">Alex Capus: ''Himmelsstürmer: Zwölf Portraits.'' Knaus, München 2008, ISBN 978-3-8135-0314-2, S. 28 ff.</ref> 1762 zog er nach Paris, wo er drei Jahre blieb und an der Universität Vorlesungen in Medizin, Physik und Philosophie besuchte. Wegen seiner Erfolge bei der Heilung von [[Gonorrhoe]] konnte er sich als Arzt einen Namen machen.<ref name="Capus" />
 
Danach zog es ihn nach [[England]]. Zehn Jahre lang praktizierte er als Arzt in [[London]], [[Newcastle upon Tyne|Newcastle]] und [[Dublin]].<ref name="Capus" /> In England wurde er [[Freimaurerei|Freimaurer]]; am 15. Juli 1774 stellte man ihm ein [[Großloge]]n-Zertifikat aus, das von James Heseltine, dem Großsekretär, unterzeichnet war. Später wurde er Mitglied der Loge ''La Bien Aimee'' in [[Amsterdam]].<ref>William R. Denslow, Harry S. Truman: ''10,000 Famous Freemasons from K to Z''. Kessinger Publishing, ISBN 1-4179-7579-2.</ref> Etwa im Jahr 1762 schrieb Jean Paul Marat sein erstes Buch ''Lettres Polonaises'' („Polnische Briefe“), das aber nicht veröffentlicht wurde.<ref>unveröffentlicht, erhalten in englischer Übersetzung als ''Polish letters, translated from the original unpublished manuscript'', 2 Bände, Boston 1904 ([https://archive.org/search.php?query=Polish%20letters%20Marat online] bei Archive.org). Er lehnte sich dabei an die damals populären ''Lettres persanes'' („[[Persische Briefe]]“) von Montesquieu an, mit erster gedanklicher Sichtung von Begriffen wie „Naturzustand“, „Gesellschaftsvertrag“ u.&nbsp;a.</ref>
Auch der 1771 in London fertiggestellte Roman ''Les Aventures du jeune Comte Potowski – un Roman de Cœur'' („Die Abenteuer des jungen Grafen Potowski – ein Herzensroman“) blieb zu seinen Lebzeiten unveröffentlicht.<ref>Er wurde posthum veröffentlicht als ''Aventures du jeune Comte Potowski. Un Roman de Cœur, publié pour la première fois, en son entier, d' après le manuscript autographe et précédé d'und’un notice littéraire, par le bibliophile Jacob (= Paul Lacroix)'', Paris 1848.</ref> Der Roman enthält auch Gedanken zum Strafrecht,<ref>(Ausgabe Lacroix, Band 2, Seite 34f.)</ref> die Marat später in seinem ''Plan de législation criminelle'' („Plan einer Strafgesetzgebung“) wieder aufgriff.
 
Marat litt nicht bloß unter seiner Hautkrankheit, welche ihn dermaßen quälte, dass er oft nur in der Badewanne Ruhe zum Schreiben fand<ref>[[Charles MacLaurin]]: ''Post Mortem – Essays, Historical and Medical''. G.H. Doran, New York 1922, S.&nbsp;200</ref> (weshalb ihn seine Mörderin 1793 ebendort antraf), sondern auch unter seinem Aussehen. Er war lediglich 1,50 Meter groß; sein Kopf wirkte dadurch „zu massig“ für den restlichen Körper, und „eines seiner Augen stand höher als das andere“. Die damit verbundenen Einschränkungen im gesellschaftlichen Umgang trugen zur Formung seines Charakters bei.<ref>[[William James Durant|Will Durant]]: ''Kulturgeschichte der Menschheit''. Südwest, München 1978. Band 17 ''Die französische Revolution'', S.&nbsp;34</ref>
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Jean-Paul Marat verfasste neben naturwissenschaftlichen und politischen Schriften den Abenteuer- und Liebesroman ''Aventures du jeune Comte Potowski'', un „Roman de Cœur“ (1771), der jedoch erst posthum im Jahr 1848 erschien. Im Juli 1788 fühlte sich Marat sterbenskrank<ref>''Lettre au Président de l’Assemblée nationale'', April 1790.</ref> und schrieb deshalb sein Testament. Er bat einen Freund, den Uhrmacher [[Abraham Louis Breguet]], ihn am Totenbett seelisch zu unterstützen und alle seine Manuskripte an eine Akademie für Wissenschaften zu schicken. Angeblich erzählte ihm Abraham am Totenbett von den revolutionären Ereignissen. Dies soll bei ihm einen so großen Eindruck hinterlassen haben, so der Mythos, dass sich sein Gesundheitszustand besserte und er fortan die Revolution mit voller Kraft und allen Mitteln unterstützte. Aus heutiger, psychosomatischer Sicht überstand dieser chronisch hautkranke Mediziner möglicherweise einen [[stupor]]ähnlichen dissoziativen Status, der durch ein Ohnmachtsgefühl ohne Bewusstseinsverlust gekennzeichnet war. Die biographische Krise hatte sich zu einem historisch wichtigen Zeitpunkt, nämlich genau ein Jahr vor der Französischen Revolution entwickelt, als er sich – von Freunden radikalisiert – entschloss, die Meinungsführerschaft unter den Jakobinern zu übernehmen. Das Ohnmachtsgefühl schlug in extremes Machtstreben um. Er veröffentlichte eine ''Offrande à la Patrie'' („Opfergabe an das Vaterland“), in der er sich an den Dritten Stand richtet, um dessen Position gegenüber „unseren Feinden“ (den beiden übrigen Ständen) mit einer neuen Verfassung zu stärken. Die Schrift blieb unbeachtet, eine Ergänzung wurde beschlagnahmt.
 
Im Juli oder August 1789 versuchte er es erfolglos mit einer ersten Zeitung, dem ''Moniteur patriote'' („Patriotischer Anzeiger“). Mehr Erfolg hatte er mit der ab 12. September 1789 herausgegebenen Zeitung ''Publiciste Parisien'' („Pariser Blatt“), die er von der 6. Nummer an – wohl in Anlehnung an das populäre Werk „l’ami des hommes“ des im Juli 1789 verstorbenen [[Victor Riquetti]] – in ''[[Ami du Peuple|l'amil’ami du Peuple]]'' („Freund des Volkes“) umbenannte. Diese Zeitung war eine stark beachtete Zeitung Frankreichs, die manchmal zweimal am Tag erschien, und sich als die Stimme des revolutionären Volkes verstand. Marat griff darin mit scharfen Worten alle gemäßigten Vertreter ([[Feuillants]], später die [[Girondisten]]) in der [[Nationalversammlung]] an.
 
Er bezeichnete alle wirklichen oder angeblichen Gegner der Revolution als Verräter und Volksfeinde, veröffentlichte deren Namen in seiner Zeitung und lieferte sie damit der Rache des Volkes aus. Dies führte dazu, dass am 6. Oktober 1789 ein Haftbefehl des Châtelet-Gerichts gegen ihn erlassen wurde. Man versuchte, ihn zu verhaften, was am 12. Dezember 1789 auch gelang; jedoch wurde er nach einem Verhör wieder freigelassen.<ref>Von Marat selbst beschrieben in ''Ami du Peuple'' Nr. 71 vom 19. Dezember 1789.</ref> Als man im Januar 1790 zweimal erneut – teils unter Aufbietung hunderter von Soldaten<ref>Louis R. Gottschalk, ''Jean Paul Marat, A study in radicalism,'' London 1927, Seite 61.</ref> – versuchte, ihn zu verhaften, floh er nach England, kehrte aber im Mai 1790 wieder nach Frankreich zurück. Nun befürwortete er die Enthauptung von 500 bis 600 Gegnern. Im September 1790 forderte er 10.000 Opfer<ref>''Ami du Peuple'' Nr. 223 vom 17. September 1790.</ref>, im Januar 1791 sogar 100.000<ref>''Ami du Peuple'' Nr. 356 vom 30. Januar 1791.</ref>. Er wurde von den Behörden gesucht, schaffte es aber, seine Zeitung – wenn auch mit Unterbrechungen – weiter herauszugeben und sich trotzdem in Paris verborgen zu halten. Erst im Dezember 1791 nahm er „endgültig“ Abschied von seinen Lesern, um nach London abzureisen, wurde aber schon im Februar 1792 wieder in Paris gesehen. Nach dem Sturz der Monarchie im August 1792 schloss sich Marat den [[Jakobiner]]n an und wurde, mit großer Unterstützung des Volkes, ein einflussreicher Delegierter im [[Nationalkonvent]] wie auch für eine Wahlperiode der Präsident des Klubs der Jakobiner.
 
Marat präsentierte sich publizistisch als „Anwalt der rechtlosen Massen“, aber er „überschätzte ... die Intelligenz des Volkes nicht“<ref>[[William James Durant|Will Durant]]: ''Kulturgeschichte der Menschheit''. Südwest, München 1978. Band 17 ''Die französische Revolution'', S.&nbsp;35</ref>; wie die ''[[philosophes]]'' der [[Aufklärung]] (etwa [[Jean-Jacques Rousseau|Rousseau]], den er oft zitierte) hielt er wenig von völliger Demokratie. Er forderte sogar eine temporäre Diktatur und empfahl sich gleich selbst als Diktator.<ref name="Louis Gottschalk 1923" />
 
Seine Verantwortung für die Septembermassaker 1792, bei denen ein entfesselter Mob die Gefängnisse stürmte und über tausend inhaftierte Revolutionsgegner ermordete, wurde von einzelnen Historikern relativiert<ref>Ausführlichere Hinweise und Zitate bei Friedrich Lohmann, ''Jean-Paul Marat und das Strafrecht in der französischen Revolution'', Bonn 1963, Seite 134, Fußnote 11.</ref>. Marat selbst zeigte sich von den Ereignissen überrascht. Im ''Ami du Peuple'' hatte er jedoch am 19. August geschrieben: ''„Der klügste und beste Weg ist, … die Verräter herauszuschleppen … und sie niederzumachen. Was für ein Unsinn, ihnen den Prozess zu machen!“''<ref>Hyppolyte Taine: ''The French Revolution''. 1881. Band II, S.&nbsp;211</ref> (woraufhin ihn die Pariser Kommune zum Pressechef ernannte und ihm einen Sitz in ihrem Sicherheitskomitee gab<ref>Louis Gottschalk: ''The Life of Jean Paul Marat''. Girard, Kansas 1923. S.&nbsp;120</ref>). Auch wenn sie nicht persönlich daran teilnahmen, sind aus heutiger Sicht Marat und [[Fabre d’Églantine|Églantine]] wegen ihrer Schriften sowie [[Georges Danton|Danton]] als tatenloser Justizminister an den Septembermorden mitschuldig.
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[[Datei:Rebull - La muerte de Marat.jpg|mini|links|[[Santiago Rebull Gordillo|Santiago Rebull]]: ''Der Tod des Marat'', 1875]]
[[Datei:Jacques-Louis David 002.jpg|mini|[[Jacques-Louis David]]: [[Der Tod des Marat]], 1793, [[Königliche Museen der Schönen Künste|Königliches Kunstmuseum, Brüssel]]]]
Nachdem die jakobinische [[Bergpartei]] die gemäßigten [[Girondisten]] verdrängt hatte, beschloss [[Charlotte Corday]], eine Anhängerin der Girondisten, Marat zu ermorden. Sie fuhr in einer Postkutsche nach Paris, wo sie ein Küchenmesser mit einer 20&nbsp;cm langen Klinge erstand. Eigentlich wollte sie Marat am [[Quatorze Juillet|14. Juli]], dem Jahrestag des [[Sturm auf die Bastille|Sturms auf die Bastille]], in aller Öffentlichkeit erstechen. Doch Marat war wegen einer [[Seborrhoisches Ekzem|seborrhoischen Dermatitis]]<ref>{{Literatur |Autor=Toni de-Dios, Lucy van Dorp, Philippe Charlier, Sofia Morfopoulou, Esther Lizano |Titel=Metagenomic analysis of a blood stain from the French revolutionary Jean-Paul Marat (1743-17931743–1793) |Sammelwerk=bioRxiv |Datum=2019-10-31 |DOI=10.1101/825034 |Seiten=825034 |ID={{BioRxiv|10.1101/825034v1}} }}</ref> an das Haus gebunden. Unter dem Vorwand, dass sie einige Girondisten aus ihrer Heimatstadt [[Caen]], einer Hochburg der Konterrevolution, denunzieren wolle, suchte sie Marat am 13. Juli 1793 auf. Marats Lebensgefährtin Simone Évrard ließ sie jedoch nicht ein. Sie fuhr zurück in ihr Hotel, kündigte ihren Besuch schriftlich an und kehrte noch am selben Tag zurück zu Marats Wohnung, ohne Antwort erhalten zu haben.
 
Im Badezimmer stach sie ihm nach einem kurzen Gespräch heftig in Hals und Brust (in der Nähe des [[Schlüsselbein]]s), wobei sie so stark zustieß, dass eine große Schlagader riss und Marat sofort bewusstlos wurde. Der mit ihm befreundete Komponist, Gitarren- und Harfenvirtuose Guillaume Pierre Antoine Gatayes (1774–1846)<ref>Józef Powroźniak: ''Gitarren-Lexikon.'' Übers. [von ''Leksykon gitary''] aus d. Poln. von Bernd Haag. Mitarb. an d. erw. u. überarb. dt.-sprachigen Ausg.: A. Quadt […]. 1979; 4. Auflage. Verlag Neue Musik, Berlin 1988, ISBN 3-7333-0029-7, S. 81 f.</ref> soll den Leblosen aufgefunden haben<ref>[[Matthias Henke]] und Michael Stegmann: ''Hector Berlioz - frühe Manuskripte mit Gitarrenmusik.'' Gitarre & Laute (1980), 6, S. 46–52; S. 50 f.</ref> und ein herbeieilender Redakteur des ''Ami du Peuple'' soll Corday niedergeschlagen haben, woraufhin sie festgenommen wurde. Zu keinem Zeitpunkt leistete sie Widerstand. Am 17. Juli 1793 wurde sie [[Guillotine|guillotiniert]]. Durch ihre Tat wurde Marat zunächst zu einem noch größeren Helden und Märtyrer. Seine Mörderin erlangte durch ihre Hinrichtung den Status einer Märtyrerin der [[Konterrevolution]].
 
Jean Paul Marat wurde am 16. Juli 1793 unter den Bäumen des Kreuzganges des ehemaligen [[Couvent des Cordeliers (Paris)|Couvent des Cordeliers]] beigesetzt. Am 18.&nbsp;August 1793 wurde auf der Pariser Place de la Réunion zum Gedenken an Jean Paul Marat ein Obelisk errichtet.<ref>{{Literatur |Autor=Aglaia Irmgard Hartig |Titel=Der heilige Revolutionär |Hrsg=Aglaia I. Hartig |Sammelwerk=Ich bin das Auge des Volkes. Jean Paul Marat. Ein Portrait in Reden und Schriften. |Verlag=Klaus Wagenbach |Ort=Berlin |Datum=1987 |ISBN=3-8031-2148-5 |Seiten=39}}</ref> In den Wochen und Monaten nach der Ermordung entstand ein wahrer Marat-Kult, zwischen Ende September und November 1793 zählte man allein in Paris 50 Marat-Feiern.<ref>{{Literatur |Autor=Aglaia Irmgard Hartig |Titel=Der heilige Revolutionär |Hrsg=Aglaia I. Hartig |Sammelwerk=Ich bin das Auge des Volkes. Jean Paul Marat. Ein Portrait in Reden und Schriften. |Verlag=Klaus Wagenbach |Ort=Berlin |Datum=1987 |ISBN=3-8031-2148-5 |Seiten=40}}</ref> Auf einer am 29. September 1793 in Paris stattgefundenen Gedenkveranstaltung hielt der [[Marquis de Sade]] eine Rede zu Ehren Jean Paul Marats.<ref>{{Literatur |Autor=Arnd Beise |Titel=Mit Beilen und Messern die Welt verbessern oder Kraft der eigenen Gedanken untergehen |Sammelwerk=Peter Weiss. Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats. |Auflage=4. |Verlag=Suhrkamp |Ort=Frankfurt am Main |Datum=2018 |ISBN=978-3-518-18849-1 |Seiten=131}}</ref> Ihren Höhepunkt erreichte die Marat-Verehrung mit dem Beschluss des [[Nationalkonvent]]s vom 27.&nbsp;November 1793, seine sterblichen Überreste in das [[Panthéon (Paris)|Panthéon]] zu überführen bei gleichzeitiger Entfernung des Leichnams [[Honoré Gabriel de Riqueti, comte de Mirabeau|Mirabeaus]].<ref name=":0">{{Literatur |Autor=Johannes Willms |Titel=Mirabeau oder die Morgenröte der Revolution |Verlag=C.H. Beck |Ort=München |Datum=2017 |ISBN=978-3-406-70498-7 |Seiten=356}}</ref> Dabei hatte Jean Paul Marat sich eine solche Ehrung zu Lebzeiten vehement verbeten. Konkret hatte er in der Nr. 421 des [[L’Ami du Peuple|l'amil’ami du peuple]] vom 6. April 1791 u.&nbsp;a. folgendes geschrieben:<ref>{{Literatur |Titel=Ich bin das Auge des Volkes. Jean Paul Marat - Ein Portrait in Reden und Schriften |Hrsg=Aglaia Irmgard Hartig |Verlag=Wagenbach |Ort=Berlin |Datum=1987 |ISBN=3-8031-2148-5 |Seiten=107}}</ref><blockquote>„Wenn Frankreich wirklich je frei würde und wenn je eine Volksvertretung sich an das erinnerte, was ich für das Vaterland getan habe, und versucht wäre, mir einen Platz in der Kirche Saint-Geneviève zuteilwerden zu lassen, dann protestierte ich laut gegen diesen empfindlichen Schimpf; ja ich möchte lieber hundertmal niemals sterben als eine derart grausame Beleidigung befürchten zu müssen.“</blockquote>Der Beschluss des Nationalkonvents vom 27. November 1793 wurde am 21. September 1794 umgesetzt.<ref name=":0" />
 
Doch der Leichnam verblieb nicht lange dort. Bereits am 8.&nbsp;Februar 1795 beschloss der [[Nationalkonvent]] die Entpanthéonisierung<ref>{{Literatur |Autor=Hermann Wagener |Titel=Neues Conversations-Lexikon – Staats- und Gesellschaftslexikon |Band=12 |Verlag=F. Heinicke |Ort=Berlin |Datum=1863 |Seiten=742}}</ref> und der Sarg Marats wurde umgehend auf den Friedhof der [[Pfarrkirche Saint-Étienne-du-Mont]] überführt.
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Der Wunsch, sein in England erschienenes Werk den Franzosen bekannt zu machen, gibt Marat zum ersten Male im berühmten Plakat ''Marat, l’Ami du Peuple, à Louis-Philippe-Joseph d’Orléans, prince français'' am 10. August 1792 bekannt. Mitte Oktober 1792 kündigt er dann die französische Ausgabe in einem Prospekt an. Absicht ist, durch die Publikation seiner politischen Schriften dem französischen Leser die theoretischen Grundlagen seiner Tagespolitik mitzuteilen. Zwischen der englischen und der französischen Ausgabe des Werkes existieren sowohl Kontinuität wie auch Brüche.<ref>''Des “Chains” aux Chaînes''. In: Jean-Paul Marat: ''Les Chaînes de l’Esclavage (1793). The Chains of Slavery (1774).'' Édition française confrontée au texte original anglais. Présentée par Charlotte Goëtz et Jacques De Cock. Pole Nord Bruxelles 1995. ISBN 2-930040-11-4. S. XXVII-XLII.</ref>
 
Marats philosophischer Ausgangspunkt ist ein politischer [[Defätismus]]: Der Mensch ist frei geboren, aber überall ist er in Fesseln, wird er von Despoten unterdrückt. Die Fesseln abzuwerfen, ist möglich, bedarf aber äußerster Anstrengungen und Misstrauen gegen die Intrigen der Despoten, denn der Rückfall in die Barbarei ist stets eine reale Möglichkeit; die Freiheit kann nur im Kampf gegen die geschichtlich dominante Tendenz zur Unfreiheit errungen werden. Das gilt ebenfalls für jede Phase der Französischen Revolution, die sich für Marat eher als eine Geschichte der Gegenrevolution erweist, denn diejenigen, die zu einem jeweiligen Zeitpunkt die Herrschaft erlangt haben, geben dem Volk die Freiheit nur dem äußeren Scheine nach; tatsächlich aber versuchen sie, das Volk einzulullen oder den Parteienhader so weit zu treiben, dass es die Lust an der Freiheit verliert und sich nach einem Despoten zurücksehnt.<ref>''Introduction. Jean-Paul Marat et l'Espritl’Esprit du Politique''. In: Jean-Paul Marat: ''Les Chaînes de l’Esclavage (1793). The Chains of Slavery (1774).'' Édition française confrontée au texte original anglais. Présentée par Charlotte Goëtz et Jacques De Cock. Pole Nord Bruxelles 1995. ISBN 2-930040-11-4. S. XV-XXVI.</ref>
 
== Das Gemälde von Jacques-Louis David ==
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== Schriften ==
* ''Les aventures du jeune Comte Potowski - un roman de cœur, Vol. 1''. 1771 fertiggestellt ([https://www.gutenberg.org/cache/epub/58362/pg58362-images.html Digitalisat]).
* ''Les aventures du jeune Comte Potowski - un roman de cœur, Vol. 2''. 1771 fertiggestellt ([https://www.gutenberg.org/cache/epub/58366/pg58366-images.html Digitalisat]).
* ''Œuvres politiques 1798 – 1793''. Texte et guide de lecture préparés par Jacques De Cock et Charlotte Goëtz. Pole Nord, Brüssel 1989.
* ''A Philosophical Essay on Man, being an attempt to investigate the principles and laws of reciprocal influences of the soul and body.'' 2 Bände, London 1773 (&nbsp;[https://quod.lib.umich.edu/e/ecco/004807815.0001.001?view=toc Digitalisat Band 1]; [https://quod.lib.umich.edu/e/ecco/004807815.0001.002?view=toc Digitalisat Band 2]) französische Version: ''De l’homme ou les principes et les loix de l’influence de l’âme sur le corps et du corps sur l’âme.'' 3 Bände. Amsterdam 1775–1776.
* Günter Matthias Tripp (Hrsg.): ''Über den Menschen oder über die Prinzipien und Gesetze des Einflusses der Seele auf den Körper und des Körpers auf die Seele''. Deutsche Übersetzung des „philosophical essay on man“ von Joachim Wilke. VCH, Acta Humaniora, Weinheim 1992, ISBN 978-3-527-17576-5.
* ''Les Chaînes de l’Esclavage (1793). The Chains of Slavery (1774).'' Édition française confrontée au texte original anglais. Présentée par Charlotte Goëtz et Jacques De Cock. Pole Nord, Brüssel 1995, ISBN 2-930040-11-4.
* ''Les chaînes de l'esclavagel’esclavage.'' Union Générale d’Ed., Paris 1988, ISBN 2-264-01268-4.
* ''Die Ketten der Sklaverei.'' Übersetzung aus dem Französischen von Reinhard Seufert. Verlag Andreas Achenbach, Gießen/Lollar 1975, ISBN 978-3-87958-701-8.
* ''The chains of slavery.'' London 1774 ([https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k103962m/f1.item Digitalisat]).
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* Martin Hermes: ''Politische Apokalypse Marats des Jakobiners. Eine Parodie auf die Offenbarung St. Johannis''. Buxtehude 1795
* [[Amalie Schoppe]]: ''Marat. Historischer Roman''. George Westermann, Braunschweig 1838 (Digitalisate: [https://babel.hathitrust.org/cgi/pt?id=njp.32101017790773&seq=11 Erster Teil] – [https://babel.hathitrust.org/cgi/pt?id=njp.32101017790765&seq=11 Zweiter Teil]).
* Anonym:<ref>{{Literatur |Titel=Ich bin das Auge des Volkes. Jean Paul Marat - Ein Portrait in Reden und Schriften |Hrsg=Aglaia Irmgard Hartig |Verlag=Wagenbach |Ort=Berlin |Datum=1987 |ISBN=3-8031-2148-5 |Seiten=45+157}}</ref> ''L’ami du peuple. Skizzen aus Marats journalistischem Leben''. Hoffmann & Campe, Hamburg 1846 ([https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10420462?page=,1 Digitalisat]).
* [[Hermann Wagener (Politiker)|Hermann Wagener]] (Hrsg.): ''Neues Conversations-Lexikon – Staats- und Gesellschaftslexikon, 12. Band''. F. Heinicke, Berlin 1863, S. 737–742 ([[iarchive:staatsundgesell01wagegoog/page/737/mode/1up|Digitalisat]]).
* Alfred Bougeart: ''L'AmiL’Ami du peuple''. Librairie Internationale, Paris 1865<ref>Volltext [https://archive.org/details/maratlamidupeupl02bouguoft online] bei [[Archive.org]]</ref>
* François Chèvremont: ''Jean-Paul Marat: esprit politique, accompagné de sa vie scientifique, politique et privée''. chez l'auteurl’auteur, Paris 1880.
* [[Ernest Belfort Bax]]: ''Jean-Paul Marat''. Grant Richards, London 1901 ([https://babel.hathitrust.org/cgi/pt?id=iau.31858014688471&seq=9 Digitalisat]).
* Louis R. Gottschalk: ''Jean Paul Marat. A Study in Radicalism''. Greenberg, New York 1927.
* [[Friedrich Reck-Malleczewen]]: ''Jean Paul Marat. Freund des Volkes''. Drei Masken, München 1929.
* Hugo Rozbroj: ''Jean-Paul Marat (1743-17931743–1793) – Ein Naturforscher und Revolutionär, sein Zusammentreffen in der Geisteswelt mit Goethe, Lamarck, Rousseau u.a.'' Ebering, Berlin 1937.
* Charles Reber: ''Un homme cherche la liberté: Jean-Paul Marat''. Editions a la Baconnière, Boudry-Neuchâtel 1950.
* [[Jean Massin (Historiker)|Jean Massin]]: „''Marat''“ Club français du livre, Paris 1960, 302 Seiten (rééd. Alinéa, 1988, 308 Seiten).
* Friedrich Lohmann: ''Jean Paul Marat und das Strafrecht in der französischen Revolution''. Dissertation, Bonn 1963.<ref>Bonner Rechtswissenschaftliche Abhandlungen. Herausgegeben von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bonn. Band 59. Ludwig Röhrscheid Verlag.</ref>
* [[Peter Leuschner]]: ''Jean Paul Marat''. In: [[Tilo Schabert]]: ''Der Mensch als Schöpfer der Welt. Formen und Phasen revolutionären Denkens in Frankreich 1762-17941762–1794''. List, München 1971, ISBN 978-3-471-61510-2, S. 141–167.
* Karin Rosenhauer: ''Jean-Paul Marat (1743-17931743–1793) und sein Buch "De l'hommel’homme ou de l'influencel’influence de l'amel’ame sur le corps et du corps sur l'âmel’âme (1772-17751772–1775)''. Universitätsdissertation, Freiburg im Breisgau 1982.
* Günter Matthias Tripp: ''Marat Mort – Marat Philosophe. Der Tod Marats und seine Schrift „Vom Menschen“''. In: Manfred Buhr/Wolfgang Förster: ''Studien zur Philosophie der Aufklärung, Teil 2 (Aufklärung, Geschichte, Revolution)''. Akademie-Verlag, Berlin 1986, ISBN 978-3-05-000016-9, S. 338–362.
* ''La Mort de Marat''. (dir.: Jean-Claude Bonnet), Flammarion, Paris 1986.
* Ernest Krivanec: ''Jean-Paul Marat: Fremd unter Fremden''. Karolinger, Wien 1986, ISBN 3-85418-027-6.
* Jörg Traeger: ''Der Tod des Marat - Revolution des Menschenbildes''. Preste, München 1986, ISBN 978-3-7913-0778-7.
* Aglaia Irmgard Hartig: ''Der heilige Revolutionär''. In: Aglaia Irmgard Hartig (Hrsg.): ''Ich bin das Auge des Volkes. Jean Paul Marat. Ein Portrait in Reden und Schriften.'' Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 1987, ISBN 3-8031-2148-5, S. 7–49.
* Jacques Guilhaumou: ''1793. La mort de Marat''. Complexe, Brüssel 1989, ISBN 978-2-87027-276-3.
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* Charlotte Goëtz: ''Marat en famille: la saga des Mara(t)''. (2 Bände), Editions Pôle Nord, „Chantiers Marat 7-8“, Brüssel 2001, ISBN 978-2-930040-17-2.
* Gottfried Biegelmeier, Dieter Kieback, Gerhard Kiefer, Karl-Heinz Krefter: VDE-Schriftenreihe&nbsp;80 ''Schutz in elektrischen Anlagen -&nbsp;Band&nbsp;1: Gefahren durch den elektrischen Strom'', 2.&nbsp;Auflage, VDE&nbsp;Verlag&nbsp;GmbH, Berlin und Offenbach 2003, ISBN 978-3-8007-2603-5, S. 13.
* Charlotte Goëtz: ''Plume de Marat - Plumes sur Marat'', (pour une bibliographie générale), (2 Bände), Editions Pôle Nord, „Chantiers Marat 9-10“, Brüssel 2006, ISBN 978-2-930040-19-6.
* [[Alex Capus]]: ''Himmelsstürmer: 12 Porträts.'' Knaus, München 2008, ISBN 978-3-8135-0314-2, S. 24–39.
* [[Heike Jung (Jurist)|Heike Jung]]: ''Das kriminalpolitische Manifest von Jean-Paul Marat. Abschiedsvorlesung 14. Juli 2008''. Universitätspräsident, Saarbrücken 2009, ISBN 978-3-940147-14-1.
* Heinz Ahlreip: ''Jean Paul Marat. Demokrat und Theoretiker der Revolution: Eine Biographie''. GRIN Verlag, München 2013, ISBN 978-3-656-37409-1.
* [[Karl F. Masuhr]]: ''Ärzte, Dichter und Rebellen - psychosomatische Aspekte ihres Wirkens.'' Königshausen & Neumann, Würzburg 2018, ISBN 978-3-8260-6300-8, S. 118f.
 
== Weblinks ==
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* {{DDB|Person|118577441}}
* [http://www.marat-jean-paul.org/ ''www.marat-jean-paul.org''] (französisch)
* Stefan W. Römmelt: [http://www.historicum.net/themen/franzoesische-revolution/biographien/art/Marat_JP/html/artikel/602/ca/c97bc000be/ ''Kurzbiogramm - Marat''] auf ''historicum.net''
* [[Arnd Beise]]: ''[https://www.lexikon-der-politischen-strafprozesse.de/glossar/corday-charlotte/ Corday, Charlotte.]'' In: [[Kurt Groenewold]], Alexander Ignor, Arnd Koch (Hrsg.): ''Lexikon der Politischen Strafprozesse.'' Online<!-- Verlag?-->, Stand Mai 2016.