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Ein weiterer Begriff, der in der [[koranwissenschaft]]lichen Literatur für die Auslegung des Korantextes schon in den Anfängen verwendet wird, ist ''Taʾwīl'' {{arF|تأويل&lrm;|b= Auslegung; Deutung; Interpretation}}. In seiner Anwendung benutzte man das Wort oft als [[Synonym]] zu ''Tafsīr''.<ref>I. Poonawala: ''Ta'wil.'' In: ''The Encyclopaedia of Islam.'' Band 10, 2. Ausgabe, Brill, Leiden 2000, S. 390–392; hier 390.</ref> Aber bereits die frühesten Exegeten wie [[Muqātil ibn Sulaimān]] (gest. 767),<ref>Fuat Sezgin: ''Geschichte des arabischen Schrifttums.'' Band I, Leiden 1967, S. 36–37 ([https://books.google.de/books?id=3U2loA0orUkC&pg=PA36&printsec=frontcover&hl=de#v=onepage&q&f=false online]).</ref> differenzierten zwischen beiden Termini; ''taʾwīl'' ist die Deutung dessen, was gemäß der Offenbarung erst in der Zukunft eintreten wird und somit nur Gott allein bekannt ist. Muqātil selbst unterscheidet – unter Berufung auf [[ʿAbdallāh ibn ʿAbbās]] – vier Arten der Koranexegese: ''Tafsīr'', in dem sich die Gelehrten auskennen, die klassische [[Arabische Sprache]] (''al-ʿarabiyya''), die die Araber (sprich: Beduinen) kennen, die Kenntnisse von (islamrechtlich) Erlaubtem und Verbotenem (''ḥalāl wa-ḥarām''), die man nicht ignorieren darf und ''Taʾwīl'', das allein Gott kennt.<ref name="Grammar64">[[Cornelis H. M. Versteegh]]: ''Arabic Grammar & Qurānic Exegesis in Early Islam'' (= ''Studies in Semitic Languages and Linguistics.'' Band XIX) Brill, Leiden 1993, S. 64 ([https://books.google.de/books?id=pIXF5l3vBvEC&pg=PA64&printsec=frontcover&hl=de#v=onepage&q&f=false online]).</ref> Diesem Verständnis von ''Taʾwīl'' liegt eine spätestens von [[Muhammad ibn Saʿd]] verzeichnete Tradition zugrunde, nach der der Prophet Gott [[Duʿā'|gebeten]] haben soll, Ibn ʿAbbās Kenntnisse des ''Taʾwīl'' zu verleihen: ''„Herr, gib' ihm Weisheit und bring ihm die Deutung (Taʾwīl) bei.“''<ref>Ibn Saad: ''Das Klassenbuch''. Band II, Nr. 2, Brill, Leiden 1912 (Hrsg.: [[Friedrich Schwally]]), S. 119–120; adh-Dhahabī: ''Siyar aʿlām an-nubalāʾ.'' Band 3, 7. Auflage, Beirut 1990, S. 337. Dazu siehe: Harris Birkeland: ''Old muslim opposition against the interpretation of the Koran.'' Oslo 1955, S. 25 und 41.</ref>
 
Damit steht der Begriff im Gegensatz zum oben genannten ''at-tafsīr bi-ʾl-maʾṯūr'', der mittels Rückgriff auf Aussagen der ersten Generationen über die Koranstellen erfolgt. Bei ''taʾwīl'' geht es ferner um die Anwendbarkeit des Korantextes in der religiösen und sozialen Praxis.<ref>C. H. M. Versteegh: ''Arabic Grammar & Qurānic Exegesis in Early Islam.'' Leiden 1993, S. 63 ([https://books.google.de/books?id=pIXF5l3vBvEC&pg=PA63&printsec=frontcover&hl=de#v=onepage&q&f=false online]).</ref> Der Theologe und Koranexeget, Verfasser eines ''Taʾwīlāt al-Qurʾān'', [[Abū Mansūr al-Māturīdī|al-Māturīdi]] (gest. 944<ref>Fuat Sezgin: ''Geschichte des arabischen Schrifttums.'' Band I, Leiden 1967, S. 604–606.</ref>), den man mit dem Ehrennamen „Wahrzeichen der (richtigen) Leitung“ auszeichnete,<ref>Ignaz Goldziher: ''Die Richtungen der islamischen Koranauslegung.'' Leiden 1920, S. 114. Anmerkung 2 ([https://books.google.de/books?id=x8wUAAAAIAAJ&pg=PA114&printsec=frontcover&hl=de#v=onepage&q&f=false online]).</ref> definiert ''taʾwīl'' als das Ergebnis von Forschung und Sachkenntnis.<ref name="Grammar64" /> In diese Richtung weist auch die Auffassung des Hadithkritikers und Koranexegeten Ibn Abī Ḥātim ar-Rāzī (854–938)<ref>Fuat Sezgin: ''Geschichte des arabischen Schrifttums.'' Band I, Leiden 1967, S. 178–179 ([https://books.google.de/books?id=3U2loA0orUkC&pg=PA178&printsec=frontcover&hl=de#v=onepage&q&f=false online]).</ref> und des berühmten [[Sufi|Mystikers]] [[Abu Hafs Umar as-Suhrawardi|as-Suhrawardī]] (gest. 1234<ref>[[Angelika Hartmann (Islamwissenschaftlerin)|Angelika Hartmann]]: ''Al-Suhrawardi.'' In: ''The Encyclopaedia of Islam.'' Band 9, 2. Ausgabe, Brill, Leiden 1997, S. 778–782, hier 778.</ref>):„Wenn der ''tafsīr'' mancher koranischen Verse untersagt ist, so setzt der ''taʾwīl'' ein. Jener (als Worterklärung) ist an die Tradition (''naql'') gebunden, in diesem kann die Vernunft mit grosser Freiheit walten.“<ref>Ignaz Goldziher: ''Die Richtungen der islamischen Koranauslegung.'' Leiden 1920, S. 186. Anmerkung 1 ([https://books.google.de/books?id=x8wUAAAAIAAJ&pg=PA186&printsec=frontcover&hl=de#v=onepage&q&f=false online]).</ref> Dieser Gedanke war im 13. Jahrhundert allerdings nicht neu; [[asch-Schāfiʿī]] (gest. 820) hebt in seinem Rechtswerk mehrfach hervor, dass bei mehreren Interpretationsmöglichkeiten eines bestimmten Koranverses das ''Taʾwīl'' unterschiedlich sein kann. In diesem Fall schließt man sich derjenigen Deutung (taʾwīl) an, die der [[Sunna]] entspricht.<ref>''Kitāb al-Umm.'' Band 5, Dār al-maʿrifa, Beirut 1993, S. 109.</ref> Was allerdings klar offenbart worden ist, kann nicht Gegenstand von ''Taʾwīl'' sein.<ref>''Kitāb al-Umm''. Band 7, S. 195; 264; dies bezieht sich auch auf den [[Hadith]]: Band 7, S. 220.</ref> Und „unklares“, so die allgemeine Grundhaltung der Koranexegeten, kann nur Gott wirklich deuten; betreibt man in diesen Fällen dennoch ''Taʾwīl'', so kann es zu [[Häresie|häretischen]] Abweichungen führen.<ref>Josef van Ess: ''Theologie und Gesellschaft im 2. und 3. Jahrhundert Hidschra. Eine Geschichte des religiösen Denkens im frühen Islam.'' Band 4, de Gruyter, Berlin 1992, S. 647.</ref> Den Höhepunkt der Exegese im Sinne von ''Taʾwīl'' des „Verborgenen“ in den Koranversen durch die Verbindung und Deutung ihrer inneren Logik stellt das unvollendete Lebenswerk von [[Fachr ad-Dīn ar-Rāzī]] (gest. 1209) unter dem Titel ''Mafātīḥ al-ġaib'' (Die Schlüssel zum Verbogenen / zum göttlichen Geheimnis) dar, das „als Abschluss der produktiven Tafsīr-LiteraturLitteratur <!--das steht da so!-->zu betrachten ist.“<ref>Ignaz Goldziher: ''Die Richtungen der islamischen Koranauslegung.'' Leiden 1920, S. 123.</ref>
 
Beide in den [[Koranwissenschaften]] oft synonymisch, inhaltlich aber nicht eindeutig gebrauchten Begriffe sind Gegenstand der Forschung gewesen. [[Ignaz Goldziher]] schrieb an seinen älteren Kollegen [[Theodor Nöldeke]] in einem privaten Brief vom 18. Juni 1906 folgende Worte: „Dann chikaniert mich immerfort die richtige Erklärung des Wortes ''taʾwīl''. Sie haben, wenn ich mich gut erinnere, irgendwo darüber gesprochen. (In der Gesch. d. Q.?)<ref>Gemeint war damals: ''Die Geschichte des Qorāns.'' Göttingen 1860.</ref> Ich habe eine grosse Sammlung für die verschiedenartige Anwendung des Wortes in früheren Zeiten; werde aber durch die Vergleichung dieser Stellen auf keinen centralen Begriff geführt. Die Meinungen der Araber selbst führen zu nichts Vernünftigem […]“ Nöldekes Vorschlag war: „Über d. Worte ''taʾwīl'' habe ich, soviel ich mich erinnere, nichts geschrieben. Sollte d. Bedeutung ‚Auslegung‘ aber nicht zu erklären sein als ''deductio''? ''āla'', ''yaʾūlu'' ist ja ‚hingelangen‘ ‚gerathen zu‘ (''ilā''), ''awwala'' also ‚an ein Ziel bringen, hinschaffen‘ […] Das ''taʾwīl führt'' zu dem ''wahren'' Sinne; es ist also mehr als das blosse ''tafsīr''. ''Waʾllāhu aʿlamu.''“<ref>D. h. ''Gott weiß es am besten''. Róbert Simon (Hrsg.): ''Ignác Goldziher: His life and scholarship as reflected in his works and correspondence''. Brill, Budapest 1986, S. 289–290; 293.</ref>