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[[Bild:Flechte_auf_Fels.jpg|thumb|Flechten treten in den verschiedensten Farben auf]]
[[Bild:Lichen.JPG|thumb|Auch trompetenförmige Strukturen sind etwa bei Vertretern der Gattung ''[[Cladonia]]'' nicht selten]]
Als '''Flechte''' (Lichen) bezeichnet man eine [[Symbiose_(Biologie)|symbiotische]] Lebensgemeinschaft zwischen einem [[Pilze|Pilz]], dem so genannten ''Mykobionten'', und einem oder mehreren Photosynthese betreibenden Partnern. Diese ''Photobionten'', auch ''Phytobionten'' genannt, sind [[Grünalgen]] (Chlorophyta) oder [[Cyanobakterien]]. Die Eigenschaften der Flechten setzen sich deutlich von jenen der Organismen ab, aus denen sie sich zusammensetzen. Erst in der Symbiose bilden sich die typischen Wuchsformen der Flechten heraus und nur in Lebensgemeinschaft mit einem Photobionten bilden die Mykobionten die charakteristischen [[#Flechtenstoffe|Flechtensäure]]n. Die Wissenschaft von den Flechten ist die '''Flechtenkunde''' oder '''Lichenologie'''.
 
[[Datei:Rock covered with multicolored patches of lichen.jpg|mini|hochkant=1.4|Flechten treten in sehr verschiedenen Farben auf]]
Weltweit gibt es rund 20.000 Flechtenarten. In Mitteleuropa kommen davon etwa 2.000 vor. Der Anteil [[endemisch|endemischer]] Arten bei Flechten ist viel niedriger als derjenige von Blütenpflanzen.
[[Datei:Lichen.JPG|mini|hochkant=1.4|Auch trompetenförmige Strukturen sind etwa bei Vertretern der Gattung ''[[Cladonia]]'' nicht selten]]
 
Eine '''Flechte''' (lateinisch '''Lichen''') ist eine [[Symbiose|symbiotische]] Lebensgemeinschaft zwischen einem oder mehreren ''Mykobionten'' (aus {{grcS|μύκης|mykes}} „Pilz“ und -biont „Lebewesen“ aus {{grcS|βίος|bios}} „Leben“) und einem oder mehreren ''Photobionten'' (aus {{grcS|φῶς|phōs}} „Licht“). Die Wissenschaft von den Flechten ist die ''Flechtenkunde'' oder ''Lichenologie''.
Flechten werden immer nach dem Pilz benannt, der die Flechte bildet, da es meist dieser ist, der ihr die Form und Struktur gibt. Während mehrere Photobionten in einer Flechte vorhanden sein können, findet man immer nur eine Pilzart. Flechten werden daher den [[Pilze]]n (Fungi) zugerechnet, unter denen sie als eigene Lebensform eine Sonderstellung einnehmen; sie sind also keine [[Pflanzen]].
 
Mykobionten sind [[Pilze]]. Photobionten sind [[Chlorophyceae|Grünalgen]] oder [[Cyanobakterien]], die mittels [[Photosynthese]] Licht in chemische Energieträger umwandeln. Die Eigenschaften der Flechten unterscheiden sich deutlich von jenen der Organismen, aus denen sie sich zusammensetzen. Erst in der Symbiose&nbsp;– eine für die beteiligten [[Art (Biologie)|Arten]] nützliche Lebensgemeinschaft&nbsp;– bilden sich die typischen Wuchsformen der Flechten heraus, und nur in symbiotischer Lebensgemeinschaft mit Photobionten bilden Mykobionten die charakteristischen [[#Flechtenstoffe|Flechtensäuren]]. Grünalgen in Flechten bezeichnet man auch als ''Phykobionten'',<ref>H. Ettl, G. Gärtner: ''Syllabus der Boden-, Luft- und Flechtenalgen.'' 2. Auflage, Gustav Fischer Verlag, Stuttgart 2014, 773 S.</ref> Cyanobakterien in Flechten auch als ''Cyanobionten''.
 
Weltweit gibt es rund 25.000 Flechtenarten. In Mitteleuropa kommen davon etwa 2000 vor. Der Anteil [[Endemisch (Biologie)|endemischer]] Arten, die nur in einer begrenzten Region vorkommen, ist bei Flechten viel niedriger als bei Blütenpflanzen. Flechten werden immer nach dem Pilz benannt, der die Flechte bildet, da es meist dieser ist, der ihr die Form und Struktur gibt. Mehrere Photobionten können in einer Flechte vorhanden sein. Jüngste Forschungsarbeiten haben gezeigt, dass auch mehr als eine Pilzart in einer Flechte vorkommen kann.<ref name="Spribille">{{cite journal |title=Basidiomycete yeasts in the cortex of ascomycete macrolichens |first1=Toby |last1=Spribille |first2=Veera |last2=Tuovinen |first3=Philipp |last3=Resl |first4=Dan |last4=Vanderpool |first5=Heimo |last5=Wolinski |first6=M. Catherine |last6=Aime |first7=Kevin |last7=Schneider |first8=Edith |last8=Stabentheiner |first9=Merje |last9=Toome-Heller| first10=Göran |last10=Thor |first11=Helmut |last11=Mayrhofer |first12=Hanna |last12=Johannesson |first13=John P. |last13=McCutcheon |journal=Science |doi=10.1126/science.aaf8287 |url=http://science.sciencemag.org/content/early/2016/07/20/science.aaf8287.full|language=en}}</ref><ref>{{Cite web |url=http://www.theatlantic.com/science/archive/2016/07/how-a-guy-from-a-montana-trailer-park-upturned-150-years-of-biology/491702/|title=How a Guy From a Montana Trailer Park Overturned 150 Years of Biology|last=Yong|first=Ed|language=en-US|accessdate=2016-07-23}}</ref> In der [[Systematik (Biologie)|biologischen Systematik]] werden Flechten den [[Pilze]]n (Fungi) zugerechnet, unter denen sie als eigene Lebensform eine Sonderstellung einnehmen; sie werden nicht den [[Pflanzen]] zugerechnet.
 
== Aufbau und Wuchsform ==
[[Datei:File-Meyers b6 s0351a.jpg|mini|Aufbau einer Laubflechte (Beschreibung: siehe Text)]]
[[Bild:Pseudevernia-furfuracea-Schnitt.jpg|thumb| [[Baummoos]] (''Pseudevernia furfuracea'') (Querschnitt, unterhalb der oberen Rindenschicht ist der Algenpartner (Grünalge) zu erkennen)]]
 
Flechten existieren in einem breitem Spektrum an Farben, das von weiß über leuchtendes Gelb, verschiedene Brauntöne, kräftiges Orange, tiefrot, rosa, olivgrün, blaugrün und grau bis zu tiefschwarz reicht.
 
Flechten existieren in einem breiten Spektrum an Farben, das von weiß über leuchtendes Gelb, verschiedene Brauntöne, kräftiges Orange, tiefrot, rosa, olivgrün, blaugrün und grau bis zu tiefschwarz reicht.
 
Den Vegetationskörper einer Flechte formt ein Geflecht aus Pilzfäden (Hyphen), das so genannte „Lager“; darin eingeschlossen befindet sich eine Population der Photobionten. Die meisten Flechten bestehen aus mehreren Schichten.
 
Bei den meisten Laubflechten wird auf der dem Untergrund (Substrat) abgewandten Seite die äußere Schicht aus verflochtenen Pilzfäden gebildet, sie wird obere Rinde genannt (a). Darunter liegt die Algenschicht, in der die Algen in einem lockeren Pilzgeflecht lagern (b). Anschließend folgt die Markschicht, die aus lockerem Pilzgeflecht ohne Algen besteht (c). Es schließt sich die untere, dem [[Substrat (Ökologie)|Substrat]] zugewandte Rinde an (d), die durch ''Rhizinen'' (e), wurzelartige Pilzfäden, die dem Substrat eng anliegen oder es durchdringen, verankert ist. Solche Flechtenkörper, in denen die Photobionten nur in einer Schicht liegen, nennt man heteromer. Wenn der phototrophe Partner dagegen mehr oder weniger regellos zerstreut im Pilzkörper liegt, spricht man von einem homöomeren [[Thallus]].
Der Pilz bildet fast immer den eigentlichen Vegetationskörper der Flechte, ein Geflecht aus Pilzfäden (Hyphen), das so genannte Lager; darin eingeschlossen befindet sich eine Population der Photobionten.
 
Nach der Wuchsform und der Auflagefläche des Lagers, auch [[Thallus|Pilzthallus]] genannt, unterscheidet man zwischen:
* '''Krustenflechten''': Der Thallus liegt dicht auf dem Untergrund oder durchwächst diesen. Man kann sie nicht vom Substrat ablösen, ohne die Flechte zu beschädigen oder zu zerstören. Diese Wuchsform ermöglicht es, auf exponierten Felsflächen in den sehr hohen Gebirgslagen oder auch auf Betonmauern zu gedeihen. Die Wachstumszone liegt am äußeren Rand der Flechte.
* '''Laub-''' oder '''Blattflechten''': Die Flechte ist flächig gestaltet (folios) und liegt mehr oder weniger locker auf dem Substrat auf. Morphologisch sind die Blattflechten sehr vielfältig und besiedeln verschiedene Lebensräume wie etwa auf Moosen, aber auch auf Gestein. Wie bei Pflanzenblättern optimiert der blattartige Wuchs die Lichtausbeute für die Photosynthese des Photobionten. Die Wachstumszone befindet sich auf den „Blatträndern“.
* '''Strauchflechten''': Der Thallus ist strauchförmig und wächst als aufrechter Rasen auf Erde oder Fels oder hängt von Bäumen, Totholz oder Felsen (Bart- oder Bandflechten). Die Wachstumszone liegt am Ende der einzelnen Äste.
* '''Gallertflechten''': Dies sind Flechten mit [[Cyanobakterien]] als Partner, die bei Befeuchtung gallertartig aufquellen und meist schwärzlich bis dunkeloliv gefärbt sind.
 
* ''Krustenflechten'': Eine Krustenflechte besteht aus Lagern, welche als Areolen bezeichnet werden. Diese schließen nicht immer dicht zusammen. Sie können einzeln oder zu wenigen einem Prothallus aufsitzen. Weiter können körnige, firnisartige oder schorfige Überzüge auf Pflanzenresten, [[Moose]]n, Rinde und Erde gebildet werden. Es entsteht eine Scheinrinde durch das Absterben der äußersten Schicht des Lagers (Nekralschicht) sowie durch Verschleimung der Zellreste. Das Wachstum des Flechtenkörpers (Thallus) wird von dieser Nekralschicht aus den verschleimenden, absterbenden Zellen nachgebildet.
Die Einteilung in Wuchsformen ist künstlich und entspricht nicht den stammesgeschichtlichen Verwandtschaftsverhältnissen.
* ''Laub-'' oder ''Blattflechten'': Die Flechte ist flächig gestaltet (folios) und liegt mehr oder weniger locker auf dem Substrat auf. Morphologisch sind die Blattflechten sehr vielfältig und besiedeln verschiedene Lebensräume wie etwa auf Moosen, aber auch auf Gestein. Wie bei Pflanzenblättern optimiert der blattartige Wuchs die Lichtausbeute für die Photosynthese des Photobionten. Die Wachstumszone befindet sich auf den „Blatträndern“.
* ''Strauchflechten'': Der Thallus ist strauchförmig und wächst als aufrechter Rasen auf Erde oder Fels oder hängt von Bäumen, Totholz oder Felsen ([[Bartflechten|Bart]]- oder Bandflechten). Die Wachstumszone liegt am Ende der einzelnen Äste.
* ''Gallertflechten'': Dies sind Flechten mit [[Cyanobakterien]] als Partner, die bei Befeuchtung gallertartig aufquellen und meist schwärzlich bis dunkeloliv gefärbt sind.<ref>Heribert Schöller: ''Flechten – Geschichte, Biologie, Systematik, Ökologie, Naturschutz und kulturelle Bedeutung''. Schweizerbartsche Verlagsbuchhandlung, Frankfurt am Main 1997, ISBN 3-7829-1151-2, S. 21–28.</ref>
 
Die Einteilung in Wuchsformen entspricht nicht den stammesgeschichtlichen Verwandtschaftsverhältnissen.
Die meisten Flechten bestehen aus mehreren Schichten. Bei den meisten Laubflechten wird auf der dem Substrat abgewandten Seite die äußere Schicht aus dichter geflochtenen Pilzfäden gebildet, sie wird obere Rinde genannt. Darunter liegt die Algenschicht, in der die Algen in einem lockeren Pilzgeflecht lagern. Anschließend folgt die Markschicht, die aus lockerem Pilzgeflecht ohne Algen besteht. Es schließt sich die untere, dem Substrat zugewandte Rinde an, die durch ''Rhizinen'', wurzelartige Pilzfäden, die dem Substrat eng anliegen oder es durchdringen, verankert ist. Solche Flechtenkörper, in denen die Photobionten nur in einer Schicht liegen, nennt man heteromer. Wenn der phototrophe Partner dagegen mehr oder weniger regellos zerstreut im Pilzkörper liegt, spricht man von einem homöomeren [[Thallus]].
 
== Mykobiont, Photobiont und ihre Symbiose ==
[[BildDatei:CladoniaSpec01.jpg|thumbmini|Die ''[[Cladonia portentosa|Ebenästige Rentierflechte]] (''Cladonia portentosa'') ist eine typische Strauchflechte alpiner Zwergstrauchheiden[[Zwergstrauchheide]]n]]
Die Pilze gehören zu 98 Prozent der [[Abteilung (Biologie)|Abteilung]] der [[Schlauchpilze]] an, nur sehr wenige Arten sind [[BasidienpilzeStänderpilze]].
Einige, nur steril bekannte Flechtenpilze werden formal den [[Deuteromycota]] oder ''[[Fungi imperfecti]]'' zugerechnet. Über 20 Prozent der heute bekannten Pilze leben in einer Flechtensymbiose.
 
In 85 Prozent der Fälle ist der Photobiont eine ein- oder wenigzellige [[GrünalgenChlorophyceae|Grünalge]]; bisher sind über 80 Arten aus etwa 30 Gattungen bekannt,. dieDie bedeutendste davon ist zweifellos ''[[Trebouxia]]'', die in Flechten der Gattungen ''[[Cladonia]]'', ''[[Parmelia]]'', ''[[Ramalina]]'', ''[[Umbilicaria]]'' und ''[[Xanthoria]]''<ref name="Feige">Guido B. Feige, Bruno B. Kremer: ''Flechten. Doppelwesen aus Pilz und Alge. Vorkommen, Lebensweise, Bestimmung.'' Franckh, Stuttgart 1979, ISBN 3-440-00302-7, S. 15</ref> zu finden ist. Weitere bedeutende Grünalgen sind ''[[Coccomyxa]]'', ''[[Myrmecia (Algen)|Myrmecia]]'' und die fädige Gattung ''[[Trentepohlia (Alge)|Trentepohlia]]''.<ref name="Feige" />
 
Es gibt aber auch Flechten, bei denen der Partner aus dem [[Bakterien]]-Phylum der [[Cyanobacteria]] stammt. Dessen einzige Klasse [[Prochlorophyta]]Cyanobacteria enthält über 2.0002000 Arten in fünf Ordnungen. Mit Ausnahme der Ordnung [[Oscillatoriales]] weisen alle auch Vertreter in Flechtensymbiosen auf. Die wichtigste Cyanobakterien-Gattung mit Flechten-Symbionten ist ''[[Nostoc]]''.
 
Manchmal kommen Grünalgen und Cyanobakterien auch zusammen in einer Flechte vor. Während alle Photobionten ohne ihren Pilzpartner leben können, findet man in der Natur die Mykobionten nicht ohne ihre domestizierten Partner; in Kultur können die meisten aber auch ohne PhotobiontPhotobionten gehalten werden.
 
Die Symbiose zwischen Pilzen und Photobionten kann in unterschiedlichen Kontaktformen vorkommen. Die Pilzfäden können nur lose neben dendem Partner liegen, man spricht dann von Kontakt[[hyphenHyphe|Kontakthyphen]], sie können sie fest umschließen (Klammerhyphen) oder sogar in sie eindringen ([[Haustorium]]).
 
Die Vorteile der Symbiose liegen stark auf der Seite des Mykobionten, und man beschreibt die Lebensgemeinschaft wahrscheinlich am besten als kontrollierten [[Parasitismus]]. Dies zeigt sich auch daran, dass der Pilz das Wachstum und die Zellteilungsrate der Alge kontrolliert. Aufgrund der langen Entwicklungszeit dieser [[Probiose|probiotischen]] Beziehung hat sich daher ein Gleichgewicht zwischen Pilz und Alge eingestellt. Der Vorteil besteht für den Pilz darin, dass er von den Photobionten mit Nährstoffen versorgt wird, welche die Alge durch [[Photosynthese]] bildet. Der Pilz wiederum schützt den Partner vor zu rascher Austrocknung, da im Hyphengeflecht die Feuchtigkeit weniger stark schwankt; daneben schirmt er seinen Photobionten vor der [[Ultraviolettstrahlung]] ab. An Standorten, wo die Algen auf dem Boden [[pH-Wert]]en zwischen 3,5 und 6,5 ausgesetzt wären, hilft das Leben im Verband mit dem Mykobionten bei der Aufnahme von [[Phosphate|Phosphat]]. Auch durch die gemeinsame Vermehrungsstrategie von Pilz und Alge ergibt sich für beide Symbionten ein Vorteil.
 
Von Grünalgen werden Zuckeralkohole, etwa [[Ribit]], [[Erythrit]] oder [[Sorbit (Lebensmittelindustrie)|Sorbit]] gebildet, die für den Pilz bekömmlicher sind als [[KohlenhydratKohlenhydrate]]e sind. Bei Cyanobakterien als Partner wird hingegen [[Glucose]] transportiert. Bei den [[Stickstofffixierung|stickstofffixierenden]] Cyanobakterien wird auch reduzierter Stickstoff an den Mykobionten geliefert. Stoffströme des Primärstoffwechsels vom Pilz zum Photobionten sind nicht bekannt.
 
== Wasserhaushalt ==
[[Datei:Aspromonte-Flechten.JPG|mini|Das Wachstum solcher „Baumbärte“ wird besonders durch die hohe Luftfeuchtigkeit in Süßwasser- oder Meernähe begünstigt]]
Flechten besitzen keine Möglichkeit, ihren Wasserhaushalt zu regeln, da sie keine echten [[Wurzel (Pflanze)|Wurzeln]] zur aktiven Wasseraufnahme und auch keinen [[Verdunstung]]sschutz besitzen. Nur über die Oberfläche des Flechtenlagers können sie wie ein Schwamm Wasser in relativ kurzer Zeit aufsaugen, entweder in flüssiger Form oder als Wasserdampf. Bei Trockenheit verlieren sie relativ schnell das für die Aufrechterhaltung des [[Stoffwechsel]]s nötige Wasser und wechseln in einen photosynthetisch inaktiven „leblosen“ Zustand, in dem der Wassergehalt bei weniger als zehn Prozent des Trockengewichts liegen kann. Es gibt starke Hinweise darauf, dass wie bei den mit ähnlichen Problemen konfrontierten [[Bärtierchen#Anhydrobiose|Bärtierchen]] der Zucker [[Trehalose]] eine große Rolle beim Schutz von lebenswichtigen Makromolekülen wie [[Enzym]]en, [[Zellmembran|Membranbestandteilen]] oder der Erbsubstanz [[Desoxyribonukleinsäure|DNA]] selbst spielt.
Flechten besitzen keine Möglichkeit, ihren Wasserhaushalt zu regeln, da sie keine echten [[Wurzel (Pflanze)|Wurzeln]] zur aktiven Wasseraufnahme und auch keinen [[Verdunstung]]sschutz besitzen. Nur über die Oberfläche des Flechtenlagers können sie wie ein Schwamm Wasser in relativ kurzer Zeit aufsaugen, entweder in flüssiger Form oder als Wasserdampf. Bei Trockenheit verlieren sie relativ schnell das für die Aufrechterhaltung des [[Stoffwechsel]]s nötige Wasser und wechseln in einen photosynthetisch inaktiven „leblosen“ Zustand, in dem der Wassergehalt bei weniger als zehn Prozent des Trockengewichts liegen kann. Es gibt starke Hinweise darauf, dass wie bei den mit ähnlichen Problemen konfrontierten [[Bärtierchen#Anhydrobiose|Bärtierchen]] der Zucker [[Trehalose]] eine große Rolle beim Schutz lebenswichtiger Makromoleküle wie [[Enzym]]en, [[Zellmembran|Membranbestandteilen]] oder der Erbsubstanz [[Desoxyribonukleinsäure|DNA]] selbst spielt.
 
Anders als lange Zeit angenommen, schützt der Mykobiont den Photobionten nicht vor Austrocknung, sondern verlängert allenfalls die Zeit, die für diesen Prozess zur Verfügung steht. Der nahezu vollständige Feuchtigkeitsverlust ist vielmehr Teil der Überlebensstrategie von Flechten: Nur im ausgetrockneten Zustand sind sie in der Lage, Temperaturextreme oder hohe Lichtintensitäten, insbesondere von [[Ultraviolettstrahlung|ultravioletter Strahlung]] zu überstehen; künstlich befeuchtete Flechten verlieren unter diesen Umständen dagegen schnell ihre Vitalität. Bei vielen Arten geht mit der Austrocknung eine Verdickung der Rindenschicht einher, die dadurch lichtundurchlässiger wird.
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Die Fähigkeit der Ruhestarre ist besonders in kalten Gebieten sehr wichtig, da gefrorenes Wasser nicht für den Stoffwechsel verfügbar ist. Die Zeit, in der eine Flechte in einem solchen Stadium überleben kann, variiert je nach Art; es ist jedoch der Fall einer Wüstenflechte bekannt, die nach 40 Jahren im ausgetrockneten Zustand durch Befeuchtung „wiederbelebt“ werden konnte.
 
Erst bei erneuter Wasseraufnahme, über Regen, [[Tau (Niederschlag)|Tau]] oder Luftfeuchtigkeit, wird der Stoffwechsel reaktiviert. Bei einem Wassergehalt von 65 bis 90 Prozent des maximalen Speichervermögens erreicht er seine höchste Effizienz.
 
Weil die Luftfeuchtigkeit im Laufe eines Tages starken Schwankungen unterworfen ist, variiert entsprechend auch die Photosynthese-Rate der Flechten; meist ist sie am frühen Morgen, wenn das Flechtenlager von Tau benetzt wird, am höchsten.
 
Der vorstehend beschriebene Lebensrhythmus ist auch eine Ursache für das extrem langsame Wachstum mancher Flechten. Krustenflechten wachsen manchmal nur wenige Zehntel Millimeter pro Jahr, Laubflechten meist weniger als einen Zentimeter. Zum langsamen Wachstum trägt jedoch auch die ungleiche Symbiose bei, in welcher der Photobiont, der oft nur zehn Prozent des Flechtenvolumens einnimmt, allein für die Ernährung des Mykobionten aufkommen muss.
 
Das üppigste Wachstum findet man dagegen vor allem in subtropischen [[Nebelwald|Nebelwäldern]] und nahe vonden Meeresküsten, wo eine nur geringen Schwankungen unterworfene Luftfeuchtigkeit für optimale WachtumsbedingungenWachstumsbedingungen sorgt.
 
== Flechtenstoffe ==
Die primären (intrazellulären) Produkte wie [[Protein]]e, [[Aminosäuren]], [[Polysaccharide]], [[Lipide]], [[Vitamine]] etc. werden sowohl vom Photo- als auch vom Mykobionten gebildet und sind nicht flechtenspezifisch. Die so genannten Flechtenstoffe sind sekundäre (extrazelluläre) Produkte des Stoffwechsels und werden ausschließlich vom Pilz gebildet und extrazellulär auf den Hyphen[[Hyphe]]n deponiert.
 
Heute sind über 600 Stoffe bekannt, wobei die Hauptgruppen nach ihrer biosynthetischen Herkunft in die Acetyl-Polymalonate (etwa [[Usninsäure]]), die [[ShikiminsäureShikimisäure]]n und die [[Mevalonsäure]]n eingeteilt werden. Dies sind auch die wichtigsten Farbpigmente wie etwa die gelbe [[Vulpinsäure]] oder das gelb-orange [[Parietin]]. Um Flechtensäuren nachzuweisen, nutzt man chemische Reagenzien, die eine Farbreaktion auslösen. Die wichtigsten sind [[Calciumhypochlorit|Calcium-]] oder [[Natriumhypochlorit]] („C“), [[Kaliumhydroxid]] („K“) und para[[Phenylendiamin|p-Phenylendiamin]] („P“ oder „Pd“).<ref>Volkmar Wirth: ''Die Flechten Baden-Württembergs''. 2. Aufl., Eugen Ulmer, Stuttgart 1995, ISBN 3-8001-3325-3, S. 33</ref>
 
Flechtensäuren spielen auch bei der [[Verwitterung]] eine wichtige Rolle, da sie Gesteine angreifen und so zur [[Boden (Bodenkunde)|Bodenbildung]] beitragen. So musste im Sommer 2005 der [[Mount Rushmore]] von Flechten gereinigt werden.
 
== Verbreitung und Lebensraum ==
[[Datei:Lichens near Wlotzkasbaken, Namibia.jpg|mini|hochkant|Unter Schutz stehende Flechten in der [[Namib]] bei [[Wlotzkasbaken]]. Der Nebel an der Küste versorgt die Flechten mit Feuchtigkeit]]
[[Bild:Flechte_auf_Ast.jpg|thumb|Flechten (hier [[Gewöhnliche Gelbflechte]] und ''Physcia spec.'') wachsen auch auf Borke]]
Viele Flechten wachsen nur sehr langsam, meist nur wenige Millimeter im Jahr, einzelne Arten sogar nur Bruchteile eines Millimeters. Daher können sie nur an Standorten überleben, an denen sie nicht von anderen Pflanzen überwuchert und an der Photosynthese gehindert werden. An feuchten Standorten können sie sich oft nicht gegen [[Moose]] durchsetzen. Unter geeigneten Bedingungen, etwa dauerhafter Feuchte und geeigneten Temperaturen, wie im [[Regenwald]] oder [[Nebelwald]], wachsen Flechten um einige Zentimeter im Jahr.
 
Ähnliche Wuchsformen in teilweise übereinstimmendem [[Habitat]] kommen bei den ''[[Luftalge]]n'' (Aerophyten) vor, die ebenfalls auf exponierten Oberflächen wie Baumstämmen oder Felsen wachsen und diese oberflächlich bunt färben können. In Mitteleuropa kommt die Gattung ''[[Trentepohlia (Alge)|Trentepohlia]]'' vor.
Flechten haben meist bescheidene Stoffwechselansprüche und begnügen sich mit geringen Mengen an Mineralstoffen aus Staub, der über die Luft angeweht wird, oder Nährstoffen, die im Regenwasser enthalten sind beziehungsweise aus dem Untergrund gelöst werden.
 
Flechten haben meist bescheidene Stoffwechselansprüche und begnügen sich mit geringen Mengen an Mineralstoffen aus Staub, der über die Luft angeweht wird, oder Nährstoffen, die im Regenwasser enthalten sind oder aus dem Untergrund gelöst werden.
Viele Arten sind in der Lage, extreme Lebensräume zu erschließen. So können manche Flechten auf blankem Fels wachsen, andere wurden in fast 5.000 Meter Höhe im [[Himalaja]]-Gebirge gefunden. Sie kommen in der Wüste ebenso wie in [[Heide (Landschaft)|Heidelandschaften]], in [[Moor]]en ebenso wie in [[Permafrost]]gebieten vor und können in Trockenstarre Temperaturen von -47 Grad Celsius bis +80 Grad Celsius überstehen.
In der [[Antarktis]] lassen sich etwa 200 Flechtenarten antreffen; selbst bei 86 Grad südlicher Breite findet man in den Horlick Mountains noch sechs Flechtenarten. Auch amphibische Arten, die permanent im Wasser leben, gibt es, etwa ''Verrucaria serpuloides''.
 
Viele Arten sind in der Lage, extreme Lebensräume zu erschließen. So können manche Flechten auf blankem Fels wachsen, andere wurden in fast 5000 Meter Höhe im [[Himalaya]]-Gebirge gefunden. Sie kommen in [[Wüste|Hitze-]] und [[Kältewüste]]n ebenso wie in [[Heide (Landschaft)|Heidelandschaften]], in [[Moor]]en ebenso wie in [[Permafrost]]gebieten vor und können in Trockenstarre Temperaturen von −47 Grad Celsius bis +80 Grad Celsius überstehen.
[[Image:Rhizocarpon geographicum on quartz.jpg|thumb|Die [[Landkartenflechte]] ist eine Zeigerart für saure Standorte (hier auf Quarz)]]
In der [[Antarktis]] lassen sich etwa 200 Flechtenarten antreffen; selbst bei 86 Grad südlicher Breite findet man in den [[Horlick Mountains]] noch sechs Flechtenarten. Auch gibt es amphibische Arten, wie etwa ''Verrucaria serpuloides'', die permanent im Wasser leben.
Flechten besiedeln unterschiedlichste Standorte wie Baumrinde, Gesteine, [[Boden (Bodenkunde)|Böden]] und selbst verrostetes Metall. Viele Flechtenarten sind substratspezifisch, das heißt, sie gedeihen nur auf basischem Gestein wie [[Kalkstein]] oder [[Dolomit]] oder „saurem“ kalkfreiem Silikatgestein wie [[Quarz]], [[Gneis]] oder [[Basalt]].
 
Flechten besiedeln unterschiedlichste Standorte wie Baumrinde, Gesteine, [[Boden (Bodenkunde)|Böden]] und selbst verrostetes Metall, Malerfarbe oder Kunststoffe; manche robuste Arten sind sogar an vielbefahrenen Straßen anzutreffen. Viele Flechtenarten sind substratspezifisch, das heißt, sie gedeihen nur auf basischem Gestein wie [[Kalkstein]] oder [[Dolomit (Gestein)|Dolomit]] oder saurem kalkfreiem Silikatgestein wie [[Quarz]], [[Gneis]] oder [[Basalt]].
Flechten, die als [[Epiphyt]] auf Bäumen wachsen, sind keine [[Parasit]]en; sie entnehmen der Pflanze keine Nährstoffe oder Wasser, lediglich die [[Photosynthese]] wird durch die Abdeckung etwas behindert. Sie zeigen eindeutige Vorlieben für bestimmte Bedingungen wie saure Rinden von [[Fichten]], [[Birken]] oder [[Erlen]] oder basenreiche Rinden von [[Nussbaum]], [[Spitzahorn]] oder [[Holunder]]. Diese Merkmale sind oft wertvolle Bestimmungshilfen. Eine Reihe von Flechten dient selbst als Substrat für andere Flechten. Oft bilden sich typische Abfolgen, in denen verschiedene Flechtenarten in einer charakteristischen Reihenfolge übereinander geschichtet vorliegen.
 
Flechten, die als [[Epiphyt]] auf Bäumen wachsen, sind keine [[Parasit]]en; sie entnehmen der Pflanze keine Nährstoffe oder Wasser, lediglich die [[Photosynthese]] wird durch die Abdeckung etwas behindert. Sie zeigen eindeutige Vorlieben für bestimmte Bedingungen wie saure Rinden von [[Fichten]], [[Birken]] oder [[Erlen (Botanik)|Erlen]] oder basenreiche Rinden von [[Echte Walnuss|Nussbaum]], [[Spitzahorn]] oder [[Holunder]]. Diese Merkmale sind oft wertvolle Bestimmungshilfen. Eine Reihe von Flechten dient selbst als Substrat für andere Flechten. Oft bilden sich typische Abfolgen, in denen verschiedene Flechtenarten in einer charakteristischen Reihenfolge übereinander geschichtet vorliegen.
Auf Fels sind Flechten wichtige Pionierorganismen, die entweder dem Gestein aufsitzen oder sogar in den Stein eindringen. Bei endolithischen Flechten ist das Lager im Inneren des Gesteins entwickelt, und äußerlich nur an einer Verfärbung des Gesteins erkennbar. Bei Vertretern der Gattung ''[[Verrucaria]]'' auf [[Kalkstein]] sind etwa nur die ''Perithecien'' genannten Fruchtkörper als schwarze Vertiefungen sichtbar. Nach dem Absterben des Lagers ist der Fels von kleinen Gruben übersät. Erst nach dem Anritzen des Steins erscheint die grüne Algenschicht. Trotz der Unauffälligkeit spielen diese Arten eine bedeutende Rolle bei der chemisch-physikalischen Verwitterung und [[Pedogenese|Bodenbildung]], umso mehr, da sie die Felsen oft flächendeckend überziehen.
 
[[Datei:Rhizocarpon geographicum on quartz.jpg|mini|Die [[Landkartenflechte]] (''Rhizocarpon geographicum'') ist eine Zeigerart für saure Standorte (hier auf Quarz). Erkennbar sind die schwarzen Ränder, wo der Pilz mit dem sogenannten Vorlager (Prothallus) neuen Lebensraum ohne den Photobionten erobert.]]
Da Flechten naturgemäß keinen Unterschied zwischen Substraten in natürlicher und „künstlicher“ Umgebung machen, finden sie sich schließlich auch oft auf Mauern, Dächern, Zäunen oder Grabsteinen. Letztere können zur Datierung des Flechtenwachstums eingesetzt werden.
Auf Fels sind Flechten wichtige Pionierorganismen, die entweder dem Gestein aufsitzen oder sogar in den Stein eindringen. Bei endolithischen Flechten ist das Lager im Inneren des Gesteins entwickelt und äußerlich nur an einer Verfärbung des Gesteins erkennbar. Bei Vertretern der Gattung ''[[Verrucaria]]'' auf [[Kalkstein]] sind etwa nur die [[Perithecium|Perithecien]] genannten Fruchtkörper als schwarze Vertiefungen sichtbar. Nach dem Absterben des Lagers ist der Fels von kleinen Gruben übersät. Erst nach dem Anritzen des Steins erscheint die grüne Algenschicht. Trotz der Unauffälligkeit spielen diese Arten eine bedeutende Rolle bei der chemisch-physikalischen Verwitterung und [[Pedogenese|Bodenbildung]], umso mehr, da sie die Felsen oft flächendeckend überziehen.
 
Da Flechten naturgemäß keinen Unterschied zwischen Substraten in natürlicher und künstlicher Umgebung machen, finden sie sich schließlich auch oft auf Mauern, Dächern, Zäunen oder Grabsteinen. Letztere können zur Datierung des Flechtenwachstums eingesetzt werden.
== Fortpflanzung ==
[[Bild:Ophioparma ventosa.jpg|thumb|Die roten Flächen sind Apothecien der Art ''[[Ophioparma ventosa]]'']]
Die Photobionten vermehren sich, solange sie in Flechtengemeinschaft leben, nur vegetativ, bilden also keine [[Gamete]]n. Der Pilzpartner kann sich hingegen wie andere Pilze auch sexuell fortpflanzen.
 
Der extremste Lebensraum, in dem Flechten bisher ihre Überlebensfähigkeit unter Beweis stellen konnten, ist ohne Zweifel der Weltraum. Durch im Mai 2005 durchgeführte Experimente an den Flechten [[Landkartenflechte]] (''Rhizocarpon geographicum'') und der [[Zierliche Gelbflechte|Zierlichen Gelbflechte]] (''Xanthoria elegans'') konnte gezeigt werden, dass diese Arten zumindest für einen Zeitraum von etwa zwei Wochen in der Lage sind, die lebensfeindlichen Bedingungen außerhalb der Erdatmosphäre wie starke Temperaturschwankungen und hohe UV-Strahlungsintensität zu überstehen. Wissenschaftler des [[Senckenberg Forschungsinstitut]]s haben in einer Studie (Stand 2017) herausgefunden, dass sich manche Flechtenarten abhängig von den jeweiligen klimatischen Bedingungen unterschiedlich entwickeln und auch verschiedene Algen zur Symbiose auswählen können. So leben die flechtenbildenden Pilze ''Lasallia pustula'' und ''Lasallia hispanica'' je nach Höhenlage mit verschiedenen Grünalgen der Gattung ''Trebouxia'' zusammen. Im mittleren Höhenbereich wurden beide Kombinationen aufgefunden. Aufgrund von DNA-Analysen konnte festgestellt werden, dass die flechtenbildenden Pilze theoretisch mit sieben unterschiedlichen ''Trebouxia''-Arten zusammenleben können.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.openpr.de/news/979871/Partnertausch-als-Ueberlebensstrategie-Flechten-passen-sich-durch-Algenwechsel-an-neues-Klima-an.html |titel=Flechten passen sich durch Algenwechsel an neues Klima an |datum=2017-11-14 |zugriff=2017-11-21}}</ref>
Alle [[Spore]]n sind nur wenige tausendstel Millimeter groß. Die geschlechtlichen Sporen werden je nach der Zugehörigkeit des Mykobionten zu den Schlauch- oder Basidienpilzen in so genannten „Schläuchen“ (Asci) oder an so genannten „Ständern“ (Basidien) gebildet und dementsprechend als [[Schlauchpilze#Ablauf der sexuellen Sporenbildung|Asco-]] oder [[Basidienpilze|Basidiosporen]] bezeichnet.
 
== Vergesellschaftung ==
[[Datei:CladonioPinetum.jpg|mini|Flechten-Kiefernwald ''Cladonio-Pinetum'' auf sehr nährstoffarmen Flugsanddünen in Norddeutschland]]
 
Wie bei [[Samenpflanzen|Blütenpflanzen]] treten auch Flechtenarten miteinander bzw. mit Pflanzenarten vergesellschaftet auf. Die Benennung solcher Gesellschaften folgt Regeln, die in einem Code der [[Pflanzensoziologie|pflanzensoziologischen]] Nomenklatur festgehalten sind.<ref>Volkmar Wirth: ''Die Flechten Baden-Württembergs''. 2. Aufl., Eugen Ulmer, Stuttgart 1995, ISBN 3-8001-3325-3, S. 40</ref>
 
Ein Beispiel einer von Flechten mitbestimmten Assoziation ist das Cladonio-Pinetum – der Flechten-Kiefernwald. Es handelt sich um die forstwirtschaftlich zwar uninteressanteste, naturschutzfachlich aber besonders wertvolle und seltene Ausprägung von [[Waldkiefer|Kiefernwald]] nährstoffärmster Standorte. Durch diffuse flächendeckende Einträge von Schad- und Nährstoffen ([[Eutrophierung]]) ist diese Gesellschaft in Mitteleuropa stark bedroht. Bei der durch die Nährstoffe begünstigten [[Sukzession (Biologie)|Sukzession]] wird sie vor allem durch [[Draht-Schmiele|Drahtschmielen]]-Kiefernwald verdrängt.
 
== Fortpflanzung ==
Die Photobionten vermehren sich, solange sie in Flechtengemeinschaft leben, nur vegetativ, bilden also keine [[Gamet]]en. Der Pilzpartner kann sich hingegen wie andere Pilze auch sexuell fortpflanzen.
[[Datei:Chaenotheca ferruginea () Rinde Tilia, Sporen, verkl. Abmessung.tif|mini|''Chaenotheca ferruginea'', Sporen]]
Alle [[Spore]]n sind nur wenige tausendstel Millimeter groß. Die geschlechtlichen Sporen werden je nach der Zugehörigkeit des Mykobionten zu den Schlauch- oder Ständerpilzen in so genannten „Schläuchen“ (Asci) oder an so genannten „Ständern“ (Basidien) gebildet und dementsprechend als [[Schlauchpilze#Ablauf der sexuellen Sporenbildung|Asco-]] oder [[Ständerpilze|Basidiosporen]] bezeichnet.
 
[[Datei:Ophioparma ventosa.jpg|mini|''[[Ophioparma ventosa]]''. Die roten Flecken sind Apothecien, derentwegen die Flechte im Volksmund auch Blutaugenflechte genannt wird.]]
Bei den Schlauchpilz-Flechten werden die Ascosporen in Fruchtkörpern gebildet, die sich nach ihrem Aufbau in zwei größere Gruppen einteilen lassen, Apothecien und Perithecien:
Bei den Schlauchpilz-Flechten werden die Ascosporen in Fruchtkörpern gebildet, die sich nach ihrem Aufbau in zwei größere Gruppen einteilen lassen, [[Apothecium|Apothecien]] und [[Perithecium|Perithecien]]:
* Apothecien sind gewöhnlich vom Flechtenlager scharf abgegrenzte, rundliche bis scheiben- oder schüsselförmige Gebilde. Darauf beziehungsweise darin liegt eine aus parallel gelagerten Asci und nichtsporenbildenden Hyphenenden bestehende Schicht, das so genannte Hymenium, offen zu Tage.
* Perithecien sind mehr oder weniger kugelige, fast geschlossene Gebilde, in denen sich die Asci befinden und die Ascosporen gebildet werden, die nur durch eine Pore austreten können.<ref>Heribert Schöller: ''Flechten – Geschichte, Biologie, Systematik, Ökologie, Naturschutz und kulturelle Bedeutung''. Schweizerbartsche Verlagsbuchhandlung, Frankfurt am Main 1997, ISBN 3-7829-1151-2, S. 35–37</ref>
 
Der Pilz kann sich aber auch asexuell durch PyknidienPyknosporen fortpflanzen, die in [[Pyknidie]]n gebildet werden. Dies sind kugelige bis birnenförmige Behälter, die in das Lager eingebettet sind. In diesen werden von speziellen [[Hyphe]]n Pyknosporen abgegliedert. Pyknidien sind meist als sehr kleine schwärzliche Punkte auf dem Lager erkennbar.
 
Die Sporen verbreiten sich durch die Luft und können, wenn sie höhere Luftschichten erreichen, über weite Strecken, mitunter auch weltweit, verfrachtet werden. So erfolgt beispielsweise auch die Besiedelung isolierter Denkmäler oder Grabsteine, auch wenn das nächste Flechtenvorkommen weit entfernt ist.
 
Auf welche Weise sich die Flechtensynthese vollzieht, also wie die Gemeinschaft aus Myko- und Photobiont entsteht, ist noch nicht vollständig aufgeklärt. Der Pilzpartner muss zunächst einen geeigneten frei lebenden Algen- oder Bakterienpartner aufspüren und dann über diesen die Kontrolle übernehmen. Beides geschieht anscheinend erst, wenn sowohl Pilz als auch Alge oder Bakterium in einem „ausgehungerten“, dringend auf Nährstoffe angewiesenen Zustand sind. Auch im Labor ist es nur dann möglich, aus den beiden Einzelorganismen die Flechte zu bilden. Die typische Wuchsform der jeweiligen Flechtenart entsteht erst, nachdem der Pilzpartner seine Dominanz über den Photobionten etabliert hat.
 
Viele Flechten sind auf das Zusammentreffen solch günstiger Umstände nicht angewiesen und haben spezielle [[Vegetativevegetative Vermehrung|vegetative Vermehrungsorgane]]sorgane ausgebildet, mit denen Pilz und Alge gleichzeitig verbreitet werden können:
* ''Isidien[[Isidie]]n'' sind Auswüchse in Form von Stiften, Knöpfen, Blättchen oder kleinen Ästen, die an der Basis eine Sollbruchstelle haben. Durch Wind, Wasser oder leichte Berührungen brechen diese ab und bilden auf einem geeigneten Untergrund eine neue Flechte.
* ''[[Soral (Flechte)|Sorale]]'' sind staubige Aufbrüche der Flechten, aus der Körnchen aus wenigen verflochtenen Pilzfäden und Algen heraustreten (Soredien). Durch Verbreitung dieser Körnchen können ebenfalls neue Flechten gebildet werden.<ref>Bernhard Marbach, Christian Kainz: ''Moose, Farne und Flechten. Häufige und auffällige Arten erkennen und bestimmen''. BLV Verlagsgesellschaft, München 2002, ISBN 3-405-16323-4, S. 15.</ref>
 
== Alter ==
{| class="wikitable sortable float-right" width="25%"
[[Bild:Rhizocarpon geographicum01.jpg|thumb| [[Landkartenflechte]]n können zur Altersdatierung genutzt werden]]
|+Wachstumsgeschwindigkeiten einiger Flechtenarten<ref>Guido B. Feige, Bruno B. Kremer: ''Flechten. Doppelwesen aus Pilz und Alge. Vorkommen, Lebensweise, Bestimmung.'' Franckh, Stuttgart 1979, ISBN 3-440-00302-7, S. 28.</ref>
Flechten zählen zu den langlebigsten Lebewesen überhaupt und können ein Alter von mehreren hundert Jahren, in Einzelfällen sogar von über 4.500 Jahren erreichen, wie etwa bei einer [[Landkartenflechte]] (''Rhizocarpon geographicum'') aus [[Grönland]]. Durch ihre, nach einer Initialzeit, konstante Wachstumsrate können sie zur Altersbestimmung von bloßgelegten Steinen (Gletscherrückgang oder neu errichtete Bauwerke) genutzt werden. Die meisten Untersuchungen beziehen sich auf die gelben Sippen der Gattung ''[[Rhizocarpon]]'', wobei der Durchmesser der Flechtenlager direkt zum Alter des Untergrunds in Bezug gesetzt wird. Diese Altersdatierung anhand von Flechten wird auch als [[Lichenometrie]] bezeichnet und wurde [[1957]] vom [[Österreich|österreichischen]] Botaniker [[Roland Beschel]] eingeführt. [[1965]] bestimmte [[Gerhard Follmann]] etwa das Alter der durchschnittlich knapp 500 Jahre alten Monumentalfiguren auf der [[Osterinsel]] anhand des Flechtenbewuchses. Die Methode ist jedoch wegen des nicht immer gleichmäßigen Wachstums nicht unumstritten und wird nur dort genutzt, wo etwa die [[Radiocarbonmethode]] nicht angewandt werden kann.
|-
! width="70%"| Flechtenart (<span class="hintergrundfarbe1">Strauch-</span>, <span class="hintergrundfarbe5">Blatt-</span> und <span class="hintergrundfarbe6">Krustenfl.</span>)
 
! width="30%" align="center"| Geschwindigkeit in mm/Jahr
|-
| class="hintergrundfarbe1" | ''[[Cladonia rangiferina]]'' || class="hintergrundfarbe1" style="text-align:center;" | {{0}}2–5
|-
| class="hintergrundfarbe5" | ''[[Peltigera aphtosa]]'' || class="hintergrundfarbe5" style="text-align:center;" | {{0}}5–10
|-
| class="hintergrundfarbe5" | ''[[Peltigera canina]]'' || class="hintergrundfarbe5" style="text-align:center;" | 18
|-
| class="hintergrundfarbe5" | ''[[Peltigera rufescens]]'' || class="hintergrundfarbe5" style="text-align:center;" | 25–27
|-
| class="hintergrundfarbe5" | ''[[Physcia caesia]]'' || class="hintergrundfarbe5" style="text-align:center;" | 0,8–1,1
|-
| class="hintergrundfarbe5" | ''[[Parmelia saxatilis]]'' || class="hintergrundfarbe5" style="text-align:center;" | {{0}}1,7–3,2
|-
| class="hintergrundfarbe6" | ''[[Lecanora muralis]]'' || class="hintergrundfarbe6" style="text-align:center;" | {{0}}1,3
|-
| class="hintergrundfarbe6" | ''[[Rhizocarpon geographicum]]'' || class="hintergrundfarbe6" style="text-align:center;" | 0,2–0,6
|}
[[Datei:Rhizocarpon geographicum01.jpg|mini|links|[[Landkartenflechte]]n können zur Altersdatierung genutzt werden]]
Flechten zählen zu den längstlebigen Lebewesen überhaupt und können ein Alter von mehreren hundert Jahren, in Einzelfällen sogar von über 4.500 Jahren erreichen, wie etwa bei einer [[Landkartenflechte]] (''Rhizocarpon geographicum'') aus [[Grönland]]. Durch ihre nach einer Initialzeit konstante Wachstumsrate können sie zur Altersbestimmung von bloßgelegten Steinen (Gletscherrückgang oder neu errichtete Bauwerke) genutzt werden. Die meisten Untersuchungen beziehen sich auf die gelben Sippen der Gattung ''[[Rhizocarpon]]'', wobei der Durchmesser der Flechtenlager direkt zum Alter des Untergrunds in Bezug gesetzt wird. Diese Altersdatierung anhand von Flechten wird auch als [[Lichenometrie]] bezeichnet und wurde 1957 vom [[österreich]]ischen Botaniker [[Roland Beschel]] eingeführt. 1965 bestimmte [[Gerhard Follmann]] etwa das Alter der durchschnittlich knapp 500 Jahre alten Monumentalfiguren auf der [[Osterinsel]] anhand des Flechtenbewuchses. Die Methode ist jedoch wegen des nicht immer gleichmäßigen Wachstums nicht unumstritten und wird nur dort genutzt, wo etwa die [[Radiokohlenstoffmethode]] nicht angewandt werden kann.<ref>Bernhard Marbach, Christian Kainz: ''Moose, Farne und Flechten. Häufige und auffällige Arten erkennen und bestimmen''. BLV Verlagsgesellschaft, München 2002, ISBN 3-405-16323-4, S. 17.</ref>
<div style="clear:left;"></div>
 
== Flechten und Tiere ==
[[Datei:Pluvialis dominica eggs and nest.jpg|mini|links|Typisches, mit [[Totengebeinsflechte]]n (''Thamnolia vermicularis'') ausgestattetes Nest des [[Wanderregenpfeifer]]s]]
Besonders im hohen Norden, wo die Vegetation spärlich ist, sind Flechten während der Wintermonate für [[Ren]]tiere mit etwa 90 Prozent Hauptbestandteil der Nahrung. Meist handelt es sich um [[Rentierflechten]] (''Cladonia''), die sie mit ihren Hufen auch unter einer Schneedecke freilegen und mit Hilfe des [[Enzym]]s [[Lichenase]] verwerten können. Auch [[Elch]]e nutzen diese Nahrungsquelle.
 
== Flechten und Tiere==
Besonders im hohen Norden, wo die Vegetation spärlich ist, sind Flechten während der Wintermonate für [[Ren|Rentiere]] mit etwa 90 Prozent Hauptbestandteil der Nahrung. Meist handelt es sich um [[Rentierflechten]] (''Cladonia''), die sie mit ihren Hufen auch unter einer Schneedecke freilegen und mit Hilfe des [[Enzym]]s [[Lichenase]] verwerten können. Auch [[Elch]]e nutzen diese Nahrungsquelle.
Für viele [[Larve]]n von [[Schmetterlinge]]n dienen Flechten als Nahrungsgrundlage, wie etwa für Vertreter der Gattung der [[Flechtenbärchen]] (''Eilema''), deren Raupen sich ausschließlich von Flechten ernähren.
 
Im Übrigen sind es vor allem wirbellose Tiere wie Schnecken, Insekten und Milben, zu deren Ernährung Flechten in unterschiedlichem Ausmaß beitragen. Dazu zählen auch [[Staubläuse]] (Psocoptera), manchmal auch Flechtlinge genannt, zu denen etwa die [[Bücherlaus]] (''Liposcelis simulans'') gehört. Erwähnenswert ist auch die Larve vonder [[Hornmilbe]] ''Mycobates parmeliae,'', die sich mit ihrer leuchtend orangen Färbung an ihren Lebensraum in der [[Gewöhnliche Gelbflechte|Gewöhnlichen Gelbflechte]] angepasst hat.
 
Die Flechtenvegetation bietet vielen Tieren nebst Nahrung auch Lebensraum und Tarnung vor Fressfeinden. Milben und Insekten leben in großer Zahl zwischen Flechtenlagern; auch für die ebenfalls austrocknungsresistenten [[Bärtierchen]] sind Flechten ein wichtiger Lebensraum. Die Raupen verschiedener Nachtfalter tarnen sich mit Flechtenstückchen, andere ahmen einen flechtenbewachsenen Zweig nach ([[Mimikry]]).
 
Viele Vögel verwenden Flechten, vor allem blatt- und strauchförmige Arten, für den Nestbau, wie etwa der [[Amerikanische GoldregenpfeifferWanderregenpfeifer]], der sein Bodennest aus etwa 250 Thalli der [[Totengebeinsflechte]] und anderen Vertretern der Gattung ''[[Cladonia]]'' und ''[[Cetraria]]'' baut.
 
== Bioindikatoren ==
{| class="wikitable float-left"
[[Bild:Usnea filipendula.jpg|thumb| Der [[Gewöhnlicher Baumbart|Gewöhnliche Baumbart]] (''Usnea filipendula'') wächst nur an Standorten mit hoher Luftqualität]]
|+Resistenzeigenschaften einiger Flechtenarten gegen SO<sub>2</sub> in der Luft<ref>Guido B. Feige, Bruno B. Kremer: ''Flechten. Doppelwesen aus Pilz und Alge. Vorkommen, Lebensweise, Bestimmung.'' Franckh, Stuttgart 1979, ISBN 3-440-00302-7, S. 33.</ref>
Flechten gelten als Zeigerorganismen für bestimmte Umweltbedingungen, insbesondere die Luftqualität. Dies liegt daran, dass das Zusammenleben zwischen Pilz und Alge leicht gestört werden kann. Die in Luft und Regen enthaltenen Nähr- und Schadstoffe werden nahezu ungefiltert aufgenommen, da Flechten keine speziellen Organe zur Wasseraufnahme aus dem Boden besitzen und über den gesamten Thallus Feuchtigkeit aufnehmen. Daher reagieren sie besonders empfindlich auf Luftverschmutzung. Die ersten Berichte über eine massive Verarmung der Flechtenvegetation im Bereich industrialisierter Städte stammen aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, lange bevor [[Waldsterben]] und [[saurer Regen]] ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerieten. Als Hauptursache konnte der erhöhte [[Schwefeldioxid]]-Gehalt der Luft identifiziert werden. Inzwischen haben Schwefelfilter in Industrieanlagen und Katalysatoren in Kraftfahrzeugen dazu beigetragen, die Luftgüte zu verbessern, so dass heute Flechten wieder häufiger in Großstädten aufzufinden sind.
! Konzentration in µg/m<sup>3</sup>
! Flechtenart
|-
| > 170 || keine Flechte
|-
| ~ 150 || ''[[Lecanora conizaeoides]]''
|-
| ~ 70 || ''[[Xanthoria parietina]]''
|-
| ~ 60 || ''[[Ramalina farinacea]]''
|-
| ~ 40 || ''[[Anaptychia ciliaris]]''
|-
| < 30 || ''[[Ramalina fraxinea]]''
|-
| 0 || ''[[Lobaria amplissima]]''
|}
[[Datei:Usnea filipendula.jpg|mini|Der [[Gewöhnlicher Baumbart|Gewöhnliche Baumbart]] (''Usnea filipendula'') wächst nur an Standorten mit hoher Luftqualität]]
Flechten gelten als [[Zeigerorganismen]] für bestimmte Umweltbedingungen, insbesondere die Luftqualität. Dies liegt daran, dass das Zusammenleben zwischen Pilz und Alge leicht gestört werden kann. Die in Luft und Regen enthaltenen Nähr- und Schadstoffe werden nahezu ungefiltert aufgenommen, da Flechten keine speziellen Organe zur Wasseraufnahme aus dem Boden besitzen und über den gesamten Thallus Feuchtigkeit aufnehmen. Daher reagieren sie besonders empfindlich auf Luftverschmutzung. Die ersten Berichte über eine massive Verarmung der Flechtenvegetation im Bereich industrialisierter Städte stammen aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, lange bevor [[Waldsterben]] und [[saurer Regen]] ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerieten. Als Hauptursache konnte der erhöhte [[Schwefeldioxid]]-Gehalt der Luft identifiziert werden. Inzwischen haben Schwefelfilter in Industrieanlagen und Katalysatoren in Kraftfahrzeugen dazu beigetragen, die Luftgüte zu verbessern, sodass heute Flechten wieder häufiger in Großstädten aufzufinden sind.
 
Mit dem „Passiven Monitoring“ werden anhand von Verbreitung und Häufigkeit Rückschlüsse über die Luftgüte getroffen ([[Flechtenkartierung]]). Beim „Aktiven Monitoring“ werden mehrere Thalli einer bestimmten Art, meist der [[Blasenflechte]], an einem belasteten Standort ausgesetzt und die Reaktionen wie Vitalitätsverlust, Verfärbung des Thallus oder gar das Absterben der Organismen beobachtet ([[Flechtenexposition]]). Die Bioindikation mit Flechten ist allerdings auf lange Zeiten ausgelegt. In Deutschland sind passives und aktives Monitoring durchin dieden [[VereinVDI-Richtlinie]]nreihen Deutscher3799 Ingenieure|VDIund 3957 seit 1991 [[standard]]isiert.<ref>Willfried Nobel, Heike Beismann, Jürgen Franzaring, Reinhard Kostka-RichtlinieRick, 3799Gerhard standardisiertWagner, Walter Erhardt: ''Standardisierte biologische Messverfahren zur Ermittlung und Bewertung der Wirkung von Luftverunreinigungen auf Pflanzen (Bioindikation) in Deutschland.'' In: ''[[Gefahrstoffe – Reinhaltung der Luft|Gefahrstoffe – Reinhalt. Luft]].'' 65, Nr. 11/12, 2005, {{ISSN|0949-8036}}, S.&nbsp;478–484.</ref>
 
In Gebieten mit intensiver Landwirtschaft reagieren Düngemittel, die Stickstoffverbindungen enthalten, mit dem Regen schwach basisch. Dies führt vor allem zum Verschwinden der Flechtenarten, die saure Standorte bevorzugen.
 
Daneben sind Flechten [[Bioindikator|AkkumulationsindikatorAkkumulationsindikatoren]]en für [[SchwermetallSchwermetalle]]e, da sie die toxischen Partikel im Gewebe anreichern, was schließlich auch zum Absterben der Flechte führen kann.
 
Schließlich speichern Flechten auch radioaktive Substanzen. So lassen sie sich insbesondere zur Überwachung des [[Radioaktiver Niederschlag|radioaktiven Niederschlags]] nach atmosphärischen [[Kernwaffentest]]s heranziehen. Nach dem [[Katastrophe von Tschernobyl|Reaktorunglück von Tschernobyl]] gelangten große Mengen radioaktiver Isotope nach [[Finnland]] und wurden dort von [[Rentierflechten]] (''Cladonia'') aufgenommen. In Rentieren, die sich hauptsächlich von diesen Flechten ernähren, reicherten sie sich weiter an und gelangten schließlich über die Milch der Tiere und den daraus hergestellten Käse als Nahrung in dieden menschlichemenschlichen NahrungKörper.
 
== Entwicklungsgeschichte ==
Älteste [[Paläontologie|paläontologische]] Hinweise auf eine Symbiose aus Pilz und Alge belegen [[Fossil]]ien aus Süd[[china]], die rund 600 Millionen Jahre alt<ref>{{Literatur |Autor=Xunlai Yuan, Shuhai Xiao, T. N. Taylor |Titel=Lichen-like symbiosis 600 million years ago |Sammelwerk=Science |Band=308 |Nummer=5724 |Datum=2005 |DOI=10.1126/science.1111347 |PMID=15890881 |Seiten=1017–1020}}</ref> sind und somit aus der erdgeschichtlichen Epoche des [[Ediacarium]] stammen. Sie enthalten noch im Wasser lebende Flechten. Bis dahin galten Fossilien aus dem frühen [[Devon (Geologie)|Devon]] vor etwa 400 Millionen Jahren<ref>{{Webarchiv|text=The oldest fossil lichen |url=http://www.uni-muenster.de/GeoPalaeontologie/Palaeo/Palbot/nature.html |wayback=20070111022833}}</ref> als die ältesten Flechtenfossilien. Neuerdings wird ''[[Prototaxites]]'' aus dem [[Devon (Geologie)|Devon]] als mögliche „Riesenflechte“ diskutiert. Ob diese an Land lebende Art von der in China gefundenen Spezies abstammt, ist nicht geklärt, da Flechten mehrfach unabhängig entstanden sind. [[Taxonomie|Taxonomisch]] gesehen handelt es sich bei Flechten um eine so genannte [[Kladistik|polyphyletische]] Gruppe der Pilze, das heißt die einzelnen Arten gehen nicht auf eine Flechten-Stammart zurück. Für ein hohes [[Phylogenese|phylogenetisches]] Alter sprechen auch Überlegungen, dass diese Organisationsform vor den [[Gefäßpflanzen]] das Land besiedelte, da nur genügsame, wechselfeuchte Organismen erste Schritte auf blankem Fels unternehmen konnten.
 
Möglicherweise sind die ersten Flechten auch erst nach den Gefäßpflanzen entstanden.<ref name="DOI10.1111/gbi.12369">Matthew P. Nelsen, Robert Lücking u.&nbsp;a.: ''No support for the emergence of lichens prior to the evolution of vascular plants.'' In: ''Geobiology.'' 2019, {{DOI|10.1111/gbi.12369}}.</ref>
Früheste [[Paläontologie|paläontologische]] Hinweise auf eine Symbiose aus Pilz und Alge belegen [[Fossilien]] aus Süd[[china]], die rund 600 Millionen Jahre alt sind und somit aus der erdgeschichtlichen Epoche des [[Ediacarium]] stammen. Sie enthalten noch im Wasser lebende Flechten. Bis dahin galten Fossilien aus dem frühen [[Devon]] vor etwa 400 Millionen Jahren als die ältesten Flechtenfossilien. Ob diese an Land lebende Art von der in China gefunden Spezies abstammt, ist nicht geklärt, da Flechten mehrfach unabhängig entstanden sind. [[Taxonomie|Taxonomisch]] gesehen handelt es sich bei Flechten um eine so genannte [[Kladistik|polyphyletische]] Gruppe der Pilze, das heißt die einzelnen Arten gehen nicht auf eine Flechten-Stammart zurück. Für ein hohes [[Phylogenese|phylogenetisches]] Alter sprechen auch Überlegungen, dass diese Organisationsform vor den [[Gefäßpflanzen]] das Land besiedelte, da nur genügsame, wechselfeuchte Organismen erste Schritte auf blanken Fels unternehmen konnten.
 
== Flechten und der Mensch ==
 
=== Geschichte der Flechtenkunde ===
[[Datei:Haeckel Lichenes.jpg|mini|Flechten von [[Ernst Haeckel]]s ''[[Ernst Haeckel#Kunstformen der Natur (1899–1904)|Kunstformen der Natur]]'' (1904)]]
Der griechische Botaniker [[Theophrastos von Eresos|Theophrastos]], ein Schüler von [[Aristoteles]], beschreibt erstmals in seinem Werk ''Geschichte der Pflanzen'' zwei Flechtenarten, eine [[Bartflechten|Bartflechte]] (''Usnea'') und eine Flechte auf Küstenfelsen (''Rocella''). Zu dieser Zeit erkannte man sie noch nicht als eigenständige Organismen, sondern hielt sie für Auswüchse von Bäumen oder Algen ([[Seetang]]).
 
Erst im 17. Jahrhundert entwickelte sich erneut Interesse, und der Name „Lichen“ wurde nun gebräuchlich. Dieser leitet sich vom griechischen λειχην (leichän, lat. Lichen) ab und bedeutet „Warze“, was auf die Gestalt der Fruchtkörper hinweist. Die Anzahl der bis dahin bekannten Arten erhöhte sich auf nur 28. Der französische Arzt und Botaniker [[Joseph Pitton de Tournefort]] gliederte in einem neuen System die Flechten als eigene Abteilung „Lichen“ von den [[Moose]]n ab. Obwohl 1753 schon über 170 Arten bekannt waren, beschrieb [[Carl von Linné]] nur 80 Arten und bezeichnete sie als „armseligstes Bauernvolk“ der Vegetation.
Der griechische Botaniker [[Theophrastos]], ein Schüler von [[Aristoteles]], beschreibt erstmals in seinem Werk „Geschichte der Pflanzen“ zwei Flechtenarten, eine [[Bartflechten|Bartflechte]] (''Usnea'') und eine Flechte auf Küstenfelsen (''Rocella''). Zu dieser Zeit erkannte man sie noch nicht als eigenständige Organismen, sondern hielt sie für Auswüchse von Bäumen oder Algen ([[Seetang]]).
 
Mit der Publikation der Schrift ''Methodus, qua omnes detectos lichenes ad genera redigere tentavit'' begründete [[Erik Acharius]] 1803 die wissenschaftliche Lichenologie. Er erstellte ein System, das auf dem Bau der Fruchtkörper beruht, und verfasste eine Zusammenstellung aller zu seiner Zeit bekannten 906 Flechtenarten.
Erst im 17. Jahrhundert entwickelte sich erneut Interesse und der Name „Lichen“ wurde nun gebräuchlich. Dieser leitet sich vom griechischen λειχην (leichän, lat. Lichen) ab und bedeutet „Warze“, was auf die Gestalt der Fruchtkörper hinweist. Die Anzahl der bis dahin bekannten Arten erhöhte sich auf nur 28. Der französische Arzt und Botaniker [[Joseph Pitton de Tournefort]] gliederte in einem neuen System die Flechten als eigene Abteilung „Lichen“ von den [[Moose]]n ab. Obwohl 1753 schon über 170 Arten bekannt waren, beschrieb [[Carl von Linné]] nur 80 Arten und bezeichnete sie als „armseligstes Bauernvolk“ der Vegetation.
 
Der Arzt und [[Mykologie|Mykologe]] [[Heinrich Anton de Bary]] erkannte 1866 erstmals die Symbiose bei einer bestimmten Art von Gallertflechte. Die Vermutung, dass Flechten Doppelorganismen von Alge und Pilz sind, wurde 1869 vom Schweizer Botaniker [[Simon Schwendener]] aufgegriffen, der sie auf die übrigen Flechtenarten anwendete.<ref>Heribert Schöller: ''Flechten – Geschichte, Biologie, Systematik, Ökologie, Naturschutz und kulturelle Bedeutung''. Schweizerbartsche Verlagsbuchhandlung, Frankfurt am Main 1997, ISBN 3-7829-1151-2, S. 3–10.</ref>
Mit der Publikation der Schrift ''Methodus, qua omnes detectos lichenes ad genera redigere tentavit'' begründete [[Erik Acharius]] [[1803]] die wissenschaftliche Lichenologie. Er erstellte ein System, das auf dem Bau der Fruchtkörper beruht und verfasste eine Zusammenstellung aller zu seiner Zeit bekannten 906 Flechtenarten.
 
Der Arzt und [[Mykologie|Mykologe]] [[Heinrich Anton de Bary]] erkannte [[1866]] erstmals die Symbiose bei einer bestimmten Art von Gallertflechte. Die Vermutung, dass Flechten Doppelorganismen von Alge und Pilz sind, wurde [[1869]] vom Schweizer Botaniker [[Simon Schwendener]] aufgegriffen, der sie auf die übrigen Flechtenarten anwendete.
 
Heute hat sich die Lichenologie zu einer eigenen Disziplin entwickelt, die zwischen [[Mykologie]] und [[Botanik]] angesiedelt ist.
 
=== Verwendung ===
[[ImageDatei:KoehCetraria islandica - Köhler–s Medizinal-Pflanzen-032.jpg|thumbmini|Illustration des [[Isländisches Moos|Isländischen MoosMooses]] (''Cetraria islandica'') aus Köhler'sKöhler’s Medizinal-Pflanzen von 1887]]
[[Datei:T002 flechten.jpg|mini|DC-Trennung von Flechteninhaltsstoffen]]
Die älteste Verwendung von Flechten ist jene als Nahrungsmittel. Oft wird diskutiert, ob es sich beim biblischen [[Manna (Bibel)|Manna]] um die Wüstenflechte ''Sphaerothallia esculenta'' gehandelt haben könnte.
Die älteste Verwendung von Flechten ist jene als Nahrungsmittel. Am bekanntesten ist die kontrovers diskutierte Ansicht, ob es sich beim biblischen [[Manna (Bibel)|Manna]] um die Wüstenflechte ''Sphaerothallia esculenta'' gehandelt haben könnte.<ref>Heribert Schöller: ''Flechten – Geschichte, Biologie, Systematik, Ökologie, Naturschutz und kulturelle Bedeutung''. Schweizerbartsche Verlagsbuchhandlung, Frankfurt am Main 1997, ISBN 3-7829-1151-2, S. 185–186.</ref>
 
Bestimmte Flechten, z.&nbsp;B. ''Cetraria islandica'' und ''Lecanora esculenta'', wurden vor allem in Notzeiten gekocht oder als Mehlzusatz verwendet. Manche Teilnehmer schwieriger Expeditionen, etwa bei [[John Franklin]]s Suche nach der [[Nordwest-Passage]], haben nur dank Flechten überlebt. In [[Kanada]] waren manche Flechten als „tripes de roche“ (Felskutteln, rock tripe) bekannt. In der [[Indien|indischen]] Region um [[BellaryBallari]] wird aus einer ''Parmelia''-Art das Currygericht „rathapu“ zubereitet. In [[Japan]] gilt die Nabelflechte [[Iwatake]] (''Umbilicaria esculenta'') als Delikatesse und findet als Suppe oder Salat Verwendung. In [[Nordamerika]] werden ''[[Bryoria]]''-Arten als Nahrung zubereitet.
 
Seit dem [[Altertum]] werden Flechten auch als Heilmittel<ref>Werner-Christian Simonis: ''Die niederen Heilpflanzen. Pilze - Algen - Flechten.'' Heidelberg 1970.</ref> genutzt, etwa von dem griechischen Botaniker [[Theophrastos von Eresos|Theophrast]]. Die mittelalterliche Mystikerin [[Hildegard von Bingen]] schrieb:
:„''Und „Und das Moos, das an gewissen Bäumen wächst, hat Heilkraft in sich. Und solches, das auf fauligen HälzernHölzern wächst, hat fast keine heilkrafHeilkraft, weil die in stinken Säften der Dächer und fauliger Hölzer und in Steinen vorhanden ist, ausbricht und im Moos auswächst, daher ist es fast ohne Nutzen.“<ref>Heribert Schöller: ''Flechten – Geschichte, Biologie, Systematik, Ökologie, Naturschutz und kulturelle Bedeutung''. Schweizerbartsche Verlagsbuchhandlung, Frankfurt am Main 1997, ISBN 3-7829-1151-2, S. 189.</ref>
 
Entsprechend der [[Signaturenlehre]] wurde früher die [[Echte Lungenflechte]] (''Lobaria pulmonaria'') gegen Lungenleiden eingesetzt und findet noch heute in der [[Homöopathie]] Verwendung. Im Mittelalter wurden Flechten, die auf freiliegenden Totenschädeln wuchsen, als „Muscus cranii humani“ oder „Muscus ex cranio humano“ gegen [[Epilepsie]] verwendet.
Entsprechend der [[Signaturenlehre]] wurde früher die [[Echte Lungenflechte]] (''Lobaria pulmonaria'') gegen Lungenleiden eingesetzt und findet noch heute in der [[Homöopathie]] Verwendung. Im 17. und 18. Jahrhundert fand die Echte Lungenflechte, die auf Kiefern wuchs, in einem [[Kloster]] an der Ussolka in [[Sibirien]] als Bitterstoff (an Stelle des [[Hopfen]]s) beim [[Bier]]brauen Verwendung. Mit der in Afrika [[Endemit|endemischen]] Art ''Parmelia hottentotta'' wird [[Honigbier]] gewürzt.
 
Im Mittelalter wurden Flechten, die auf freiliegenden Totenschädeln wuchsen, als „Muscus cranii humani“ oder „Muscus ex cranio humano“ gegen [[Epilepsie]] verwendet.
 
Flechten enthalten oft eine große Vielfalt an Inhaltsstoffen, die sie für die pharmazeutische Industrie interessant machen. So wird das [[Isländisches Moos|Isländische Moos]] (''Cetraria islandica'') Hustenmitteln beigegeben. Das [[Antibiotikum]] [[Usninsäure]] wurde im [[Bartflechten|Baumbart]] (''Usnea'') entdeckt. Neuerdings sind gewisse [[Polysaccharide]] (sarcoma-180) in der Krebsbehandlung von Interesse.
 
Einige Arten werden zur Alkoholproduktion verwendet (z.&nbsp;B. ''Bryoria spp.'', ''Cladonia spp.'', ''Cetraria islandica'').
Die durch [[Vulpinsäure]] giftige [[Wolfsflechte]] (''Letharia vulpina'') wurde früher zum Vergiften von [[Fuchs]]- und [[Wolf]]sködern genutzt.
 
Die durch [[Vulpinsäure]] giftige [[Wolfsflechte]] (''Letharia vulpina'') wurde früher zum Vergiften von [[Rotfuchs|Fuchs]]- und [[Wolf]]sködern genutzt.
 
Lange Zeit wurde aus den an Küstenfelsen vorkommenden Flechten der Gattung ''Roccella'' und der Art ''Pertusaria corallina'' die purpurfarbene [[Orseille]], ein wertvoller Farbstoff, gewonnen. [[Lackmus]] ist ebenfalls ein Flechtenfarbstoff, der aus ''Roccella''-Arten gewonnen wird. Auch andere Flechtenarten, etwa ''Evernia''- oder ''Parmelia''-Arten, können zum Färben von Wolle und Stoffen verwendet werden, was in Europa hauptsächlich in [[Skandinavien]] und [[Schottland]] praktiziert wurde. Vor allem angenehme Gelb- und Brauntöne können erzielt werden. Im Süden [[Chile]]s finden für das Färben von Wolle nach wie vor Bartflechten der Gattung ''Usnea'' Verwendung.<ref>A. Tacón, J. Palma: ''La comercialización de los productos forestales no madereros: una oportunidad para el manejo comunitario y la valorización del bosque nativo''. In: R. Catalán, P. Wilken, A. Kandzor, D. Tecklin, H. Burschel. Bosques y comunidades del Sur de Chile. Editorial Universitaria, Santiago de Chile 2006, ISBN 956-11-1829-7, S. 253–266.</ref> Der schwedische NaturalistNaturwissenschaftler [[Carl von Linné]] erwähnt in seinem ''Plantae tinctoriae'' sechs Färberflechten.
 
Das [[Baummoos]] (''Pseudevernia furfuracea'') und das [[Eichenmoos]] (''Evernia prunastri'') werden in der Parfümindustrie genutzt.
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Die [[Alpen-Rentierflechte]] (''Cladonia stellaris'') wird schließlich in größeren Mengen aus Skandinavien importiert und findet als Modellbäumchen in Architekturmodellen oder in Kranzschmuck Verwendung.
 
Beim [[Wilde-Mändle-Tanz]] des Alpenraums, der heute noch alle fünf Jahre in [[Oberstdorf]] aufgeführt wird, sind die Darsteller am ganzen Körper mit langen, zottelig herabhängenden Bartflechten, die auf das leinene Gewand aufgenäht sind, geschmückt. Lediglich die Augenpartie bleibt frei. Sie tanzen zu urtümlicher, rhythmischer Musik.
=== Flechten in der Literatur ===
[[Bild:Aspromonte-Flechten.JPG|thumb|Das Wachstum solcher „Baumbärte“ wird besonders durch die hohe Luftfeuchtigkeit in Meernähe begünstigt]]
Ein mit Flechten behangener Baumriese war wohl die Vorlage für die Figur des „Ent“ genannten Baumwesens „[[Figuren aus Mittelerde#Baumbart|Baumbart]]“ in [[J. R. R. Tolkien]]s Roman ''[[Der Herr der Ringe]]''.
 
Eine ungewöhnliche Verwendung einer Flechte ist von den Waorani, einem Volk von Amazonas-Indianern in [[Ecuador|Ost-Ecuador]], bekannt. Die [[Schamane]]n der [[Waorani]] verwendeten für ihre Rituale die Flechte ''[[Dictyonema huaorani]]'', gebildet durch die seltene Symbiose zwischen einem Ständerpilz und einem Cyanobakterium. Nach jüngsten Untersuchungen enthält die Flechte als psychoaktiv wirksame Bestandteile verschiedene [[Tryptamine]], wie [[5-MeO-DMT]], [[5-MeO-NMT]] und [[Psilocybin]].<ref>[http://psychedelicfrontier.com/new-species-lichen-dictyonema-huaorani/ New psychedelic species of lichen discovered: Dictyonema huaorani], ''Psychedelic Frontier'' vom 3. Februar 2015</ref>
 
=== Flechten in der Literatur ===
[[John Wyndham]]s [[Science-Fiction]]-Roman ''Ärger mit der Unsterblichkeit (Trouble with Lichen)'' erwähnt die Gewinnung des altershemmenden Wirkstoffs Antigeron aus Flechten.
 
Naturgemäß werden Flechten auch in Berichten über den Norden Europas an vielen Stellen erwähnt, etwa bei [[Alfred Andersch]] in seinen Reiseerzählungen „Hohe Breitengrade“ und „Nordische Wanderungen“.
 
Von [[Hans Magnus Enzensberger]] stammt das Gedicht ''flechtenkunde'' (aus dem Band ''Blindenschrift'', 1969).<ref>Vgl.: [[Alwin Binder]]: ''Unterrichtsmodell zur Behandlung von Enzensbergers Gedicht „flechtenkunde“ in der 13. Klasse des Gymnasiums.'' In: ''Der Deutschunterricht.'' 23, 1971, Heft 1, S. 100–120.</ref>
 
== Graffiti ==
Durch Flechtenbewuchs dunkel gefärbte Betonwände sind beliebte Basis für [[Reverse Graffiti]], indem von einer Schablone nicht abgedeckte Bereiche durch den Wasserstrahl eines Hochdruckreinigers von Flechten gesäubert werden.
 
== Literatur ==
* [[Volkmar Wirth]], Ulrich Kirschbaum: ''Flechten einfach bestimmen. Ein zuverlässiger Führer zu den häufigsten Arten Mitteleuropas.'' Quelle & Meyer Verlag, Wiebelsheim 2013, ISBN 978-3-494-01538-5.
* Marbach/Kainz: ''BLV Naturführer Moose, Farne und Flechten''. Blv Verlagsgesellschaft, München 2002, ISBN 3-405-16323-4
* Ulrich Kirschbaum, Volkmar Wirth: ''Flechten erkennen – Umwelt bewerten.'' Hessisches Landesamt für Umwelt und Geologie, Wiesbaden 2010, ISBN 978-3-89026-363-2.
* Heribert Schöller: ''Flechten - Geschichte, Biologie, Systematik, Ökologie, Naturschutz und kulturelle Bedeutung''. Schweizerbartsche Verlagsbuchhandlung, Frankfurt am Main 1997, ISBN 3-7829-1151-2
* UlrichVolkmar KirschbaumWirth, VolkmarRuprecht WirthDüll: ''Farbatlas Flechten erkennenund - Luftgüte bestimmenMoose.''. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 19972000, ISBN 3-8001-34863517-15.
* Hans Martin Jahns: ''BLV Bestimmungsbuch: Farne, Moose, Flechten.'' blv, München 1995, ISBN 3-405-13458-7.
* Volkmar Wirth: ''Die Flechten Baden-Württembergs.'' Eugen Ulmer, Stuttgart 1987, ISBN 3-8001-3305-9.
* Volkmar Wirth: ''Flechtenflora''. 2. Aufl., Eugen Ulmer, Stuttgart 1995, ISBN 3-8252-1062-6.
* Volkmar Wirth, Markus Hauck & Matthias Schulz: ''Die Flechten Deutschlands.'' Eugen Ulmer, Stuttgart 2013, ISBN 978-3-8001-5903-1.
* Sylvia Reckel, Manfred Aöschner, Marion Stock: ''Flechten als Anzeiger der Luftqualität.'' In: ''Biologie in unserer Zeit.'' Band 29, Nr. 6, 1999, S. 364–370, {{ISSN|0045-205X}}, [[doi:10.1002/biuz.960290608]].
* Aino Henssen, Hans Martin Jahns: ''Lichenes: Eine Einführung in die Flechtenkunde.'' Thieme, Stuttgart 1974, ISBN 3-13-496601-8.
* Heribert Schöller (Hrsg.): ''Flechten – Geschichte, Biologie, Systematik, Ökologie, Naturschutz, kulturelle Bedeutung'' (=&nbsp;''Kleine Senckenberg-Reihe.'' Nr. 27). Kramer, Frankfurt am Main 1997, ISBN 3-7829-1151-2.
* Jan-Peter Frahm, Felix Schumm & Norbert Stapper: ''Epiphytische Flechten als Umweltgütezeiger – eine Bestimmungshilfe.'' Books on Demand, Norderstedt 2010, ISBN 978-3-8391-5299-7.
* Christoph Scheidegger, Christine Keller, Silvia Stofer: ''Flechten der Schweiz. Vielfalt, Biologie, Naturschutz.'' Haupt-Verlag, Bern 2023, ISBN 978-3-258-08309-4.
 
== Weblinks ==
{{Commons2Commonscat|Category:LichenesLichens|Flechten}}
{{Wiktionary}}
* [http://www.wsl.ch/land/genetics/pdf/Rote_Liste_de.pdf Rote Liste der gefährdeten Arten der Schweiz] (PDF; 775&nbsp;kB)
* [http://liaslight.lias.net/ LIAS light: ein interaktiver Bestimmungsschlüssel der Flechtenarten der Welt] (mehrsprachig)
* [http://www.lichenology.info/ Flechten Belgiens, Luxemburgs und Nordfrankreichs] (englisch)
* [https://lichenportal.org/portal/checklists/checklist.php?clid=1492 World Checklist of Genera of Lichenized Fungi]. The Consortium of Lichen Herbaria.
* [http://www.chilebosque.cl/lich.html Chilenische Flechten] (spanisch)
* [http://www.lichen.com/usetaxon.html Datenbank der Nutzbarkeit von Flechten für den Menschen] (englisch)
* [http://www.palaeo-lichenology.de/ Fossile Flechten]
* [http://wiki.lichenologie.de/index.php?title=Flechtenmikroskopie Flechtenmikroskopie] Online-Zeitschrift {{ISSN|2625-5812}}
* [http://www.fschumm.de/ Bildtafeln von Flechten]
* [https://cnsflora.de/docs/Merkmalsmatrix.pdf Merkmalsmatrix zur Aufnahme von Fundort-Merkmalen von Lichenes (Flechten) und Bryophyta (Moosen)]
 
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== Einzelnachweise ==
* [http://www.wsl.ch/land/genetics/pdf/Rote_Liste_de.pdf Rote Liste der gefährdeten Arten der Schweiz]
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* [http://www.lichen.com Umfassende Website zu Flechten] (auf Englisch)
 
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