[gesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
K typo
das Wilhelm-Ostwald-Denkmal am Wöhrmannschen Garten in Riga
 
(43 dazwischenliegende Versionen von 28 Benutzern werden nicht angezeigt)
Zeile 1:
[[Datei:Wilhelm Ostwald.jpg|mini|Wilhelm Ostwald [[Datei:Signatur Wilhelm Ostwald.JPG|rahmenlos|centre|165px]]]]
'''Friedrich Wilhelm Ostwald''' ({{ruS|Ви́льгельм Фри́дрих О́ствальд}}; * {{JULGREGDATUM|2|9|1853|Link=1}} in [[Riga]], [[Gouvernement Livland]]; † [[4. April]] [[1932]] in [[Leipzig]]) war ein [[Deutsch-Balten|deutsch-baltischerdeutschbaltischer]] [[Chemiker]], [[Philosoph]], [[Soziologe]], Wissenschaftsorganisator, -[[Wissenschaftsforschung|theoretiker]] und [[Wissenschaftsgeschichte|-historiker]]. Er gilt als einer der Begründer der [[Physikalische Chemie|Physikalischen Chemie]] und lehrte an der [[Universität Leipzig]]. Sein Laboratorium und das von ihm 1898 begründete [[Wilhelm-Ostwald-Institut|Wilhelm-Ostwald-Institut für Physikalische und Theoretische Chemie]] der Universität machte er zu einem Zentrum der neuen Wissenschaftsdisziplin.
 
Mit zahlreichen Artikeln, Vorträgen und Publikationen, der Herausgabe von populären Lehrbüchern, der Gründung von Zeitschriften, Buchreihen und Organisationen erreichte er eine herausragend hohe Wirksamkeit als Wissenschaftsorganisator.
 
Um 1895 machte Ostwald den Versuch, den (naturwissenschaftlichen) [[Materialismus]] durch eine sogenannte energetische Weltanschauung zu überwinden.<ref>[[Paul Diepgen]], [[Heinz Goerke]]: ''[[Ludwig Aschoff|Aschoff]]/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin.'' 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 46.</ref>
Ostwald erhielt 1909 den [[Nobelpreis für Chemie]] für seine Arbeiten über die [[Katalyse]] sowie seine Untersuchungen über [[Chemisches Gleichgewicht|Gleichgewichtsverhältnisse]] und [[Kinetik (Chemie)|Reaktionsgeschwindigkeiten]].
 
Ostwald erhielt 1909 den [[Nobelpreis für Chemie]] für seine Arbeiten über die [[Katalyse]] sowie seine Untersuchungen über [[Chemisches Gleichgewicht|Gleichgewichtsverhältnisse]] und [[Kinetik (Chemie)|Reaktionsgeschwindigkeiten]]. Später wurde die von ihm untersuchte [[Ostwald-Reifung]], ein [[Kolloidchemie|kolloidchemischer]] Prozess, nach ihm benannt.
 
== Leben ==
[[Datei:Grimma Großbothen W Ostwald Park 03.jpg|mini|Gesamtaufnahme des Steinbruchs im Park seines [[Wilhelm-Ostwald-Park|Landsitzes „Energie“]] in [[Großbothen]] mit der Grabstätte (links)]]
[[Datei:Wilhelm-Ostwald-Parko - tombo de familio Ostwald.JPG|mini|Grabplatte für Wilhelm Ostwald und seine Familie]]
 
Am 2. September 1853 wurde Friedrich Wilhelm Ostwald als zweiter von drei Söhnen des [[Küfer|Böttchermeisters]] Wilhelm Gottfried Ostwald (1824–1903) und dessen FrauEhefrau Elisabeth, geborene Leuckel (1832–1920), im damals zum [[Russisches Kaiserreich|Russischen Kaiserreich]] gehörenden [[Riga]] geboren (heute [[Lettland]]). Ein Bruder war der [[Forstwissenschaftler]] [[Eugen Ostwald]]. Die Vorfahren stammten aus Hessen und Berlin.<ref>Wilhelm Ostwald: ''Lebenslinien – eine Selbstbiographie. Erster Teil. Riga-Dorpat-Riga 1853–1887.'' Klasing & Co., Berlin 1926, S.&nbsp;1–9</ref>
 
Von 1864 bis 1871 besuchte Ostwald das Realgymnasium in Riga und schloss es mit dem Abitur ab. 1872 begann er ein [[Chemie]]studium an der [[Universität Dorpat]]. Während dieser Zeit war Ostwald in der Studentenverbindung [[Baltische Corporation Fraternitas Rigensis Dorpat|Fraternitas Rigensis]] aktiv. 1875 beendete er sein Studium mit der Kandidatenarbeit und wurde Assistent am physikalischen Institut bei [[Arthur von Oettingen]], später am chemischen Institut bei [[Carl Ernst Heinrich Schmidt|Carl Schmidt]]. 1877 legte Ostwald seine Magisterarbeit zum Thema „Volumchemische Studien über Affinität“ vor.<ref>Wilhelm Ostwald: ''Volumchemische Studien über Affinität.'' Abhandlung zur Erlangung der Würde eines Magisters der Chemie, Laakmanns Buchdruckerei, Dorpat 1877.</ref> Im folgenden Jahr beendete er seine Dissertation „Volumchemische und optisch-chemische Studien.“<ref>Wilhelm Ostwald: ''Volumchemische und optisch-chemische Studien. Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doctors der Chemie.'' Laakmanns Buchdruckerei, Dorpat 1878.</ref> Im Jahr 1880 wurde Ostwald zum [[Privatdozent]]en für physikalische Chemie an der Universität Dorpat ernannt. Er arbeitete ab 1880 auch als Lehrer für Physik, Mathematik und Chemie an einer Mittelschule.<ref>Wilhelm Ostwald: ''Lebenslinien – eine Selbstbiographie. Erster Teil. Riga-Dorpat-Riga 1853–1887.'' Klasing & Co., Berlin 1926, S.&nbsp;73–98.</ref> Im Jahr 1881 war am [[Polytechnikum Riga|Polytechnikum von Riga]] eine Professorenstelle neu zu besetzen. Ostwalds Bewerbung war erfolgreich. In seiner Empfehlung schrieb Carl Schmidt unter anderem: „Ostwald ist mein mehrjähriger Assistent, vorher der des physikalischen Instituts; er wird ein Stern erster Größe, auf dem Grenzgebiete zwischen Chemie und Physik, dessen Bearbeitung beiderseitige gleichgründliche Durchbildung zur unerläßlichen Bedingung tüchtiger Erfolge macht. Ostwald ist außerdem ein sehr geschickter und gewandter Experimentator, Mechaniker und Glasbläser etc., der sich seine Apparate in ingeniösester Weise, trotz dem besten Mechanikus zusammenbläst und arrangiert, eine unermüdliche Arbeitskraft, besitzt eine treffliche mündliche wie schriftliche Darstellungsgabe, klar, concis, streng logisch, auch für weitere Kreise geeignet … C.&nbsp;S.“<ref>S. Roß, K. Hansel (Hrsg.): ''Carl Schmidt und Wilhelm Ostwald in ihren Briefen.'' Großbothen 2000, S.&nbsp;35&nbsp;f. (''Mitteilungen der Wilhelm-Ostwald-Gesellschaft'', Sonderheft&nbsp;9).</ref>
 
Von 1864 bis 1871 besuchte Ostwald das Realgymnasium in Riga und schloss es mit dem Abitur ab. 1872 begann er ein [[Chemie]]studium an der [[Kaiserliche Universität Dorpat|Kaiserlichen Universität Dorpat]]. Während dieser Zeit war Ostwald in der Studentenverbindung [[Baltische Corporation Fraternitas Rigensis Dorpat|Fraternitas Rigensis]] aktiv. 1875 beendete er sein Studium mit der Kandidatenarbeit und wurde Assistent am physikalischen Institut bei [[Arthur von Oettingen]], später am chemischen Institut bei [[Carl Ernst Heinrich Schmidt|Carl Schmidt]]. 1877 legte Ostwald seine Magisterarbeit zum Thema „Volumchemische Studien über Affinität“ vor.<ref>Wilhelm Ostwald: ''Volumchemische Studien über Affinität.'' Abhandlung zur Erlangung der Würde eines Magisters der Chemie, Laakmanns Buchdruckerei, Dorpat 1877.</ref> Im folgenden Jahr beendete er seine Dissertation „Volumchemische und optisch-chemische Studien.“<ref>Wilhelm Ostwald: ''Volumchemische und optisch-chemische Studien. Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doctors der Chemie.'' Laakmanns Buchdruckerei, Dorpat 1878.</ref> Im Jahr 1880 wurde Ostwald zum [[Privatdozent]]en für physikalische Chemie an der Universität Dorpat ernannt. Er arbeitete ab 1880 auch als Lehrer für Physik, Mathematik und Chemie an einer Mittelschule.<ref>Wilhelm Ostwald: ''Lebenslinien – eine Selbstbiographie. Erster Teil. Riga-Dorpat-Riga 1853–1887.'' Klasing & Co., Berlin 1926, S.&nbsp;73–98.</ref> Im Jahr 1881 war am [[Polytechnikum Riga|Polytechnikum von Riga]] eine Professorenstelle neu zu besetzen. Ostwalds Bewerbung war erfolgreich. In seiner Empfehlung schrieb Carl Schmidt unter anderem: „Ostwald ist mein mehrjähriger Assistent, vorher der des physikalischen Instituts; er wird ein Stern erster Größe, auf dem Grenzgebiete zwischen Chemie und Physik, dessen Bearbeitung beiderseitige gleichgründliche Durchbildung zur unerläßlichen Bedingung tüchtiger Erfolge macht. Ostwald ist außerdem ein sehr geschickter und gewandter Experimentator, Mechaniker und Glasbläser etc., der sich seine Apparate in ingeniösester Weise, trotz dem besten Mechanikus zusammenbläst und arrangiert, eine unermüdliche Arbeitskraft, besitzt eine treffliche mündliche wie schriftliche Darstellungsgabe, klar, concis, streng logisch, auch für weitere Kreise geeignet … C.&nbsp;S.“<ref>S. Roß, K. Hansel (Hrsg.): ''Carl Schmidt und Wilhelm Ostwald in ihren Briefen.'' Großbothen 2000, S.&nbsp;35&nbsp;f. (''Mitteilungen der Wilhelm-Ostwald-Gesellschaft'', Sonderheft&nbsp;9).</ref>
Im Jahre 1880 heiratete Wilhelm Ostwald Helene (Nelly) von Reyher; sie hatten fünf Kinder:
[[Datei:Ostwald Tartu.jpg|mini|Gedenkplatte in [[Tartu]]]]
Im Jahre 1880 heiratete Wilhelm Ostwald in Riga [[Hans von Reyher|Helene (Nelly) Mathilde von Reyher]] (1854–1946); sie hatten fünf Kinder:
* Grete Ostwald ist 1882 in Riga geboren († 1960), sie verwaltete den Nachlass ihres Vaters und schrieb ein Buch über ihn.
* [[Wolfgang Ostwald]] ist 1883 in Riga geboren († 1943), er war als Chemiker ebenfalls bekannt.
Zeile 21 ⟶ 23:
* Carl Otto Ostwald ist 1890 in Leipzig geboren († 1958).<ref>Jan-Peter Domschke, Peter Lewandrowski: ''Wilhelm Ostwald – Leben, Wirken und Gesellschaftsauffassungen.'' Dissertation. Karl-Marx-Universität Leipzig, 1977, S.&nbsp;366–368.</ref>
 
Ab 1882 wirkte Ostwald als [[Professor]] für Chemie und [[Lehrstuhl|Ordinarius]] am [[Technische Universität Riga|Polytechnikum Riga]].<ref>[[Jānis Stradiņš]]: ''Wilhelm Ostwalds Rigaer Jahre und die Entstehung der klassischen physikalischen Chemie''. In: ''Acta medico-historica Rigensia'', Neue Folge, Bd. 3 (Bd. 22 der Gesamtreihe) (1997), S. 55–70.</ref> 1883 und 1887 unternahm er Studienreisen durch das deutschsprachige Mitteleuropa. Im Jahre 1884 begegneten sich [[Svante Arrhenius]] und Wilhelm Ostwald in [[Stockholm]] zum ersten Mal und begründeten ihre lebenslange Freundschaft. Noch während der zweiten Reise berief der sächsische Kultusminister 1887 Ostwald auf den Lehrstuhl für physikalische Chemie an der [[Universität Leipzig]]. 1898 konnte er sein neues [[Wilhelm-Ostwald-Institut|Physikalisch-chemisches Institut]] einweihen. 1901 erwarb er ein Grundstück mit einem Sommerhaus in [[Großbothen]]. Im gleichen Jahr kündigte Ostwald eine Vorlesung zur [[Naturphilosophie]] an. Die Veranstaltung musste wegen des großen Zuspruchs in das Auditorium Maximum der Leipziger Universität verlegt werden. 1902 erhielt Ostwald die Ehrenmitgliedschaft des Pharmazeutisch-Naturwissenschaftlichen Vereins, dem er auch nach der Umwandlung zum Corps Vandalia die Treue hielt.<ref>Helmut Otto: Geschichte des Corps Vandalia zu Leipzig, als Manuskript gedruckt, 1976.</ref> 1904 folgte er einer Einladung zum Kongress für Wissenschaft und Kunst nach St.&nbsp;Louis (USA) in die Sektion [[Philosophie]]. Im Jahre 1905 spitzten sich zwischen Ostwald und der philosophischen [[Fakultät (Hochschule)|Fakultät]] einige bereits länger andauernde Konflikte zu. Wie er in seiner Autobiographie schildert, war er mit der lutheranisch geprägten Universitätsleitung und prominenten Vertretern der geisteswissenschaftlichen Fakultäten aneinandergeraten, als er die Weigerung der Universität kritisierte, die Trauerfeier für den Chemiker (und ehemaligen Universitätsrektor) [[Johannes Wislicenus]], der einer Freikirche angehörte, in der Universitätskirche stattfinden zu lassen. Als er dann 1905 beantragte, von Vorlesungen entbunden zu werden um sich mehr der Forschung zu widmen, erhielt er starke Kritik aus den Fakultäten. Ostwald reichte daraufhin sein Entlassungsgesuch ein. Vom Herbst 1905 bis zum Sommer 1906 hielt er an der [[Harvard University]], am [[Massachusetts Institute of Technology|MIT]] und an der [[Columbia-University]] in [[New York City|New York]] Vorlesungen zur physikalischen Chemie und zur Naturphilosophie.<ref>Jan-Peter Domschke, Hansgeorg Hofmann: ''Der Physikochemiker und Nobelpreisträger Wilhelm Ostwald (1853–1932) – Ein Lebensbild''. Sonderheft 23 der Schriftenreihe ''Mitteilungen der Wilhelm-Ostwald-Gesellschaft zu Großbothen e.&nbsp;V.'', 2012, {{ISSN|1433-3910}}, S.&nbsp;19–45.</ref>
[[Datei:1924-12-24 Buch Die Farbschule, Autor Wilhelm Ostwald, Verlag Unesma.jpg|mini|Die Farbschule, Verlag Unesma GmbH Leipzig 1924]]
Nach seiner Rückkehr wurde Ostwald 1906 [[Emeritierung|emeritiert]] und verlegte seinen Wohnsitz in das [[Landsitz Energie|Haus „Energie“]] nach Großbothen, um nun als „freier Forscher“ zu arbeiten. Ab 1912 nutzte der Sohn Wolfgang Ostwald das „Waldhaus“ im Großbothener Grundstück als Sommerwohnung. Im Jahre 1913 gründete Ostwald seinen eigenen [[Verlag]] UNESMA. Nach Beginn des Ersten Weltkriegs waren die internationalen Verbindungen unterbrochen und seine Aktivitäten kamen weitgehend zum Erliegen. Vor allem deshalb wandte er sich [[Farbenlehre|Farbstudien]] zu. Im Jahre 1914 wurde das Haus „Glückauf“ für die Familie des Sohnes Walter Ostwald errichtet. 1916 entstand ein Laborgebäude, das man später als „Werk“ bezeichnete. Erst 1927 erfolgte der Anschluss aller Gebäude an die örtliche Elektroenergieversorgung. Die Selbstbiographie ''Lebenslinien'' von Ostwald erschien 1926 und 1927. Wilhelm Ostwald starb 1932 in einem Leipziger Krankenhaus. Seine Urne ist im Steinbruch des Landsitzes „Energie“, seit 2009 [[Wilhelm-Ostwald-Park]] in Großbothen beigesetzt.<ref>J.-P. Domschke, H. Hofmann: ''Der Physikochemiker und Nobelpreisträger Wilhelm Ostwald (1853–1932) – Ein Lebensbild''. Sonderheft 23 der Schriftenreihe ''Mitteilungen der Wilhelm-Ostwald-Gesellschaft zu Großbothen e.&nbsp;V.'', 2012, {{ISSN|1433-3910}}, S.&nbsp;46–54.</ref>
 
== Wirken in der Chemie ==
 
Wilhelm Ostwald entwickelte zwischen 1875 und 1878 bei Arthur von Oettingen an der Universität Dorpat in seiner Magisterarbeit zum Thema „Volumenchemische Studien über Affinität“ ein Pyknometer zur Dichtebestimmung. Zwischen 1882 und 1887 konstruierte er in Riga einen Thermostaten, einen Rheostaten und ein [[Viskosimeter]]. Wilhelm Ostwald untersuchte in dieser Zeit die Hydrolyse von Methylazetat durch Säureeinfluss mit konduktometrischen Messungen. Zur Bestätigung folgten Leitfähigkeits-Messungen mit verschiedenen Säuren und Salzen. Er ermittelte, je nach Konzentration der Lösung, eine Proportionalitätskonstante, die er Affinitätskonstante nannte. Zwischen 1884 und 1885 publizierte er die Ergebnisse und konnte viele Affinitätskonstanten (K<sub>S</sub>-Werte) für Säuren bzw. Basen und ihre Proportionalität ermitteln. Das Ergebnis ging in das 1888 publizierte [[Ostwaldsches Verdünnungsgesetz|Ostwaldsche Verdünnungsgesetz]].<ref>''Journal für Praktische Chemie.'' 2, 31, 433 (1885).</ref> für Säuren in die Wissenschaft ein. Ostwald konnte an organischen Säuren zeigen, dass nur ein kleiner Anteil der Teilchen dissoziiert. Über die Elektrolyten und die Dissoziation gab es zu dieser Zeit noch keine klaren Vorstellungen. Die allgemeine Ansicht war, dass Ionen nur sehr reaktionsfähige Atome seien. Als Ostwald im Jahre 1884 eine Arbeit des noch unbekannten schwedischen Chemikers [[Svante Arrhenius]] las, reiste er zu ihm nach Uppsala und führte mit ihm gemeinsam Dichtemessungen mit dem Viskosimeter durch. Wilhelm Ostwald schreibt in einer kurzen Notiz: ''„Dem Autor dieser Abhandlungen, die zu dem Bedeutendsten gehören, was auf dem Gebiet der Verwandtschaftslehre publicirt worden ist, kommt nicht nur die Priorität der Publikation, sondern auch die der Idee zu&nbsp;…“''<ref>W.Wilhelm Ostwald: ''„NotizNotiz über das elektrische Leitungsvermögen der Säuren.'' J.&nbsp;f.In: prakt.''[[Journal Chem.für praktische Chemie]]'', Neue Folge, Band 30, (1884), S.&nbsp;93–95.''</ref> Beide begründeten in kollegialer Freundschaft die Theorie der [[Dissoziation (Chemie)|Dissoziation]] und bezogen die Erkenntnisse von Jacobus Henricus van ’t Hoff zum osmotischen Druck mit ein. In dieser Zeit begründete er zusammen mit Svante Arrhenius, [[Jacobus Henricus van ’t Hoff]] und [[Walther Nernst]] die [[physikalische Chemie]]. Ab 1890 trat Wilhelm Ostwald auf internationalen Kongressen vehement für die Dissoziationstheorie ein. Im Jahre 1892 übersetzte und publizierte Wilhelm Ostwald die „Thermodynamischen Studien“ von [[Josiah Willard Gibbs]], wodurch dessen Ideen im deutschsprachigen Raum bekannt wurden ([[Gibbs-Energie]]). Im Ergebnis dieser Studien kam Wilhelm Ostwald 1893 zu der Überzeugung, dass ein [[Perpetuum mobile#Perpetuum mobile zweiter Art|perpetuum mobile zweiter Art]] unmöglich ist. Man könne keine Maschine konstruieren, die verschiedene Energieformen vollständig ineinander umwandelt. Wilhelm Ostwald benutzte ab 1893 die von einem seiner Schüler entwickelte [[Kalomel-Elektrode]] als Normalelektrode für potentiometrische Messungen zur Bestimmung von Potentialdifferenzen von verschiedenen Metallen.<ref>Paul Ferchland: ''Grundriss der reinen und angewandten Elektrochemie.'' Verlag Wilhelm Kapp, 1903, S.&nbsp;182.</ref> Im gleichen Jahr wandte sich Ostwald der Dissoziation von reinem Wasser und der Bestimmung des Ionenproduktes zu.<ref>''Zeitschr. Phys. Chem.'' 11, 521 (1893).</ref> 1897 beschrieb er die [[Ostwald-Reifung]], denn wie ein feines Pulver löslicher sein müsse als ein grobes, müssten kleine Tropfen nach dem [[Gibbs-Thomson-Effekt]] einen größeren Dampfdruck haben als große, denn der Dampfdruck- und Konzentrationsunterschied in einem geschlossenen System gleiche sich aus, deshalb schrumpften die kleinen Kolloide, die großen aber wüchsen weiter. Die Entdeckung dieses Effektes war u.&nbsp;a. für die Produktion von Salben und Emulsionen von Bedeutung. Die von ihm 1897 formulierte und nach ihm benannte [[Ostwaldsche Stufenregel]] kann sowohl auf chemische Reaktionen als auch auf physikalische Vorgänge angewendet werden. Sie besagt, dass bei einer chemischen Reaktion das System nicht von einem energiereichen Zustand unmittelbar in den energetisch günstigsten Zustand übergeht, sondern meist eine oder mehrere Zwischenstufen durchläuft. Zusätzlich gilt oft die Ostwald-Volmer-Regel, nach der bei energetisch ähnlichen Systemen zunächst das mit geringerer Dichte bevorzugt wird. Unter bestimmten Bedingungen werden allerdings die möglichen Zwischenstufen übersprungen.
 
[[Datei:PSM V65 D094 Ostwald and arrhenius.png|mini|Wilhelm Ostwald (links) mit [[Svante Arrhenius]] (1904)]]
Zeile 113 ⟶ 115:
=== Mitwirkung in wissenschaftlichen Organisationen ===
 
Von 1894 bis 1898 war Ostwald Vorsitzender der 1894 mitbegründeten Deutschen Elektrochemischen Gesellschaft<ref>[{{Webarchiv|url=http://www.bunsen.de/wir-ueber-uns/vorstand/erste-vorsitzende-der-gesellschaft/ |wayback=20170904112915 |text=Liste der erste Vorsitzenden der Gesellschaft seit ihrer Gründung im Jahre 1894 auf der Homepage der Deutschen Bunsengesellschaft] }}, abgerufen am 26. Dezember 2017.</ref>. Die Gesellschaft wurde später nach [[Robert Bunsen]] umbenannt und besteht bis heute als [[Deutsche Bunsen-Gesellschaft für Physikalische Chemie]].
In seinem Vortrag „Die wissenschaftliche Elektrochemie der Gegenwart und die technische der Zukunft“ propagierte er den zukünftigen Einsatz von [[Brennstoffzelle]]n<ref name="Ostwald1894T1">{{Literatur |Autor=Wilhelm Ostwald |Titel=Die Wissenschaftliche Elektrochemie der Gegenwart und die Technische der Zukunft |TitelErg=1. Teil |Hrsg=Arthur Wilke, Wilhelm Borchers |Sammelwerk=Zeitschrift für Elektrotechnik und Elektrochemie |Band=1 |Nummer=3 |Verlag=Wilhelm Knapp, Wiley-VCH Verlag |Ort=Halle |Datum=1894-06-15 |ISBN= |DOI=10.1002/bbpc.18940010302 |Seiten=81–84 |Online=http://doi.wiley.com/10.1002/bbpc.18940010302}}</ref><ref name="Ostwald1894T2">{{Literatur |Autor=Wilhelm Ostwald |Titel=Die Wissenschaftliche Elektrochemie der Gegenwart und die Technische der Zukunft |TitelErg=2. Teil |Hrsg= |Sammelwerk=Zeitschrift für Elektrotechnik und Elektrochemie |Band=1 |Nummer=4 |Auflage= |Verlag=Wilhelm Knapp, Wiley-VCH |Ort=Halle |Datum=1894-07-15 |ISBN= |DOI=10.1002/bbpc.18940010403 |Seiten=122–125 |Online=http://doi.wiley.com/10.1002/bbpc.18940010403}}</ref><ref name="Ostwald1894Ges">{{Literatur |Autor=Friedrich Wilhelm Ostwald |Titel=Die wissenschaftliche Elektrochemie der Gegenwart und die technische der Zukunft |TitelErg=Vortrag, gehalten vor der 2. Jahresversammlung des Verbandes der Elektrotechniker Deutschlands am 8. Juni 1894 in Leipzig |Hrsg=Wilhelm Ostwald und J. H . van't Hoff |Sammelwerk=Zeitschrift für Physikalische Chemie, Stöchiometrie und Verwandtschaftslehre |Band=15 |Nummer=4 |Verlag=Wilhelm Engelmann |Ort=Leipzig |Datum=1894 |Sprache=de |Seiten=409–421 |Online=[https://archive.org/stream/zeitschriftfurp05hoffgoog#page/n424/mode/2up online im Internet Archive] |Abruf=2016-11-11}}</ref> und in dem Beitrag „Die Energiequellen der Zukunft“ die Nutzung von Sonnenenergie.<ref>''Energiequellen der Zukunft.'' In: ''Technische Rundschau'', Jg. 36 (1930), Nr. 25 vom 18. Juni, S.&nbsp;226; auch in: ''Forschen und Nutzen: Wilhelm Ostwald zur wissenschaftlichen Arbeit.'' Hrsg. von G. Lotz, Akademie-Verlag, Berlin 1978 (Beiträge zur Forschungstechnologie, Sonderband&nbsp;1), S.&nbsp;206–208; 2., erw. und überarb. Aufl. 1982, S.&nbsp;276–278.</ref>
 
Zeile 166 ⟶ 168:
Bei der 9. Jahresversammlung des [[Deutscher Werkbund|Deutschen Werkbunds]], die vom 6. bis 9. September 1919 in Stuttgart stattfand und die ihre „überragende Bedeutung“ ''([[Schwäbischer Merkur]])'' durch den am Ende durchgeführten „Ersten deutschen Farbentag“ erhielt, stießen die Ostwaldschen Anschauungen, die er in seinem Vortrag „Die Grundlagen der Farbkunde und der Farbkunst“ zusammenfasste, auf Widerspruch. Gegenposition aus der Sicht des kreativen Künstlers bezog hauptsächlich der zweite Hauptredner des „Farbentags“, der Stuttgarter Maler und Hochschullehrer [[Adolf Hölzel]], mit seinem unter dem Titel „Zur Theorie der Farbenlehre“ gehaltenen, wenig später in überarbeiteter Form mit der Überschrift „Einiges über die Farbe in ihrer bildharmonischen Bedeutung und Ausnützung“ in einer Werkbundbroschüre publizierten Vortrag.<ref>Adolf Hölzel: ''Einiges über die Farbe in ihrer bildharmonischen Bedeutung und Ausnützung. Zur Farbe''. Mit einer Einführung von [[Wolfgang Kermer]]. Stuttgart: Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, 1997 (= [[WerkstattReihe]], hrsg. von Wolfgang Kermer; 3).</ref> „Kunst und gelehrte Wissenschaft sind“, so Hölzel, „selbst wenn wir Kunst als Wissenschaft denken, nie dasselbe. Kunst wird als Empfindungssache immer etwas Annäherndes, Beiläufiges bleiben, da ja Empfinden das Exakte von vornherein ausschließt.“ Der Erste Deutsche Lehrer-Farbentag mit etwa 400 Teilnehmern im Jahre 1920 in Dresden erklärte sich dagegen für die Farbnormung von Wilhelm Ostwald, der daraufhin die ''Energie-Werke GmbH, Abteilung Farbenlehre'' in Großbothen zur Herstellung und zum Vertrieb von Lehrmitteln und Farbenerzeugnissen gründete, die bis 1923 bestanden.
 
Wilhelm Ostwald unterstützte auch die Gründung der Werkstelle für Farbkunde in Dresden im Jahre 1920 mit Zweigstellen in Meißen, Reichenbach (Böhmen) und Chemnitz. Ab 1921 gab Wilhelm Ostwald die Zeitschrift ''Die Farbe'' heraus. Während der Farbentage 1921 in München wurde die Farbnormung von Wilhelm Ostwald erneut verworfen und 1923 eine ''Verwahrung'' dagegen verbreitet. Am 5.&nbsp;Mai 1925 verbot der preußische Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung die Benutzung von ''Ostwaldschen Farben'' im Zeichenunterricht der Schulen. Trotz seines Alters erläuterte Ostwald 1926 und 1927 in einem Vortragszyklus am Bauhaus Dessau seine Farbenlehre, sprach auf dem Weltkongress für Reklame 1929 in Berlin und beteiligte sich an der Gestaltung der Werkbund-Ausstellung ''Wohnung und Werkraum'' im Jahr 1929 in Breslau. Zum letzten Mal trat Wilhelm Ostwald öffentlich während der 15. Glastechnischen Tagung im November 1931 in Berlin auf und referierte über die Entwicklung und Nutzung von Durchsichtfarben.<ref>Albrecht Pohlmann: ''Von der Kunst zur Wissenschaft und zurück: Farbenlehre und Ästhetik bei Wilhelm Ostwald (1853–1932).'' Abstract zur Philosophischen Dissertation. Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (Institut für Kunstgeschichte und Archäologien Europas). Halle (Saale) 2010.</ref><ref>J.-P. Domschke, H. Hofmann: ''Der Physikochemiker und Nobelpreisträger Wilhelm Ostwald (1853–1932) – Ein Lebensbild''. Sonderheft 23 der Schriftenreihe ''Mitteilungen der Wilhelm-Ostwald-Gesellschaft zu Großbothen e.&nbsp;V.'', 2012, {{ISSN|1433-3910}}, S.&nbsp;66–75.</ref>
 
== Wissenschaftsorganisation, -theorie und -geschichte – Die Brücke und das Papierformat ==
[[File:Ostwald's Klassiker 231 1930.jpg|thumb|hochkant|Ostwald's Klassiker (1930)]]
Seit seiner Studienzeit in Dorpat befasste sich Wilhelm Ostwald mit der rationellen Gestaltung der geistigen Arbeit nach wissenschaftlichen und effektiven Kriterien. Die zunehmende Differenzierung in den Wissenschaftsdisziplinen und die Funktionsteilung der Wissenschaften erfordern aus der Sicht Wilhelm Ostwalds den ''Wissenschaftsorganisator'', um Energievergeudung zu vermeiden.
 
Er selbst hat als Wissenschaftsorganisator eine hohe Wirksamkeit erreicht, als er wesentlich dazu beitrug, die physikalische Chemie gegen viele Widerstände als neue Wissenschaftsdisziplin zu etablieren, und er befasste sich zunehmend mit der Wissenschaft von der Wissenschaft und mit Wissenschaftsgeschichte, die er z.&nbsp;B. mit der Reihe „Ostwalds Klassiker der exakten Naturwisssenschaften“Naturwissenschaften“ bekanntmachte und in einigen Schriften analysierte.
 
Vornehmlich eigenen Erfahrungen geschuldet war Wilhelm Ostwalds Darstellung des Zusammenhanges von Lebensalter und Produktivität in der Wissenschaft. Er meinte, dass jede große wissenschaftliche Leistung einen tiefgreifenden Abbau des ''Lebenspotentials'' verursache. Im Jahre 1905 stellte Wilhelm Ostwald eine Typisierung von Wissenschaftlern vor. Er unterschied ''Klassiker'' und ''Romantiker''. Die ''Klassiker'' legten großen Wert auf eine weitgehende Vollendung ihres wissenschaftlichen Werkes, ''Romantiker'' seien dagegen gute Lehrer, nur sie könnten eine ''wissenschaftliche Schule'' begründen und aufrechterhalten.<ref>J.-P. Domschke, H. Hofmann: ''Der Physikochemiker und Nobelpreisträger Wilhelm Ostwald (1853–1932) – Ein Lebensbild''. Sonderheft 23 der Schriftenreihe ''Mitteilungen der Wilhelm-Ostwald-Gesellschaft zu Großbothen e.&nbsp;V.'', 2012, {{ISSN|1433-3910}}, S.&nbsp;88–98.</ref>
 
Ostwald befasste sich eingehend mit den Beziehungen zwischen den Wissenschaftsdisziplinen und präsentierte dazu seine „Pyramide der Wissenschaften“, deren Basis  die [[Mathetik]] (Logik, Mengenlehre, Mathematik) bildete, auf der nach oben erst Physik, dann Chemie, Biologie, Medizin, Psychologie, Soziologie, Technik und ganz oben die Ethik mit dem „energetischen Imperativ“ aufbauen. Die Philosophie steht bei ihm über allem und stellt die Einheit her.<ref>Wilhelm Ostwald: ''Die Pyramide der Wissenschaften.'' J. G. Cotta‘ sche Buchhandlung, Stuttgart/Berlin 1929.</ref> Dieses System ist Gegenstand auch neuerer Betrachtungen.<ref>Klaus Mainzer: ''Energie und Katalyse - Wilhelm Ostwalds Naturphilosophie gestern und heute.'' (Wilhelm-Ostwald-Symposium 2004) [{{Webarchiv|url=http://ostwald.bbaw.de/dateien/Energie_und_Katalyse.pdf |wayback=20200704132822 |text=PDF-Datei] }}</ref>
 
Im Jahre 1911 gründeten Wilhelm Ostwald als Vorsitzender und [[Karl Wilhelm Bührer]] und [[Adolf Saager]] die Vereinigung ''[[Die Brücke (Wilhelm Ostwald)|Die Brücke – Internationales Institut zur Organisation der geistigen Arbeit]]'' mit dem Ziel, das gesamte bekannte Wissen zu katalogisieren und zu organisieren. Für eine ''Weltregistratur'' als Generalbibliographie allen bestehenden menschlichen Wissens benutzte man die von [[Melvil Dewey]] in den USA entwickelte ''Decimal Classification''. Die ''Brücke'' propagierte außerdem das ''Weltformat'' für Druckerzeugnisse. Es bildete später die Grundlage für das in der DIN 476 festgelegte [[Papierformat]]. ''Die Brücke'' trat außerdem für die Vereinheitlichung von Maßen und Gewichten, die Einführung eines Weltgeldes auf der Basis von Gold, eine Kalenderreform und die Vereinfachung der deutschen Rechtschreibung ein.
Zeile 182 ⟶ 185:
 
== Weltsprache – Esperanto – Ido ==
Ostwald beherrschte Deutsch, Englisch, Französisch<ref>Edwin E. Slosson: ''Wilhelm Ostwald''. In: ''Große Männer - Studien zur Biologie des Genies.'' Band IV: ''Wilhelm Ostwald - Leitlinien aus seinem Leben zu seinem 60. Geburtstage gesammelt.'' Akademische Verlagsgesellschaft, Leipzig 1913, S. 22.</ref> und ein verständliches, aber nicht sehr gutes Russisch.<ref>Archiv der AdW der UdSSR, f 474, op. 3, Nr. 755. A. W. Speranski, zitiert in: N. I. Rodnyi / Ju. I. Solowjew,: ''Wilhelm Ostwald.'' Serie: Biografien hervorragender Naturwissenschaftler, Techniker und Mediziner, Band 30. BSB, B. G. Teubner Verlagsgesellschaft, Leipzig 1977, S. 173.</ref>.
 
Probleme der internationalen Kommunikation waren ihm geläufig, nicht zuletzt wegen seiner internationalen Schüler- und Mitarbeiterschar. Paul Walden erinnerte sich später: „Das Laboratorium trug einen ganz internationalen Stempel; Söhne Amerikas und Japans, Alt-Englands und Frankreichs, Skandinaviens und Russlands, Italiens und des Balkans ... arbeiteten friedlich nebeneinander...“<ref>Paul Walden: ''Wilhelm Ostwald.'' Verlag von Wilhelm Engelmann, Leipzig 1904.</ref>
 
Systematisch befasste sich Ostwald ab 1901 mit linguistischen Fragen. Im Sommersemester sprach er in seinen Vorlesungen zur Naturphilosophie mit dem Hinweis auf Notenschrift und chemische Formelsprache über die „Frage nach der allgemeinen künstlichen Sprache“ als „ wissenschaftlich-technische Aufgabe“, deren Lösung „der arbeitenden Menschheit“ eine „unabsehbare Entlastung“ bringen wird und verwies auf die infolge der Weltausstellung 1900 in Paris von den französischen Wissenschaftlern [[Louis Couturat]] (1868–1914) und [[Léopold Leau|Leopold Leau]] (1868–1943)  gegründete „Delegation zur Annahme einer internationalen Hilfssprache“.<ref>Wilhelm Ostwald: ''Vorlesungen über Naturphilosophie.'' Veit & Co, Leipzig 1902, S. 37. Zitiert in: Karl Hansel, Fritz Wollenberg (Hrsg.): ''Aus dem Briefwechsel Wilhelm Ostwalds zur Einführung einer 'Weltsprache.'' Sonderheft 6 der Schriftenreihe Mitteilungen der Wilhelm-Ostwald-Gesellschaft zu Großbothen e.&nbsp;V., 1999, ISSN 1433-3910, S. 15.</ref>
 
In regem Gedankenaustausch vor allem mit Couturat,<ref>''Brief Louis Couturat an Wilhelm Ostwald vom 26.10.1901'', (Französisch) NL Ostwald Nr. 499 im Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. In diesem ersten Brief bittet Couturat Ostwald um Mitarbeit in der „Delegation“. Sie korrespondieren bis 1907.</ref>, aber auch mit [[Wilhelm Foerster|Wilhelm Förster]] (1832–1921), [[Adolf Schmidt (Geophysiker)|Adolf Schmidt]] (1860–1944), [[Ludwik Lejzer Zamenhof|Ludwig Zamenhof]] (1859–1917) und anderen<ref>Ulrich Becker/Fritz Wollenberg: ''Eine Sprache für die Wissenschaft.'' Beiträge und Materialien des Interlinguistik-Kolloquiums für Wilhelm Ostwald am 9. November 1996 an der Humboldt-Universität zu Berlin. Interlinguistische Informationen. Mitteilungsblatt der Gesellschaft für Interlinguistik e.&nbsp;V., Beiheft 3. Berlin 1998. ISSN 1432-3567. In diesem Band wird der Briefwechsel Ostwalds zu interlinguistischen Problemen mit etwa 40 Korrespondenzpartnern, geordnet nach den Personen, aufgelistet und beschrieben.</ref><ref>Karl Hansel und Fritz Wollenberg (Hrsg.): ''Aus dem Briefwechsel Wilhelm Ostwalds zur Einführung einer 'Weltsprache.'' Sonderheft 6 der Schriftenreihe Mitteilungen der Wilhelm-Ostwald-Gesellschaft zu Großbothen e.&nbsp;V., 1999 ISSN 1433-3910. In diesem Band wird der Briefwechsel Ostwalds zu interlinguistischen Problemen mit etwa 40 Korrespondenzpartnern, geordnet nach Datum, aufgelistet und beschrieben.</ref> engagierte sich Ostwald öffentlich für die Ziele der „Delegation“, die Idee einer neutralen [[Welthilfssprache]] für die Wissenschaft als weltweiten Standard und bis 1907 für die internationale Plansprache [[Esperanto]], z. B:. 1903 in München vor dem Bayerischen Bezirksverein des Vereins Deutscher Ingenieure, 1906 in Rom auf dem VI. Internationalen Kongress für angewandte Chemie,<ref>''VI. Internationaler Kongreß für angewandte Chemie zu Rom vom 26. April bis 3. Mai 1906''. In: Chemiker-Zeitung, Nr. 35, S. 597–598. Bericht mit der Rede Ostwalds.</ref>, im gleichenselben Jahr in Berlin vor Wissenschafts- und Handelskreisen in der neu eröffneten Handelshochschule<ref>Wilhelm Ostwald: ''Die internationale Hilfssprache und das Esperanto.'' [[Jean Borel (Esperantist)|Möller & Borel]], Berlin 1906.</ref> und 1907 auf dem 2. Deutschen Esperanto-Kongress in Dresden. Dem Thema „Die internationale Hilfssprache“ widmete Ostwald ein 75 Seiten langes Kapitel in seinem Buch ''Die Forderung des Tages'', einer Sammlung seiner Reden und Artikel.<ref>Wilhelm Ostwald: ''Die Forderung des Tages.'' Akademische Verlagsgesellschaft m. b. H., Leipzig 1910, S. 436–511. Die Reden und Artikel Ostwalds zur Welthilfssprache 1903–1907 werden von ihm in einem Nachwort von 1910 kommentiert und ergänzt.</ref>
 
Zwischen 1905 und 1906 führten seine Vorträge zum Esperanto in kurzer Zeit zur Gründung von etwa 100 Esperanto-Clubs in den USA, wo er als erster deutscher Austauschprofessor lehrte (Harvard-Universität).
 
Bis 1907 hatten sich mehr als 300 Gesellschaften und 1000 Wissenschaftler der „Delegation“ angeschlossen, die nun der Tagung der „Assoziation der Akademien“ in Wien die Entscheidung über die zu wählende internationale Sprache antrug. Diese erklärte sich für nicht kompetent, so dass ein Komitee der „Delegation“ gebildet wurde, das unter dem Vorsitz von Ostwald und der Mitwirkung unter anderem der Linguisten [[Jan Ignacy Niecisław Baudouin de Courtenay|Jan Baudouin de Courtenay]] (1845–1929), [[Otto Jespersen]] (1860–1943) und [[Hugo Schuchardt]] (1842–1927) im Oktober 1907 in Paris tagte und sich nach Begutachtung verschiedener Welthilfssprachenprojekte für Esperanto entschied mit einigen Änderungen in Richtung des dem Komitee von [[Louis de Beaufront]] (1855–1935) vorgestellten Reform-Esperanto ([[Ido (Sprache)|Ido]]), dessen Autor, wie spätere Forschungen ergaben, wohl Louis Couturat selbst war.<ref>[[Ivo Lapenna]], [[Ulrich Lins]], Tazio Carlevaro: ''Esperanto en perspektivo.'' Rotterdam 1974, S. 423. Hier wird auf die von Ric Berger 1937 veröffentlichten Forschungsergebnisse verwiesen.</ref>
 
Ostwald fand sich jetzt zwischen Couturat, der Ido als Ganzes durchsetzen wollte und dem Lingva Komitato (Sprachkomitee) der Esperantisten und Zamenhof (1859–1917), die eine Reform des Esperanto ablehnten und auf dem „Fundamento de Esperanto“ als unveränderlicher Sprachbasis bestanden.<ref>Das Fundamento de Esperanto wurde auf dem 1. Esperanto-Weltkongress 1905 in Boulogne-sur-Mer als grundlegende Beschreibung der sprachlichen Struktur des Esperanto beschlossen und gilt bis heute.</ref>
 
Ostwald kritisierte am Esperanto vor allem die diakritischen Zeichen des AlfabetsAlphabets, die er ersetzen wollte sowie Akkusativ und Übereinstimmung von Adjektiv und Substantiv, die er abschaffen wollte. Andererseits kritisierte er am Ido das „romanische Übergewicht“. Er forderte in der Welthilfssprache Eineindeutigkeit (keine Polysemie, keine Homonymie, keine Synonymie), maximale Internationalität und eine phonetische Rechtschreibung.<ref>Detlev Blanke: ''Ostwald, Ido und die Interlinguistik.'' In: Ulrich Becker/Fritz Wollenberg: ''Eine Sprache für die Wissenschaft. Beiträge und Materialien des Interlinguistik-Kolloquiums für Wilhelm Ostwald am 9. November 1996 an der Humboldt-Universität zu Berlin.'' Interlinguistische Informationen. Mitteilungsblatt der Gesellschaft für Interlinguistik e.&nbsp;V., Beiheft 3. Berlin 1998, S. 24 und 27, ISSN 1432-3567.</ref> Er hatte in erster Linie eine Sprache für die Wissenschaft im Blick.
 
Die Vermittlung zwischen „Delegation“ und Esperanto-Bewegung gelang Ostwald nicht. Er trat im Februar 1908 aus der Delegation aus, enttäuscht von beiden Seiten, zog sich für einige Zeit vollkommen aus der Sache zurück, engagierte sich dann aber bis zum Lebensende konsequent für die Verbreitung der internationalen Hilfssprache Ido zur Erleichterung des wissenschaftlichen Informationsaustausches.<ref>Fritz Wollenberg: ''Der Briefwechsel Wilhelm Ostwalds.'' In: Mitteilungen der Wilhelm-Ostwald-Gesellschaft zu Großbothen e.&nbsp;V. 2. Jahrgang – Heft 2/1997, S. 25–41, ISSN 1433-3910.</ref>
 
1909 wurde die Ido-Organisation Uniono dil Amiki di la Linguo Internaciona (Verband der Freunde der Internationalen Sprache) gegründet mit Ostwald als Ehrenpräsidenten, Leopold von Pfaundler (1839–1920) als Präsident des Leitenden Komitees und Otto Jespersen als Präsident der Ido-Akademie, in der Ostwald mitwirkte, und es erschien die Schrift „Weltsprache und Wissenschaft“ mit Beiträgen von Couturat, Jespersen, Lorenz (1863–1929), Ostwald und Pfaundler.<ref>Louis Couturat, Otto Jespersen, Richard Lorenz, Wilhelm Ostwald, Leopold Pfaundler: ''Weltsprache und Wissenschaft. Gedanken über die Einführung der Internationalen Hilfssprache in die Wissenschaft.'' Verlag von Gustav Fischer, Jena 1909.</ref> Ostwald unterstützte die Herausgabe der technischen Ido-Wörterbücher von [[Alfred Schlomann|Alfred Schlohmann]] (1878–1952)<ref>Alfred Schlohmann: ''Ilustrita Teknikal vortolibri in sis lingui Germana-Angla-Franca-Rusa-Italiana-Hispana.'' Tomo I. Mashin Elementi. Ordinara Utensili. Tradukita en Ido da A. Wormser. Oldenbourg, München/Berlin 1910, Vorwort von Ostwald, S. III-IV.</ref> und stellte in der Zeitschrift für Physikalische Chemie das Ido, seinen Nutzen für die Chemie und eine chemische Nomenklatur auf dessen Grundlage vor, die er auch in der Ido-Zeitschrift „Progreso“ publizierte, deren Erscheinen auf Ostwalds Initiative zurückgeht.<ref>Wilhelm Ostwald: ''Chemische Weltliteratur.'' In: Zeitschrift für Physikalische Chemie, Stöchiometrie und Verwandtschaftslehre, 76, Nr. 1/1931, S. 1–20.</ref>
Zeile 206 ⟶ 209:
Die Kritik Ostwalds und anderer am Esperanto und der Esperanto-Bewegung trug dazu bei, dass sich die [[Esperantologie|Philologie des Esperanto]] in der Auseinandersetzung mit Ido entwickelte, aus dem schwerfällig arbeitenden Lingva Komitato 1908 die [[Akademio de Esperanto|Esperanto-Akademie]] entstand und im gleichen Jahr der [[Universala Esperanto-Asocio|Esperanto-Weltbund]] (UEA) gegründet wurde.<ref>René de Saussure (= Antido): ''La logika bazo de vortfarado en Esperanto.'' Propono al la Akademio Esperantista okaze de la Sesa Universala Kongreso de Esperanto en Washington 1910, Universala Esperantista Librejo, Genf 1910.</ref>
 
1915 schlug Wilhelm Ostwald [[Weltdeutsch]], ein vereinfachtes Deutsch, als Weltsprache vor,<ref>J.-P. Domschke, H. Hofmann: ''Der Physikochemiker und Nobelpreisträger Wilhelm Ostwald (1853–1932) – Ein Lebensbild''. Sonderheft 23 der Schriftenreihe ''Mitteilungen der Wilhelm-Ostwald-Gesellschaft zu Großbothen e.&nbsp;V.'', 2012, {{ISSN|1433-3910}}, S.&nbsp;50–51.</ref><ref>Wilhelm Ostwald: ''Weltdeutsch.'' In: ''Monistische Sontagspredigten'' Nr. 36 (1915), S. 545–558.</ref> eine nationalistische Episode während des Ersten Weltkrieges, auf die er nicht zurückkam.
 
== Politisches Engagement ==
 
Von 1911 bis 1915 war Wilhelm Ostwald Vorsitzender des im Jahre 1906 von [[Ernst Haeckel]] gegründeten [[Deutscher Monistenbund|Deutschen Monistenbundes]] und stand in dieser Zeit auch mit anderen Organisationen der gleichen Denkrichtung in engerem Kontakt. Die Organisation setzte sich für eine naturwissenschaftlich begründete, von Darwin abgeleitete, aber naturphilosophisch gerahmte Weltanschauung ein, die sie als [[Monismus]] bezeichnete und für einige Jahre große Beachtung in der Öffentlichkeit genoss.<ref>{{Literatur |Autor=Andreas W. Daum |Titel=Wissenschaftspopularisierung im 19. Jahrhundert. Bürgerliche Kultur, naturwissenschaftliche Bildung und die deutsche Öffentlichkeit 1848–1914 |Hrsg= |Sammelwerk= |Band= |Nummer= |Auflage= |Verlag=Oldenbourg |Ort=München |Datum=2002 |ISBN= |Seiten=194, 216-220, 230-232, 505}}</ref> Ostwald propagierte den [[Energetismus]] und forderte unter anderem die Abschaffung der [[Staatskirche]], er lehnte die Eingriffe der Kirchen in die Forschungs- und Lehrfreiheit ab und wandte sich gegen den Zwang zur Teilnahme am konfessionellen Religionsunterricht. Den Höhepunkt seiner Präsidentschaft bildete die Organisation des I.&nbsp;Internationalen Monistenkongresses im September 1911 in Hamburg.<ref>J.-P. Domschke, H. Hofmann: ''Der Physikochemiker und Nobelpreisträger Wilhelm Ostwald (1853–1932) – Ein Lebensbild''. Sonderheft 23 der Schriftenreihe ''Mitteilungen der Wilhelm-Ostwald-Gesellschaft zu Großbothen e.&nbsp;V.'', 2012, {{ISSN|1433-3910}}, S.&nbsp;51–52.</ref> Er unterstützte 1912 und 1913 das Wirken des [[Komitee Konfessionslos]], das den Kirchenaustritt propagierte.
 
Bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs setzte sich Ostwald für die ''Erhaltung des Friedens'' ein, weil der Krieg eine riesige Energieverschwendung sei. Im Januar 1910 lernte Ostwald die Mitbegründerin der Deutschen Friedensgesellschaft, [[Bertha von Suttner]], in Wien kennen. Bereits im August 1910 nahm er am 18. Weltfriedenskongress in Stockholm teil und hielt einen Vortrag zum Thema ''Kultur und Frieden''. In der Folgezeit sprach Wilhelm Ostwald in den Ortsgruppen Frankfurt am Main, Berlin, Mannheim und Stuttgart. Während seiner Aufenthalte in Wien besuchte er mehrmals Bertha von Suttner und vertiefte die Kontakte mit Mitgliedern der Friedensgesellschaft.<ref name="Lebenslinien329-335">W. Ostwald: ''Lebenslinien. Eine Selbstbiographie. Dritter Teil. Großbothen und die Welt 1905–1927.'' Klasing & Co., Berlin 1927, S.&nbsp;329–335</ref> Zu Beginn des Ersten Weltkriegs verteidigte Ostwald aber, wie die meisten deutschen Wissenschaftler, die deutsche Beteiligung am Krieg. Er gehörte zu den 93 Unterzeichnern des [[Manifest der 93|Aufrufs an die Kulturwelt]].<ref name="Lebenslinien329-335" />
 
Bereits vor der Jahrhundertwende äußerte sich Ostwald häufiger zu den Defiziten der Schulbildung in Deutschland und gehörte zu den Anhängern der bürgerlichen ''Schulreformbewegung''. Von den Schülern werde in erster Linie Disziplin verlangt. Der neunjährige Gymnasialunterricht würde die begabten Jugendlichen in einem Zustand geistiger Gefangenschaft halten. Ostwald machte auch Front gegen das klassische humanistische Lateingymnasium, es berücksichtige den Fortschritt der Naturwissenschaften nicht. Um den wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt zu gewährleisten, müssten begabte Menschen entdeckt und gefördert werden, denn „Genie“ sei nicht erblich. Stattdessen werde eine mehr oder minder sture Wissensaneignung verlangt. Der überforderte Lehrer verstünde sich als eine „Art pädagogischer Unteroffizier im Klassenraum“. 1909 hielt Wilhelm Ostwald einen vielbeachteten programmatischen Vortrag ''Wider das Schulelend – Ein Notruf''. Im Jahre 1920Er nahm er an der [[Reichsschulkonferenz 1920]] teil.<ref>W. Ostwald: ''Lebenslinien. Eine Selbstbiographie. Dritter Teil. Großbothen und die Welt 1905–1927''. Klasing & Co, Berlin 1927, S.&nbsp;133–137.</ref>
 
== Ehrungen (Auswahl) ==
[[Datei:Nobel Prize certificate for Wilhelm Ostwald 1909 - Chemistry.jpg|mini|Nobelpreis-Urkunde für Wilhelm Ostwald 1909 – Chemie]]
[[Datei:OstwaldDenkmalRiga.jpg|mini|Wilhelm-Ostwald-Denkmal am [[Wöhrmannscher Garten|Wöhrmannschen Garten]] in Riga]]
* Nobelpreis für Chemie 1909
* Mitglied der Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften (Vorgängerorganisation der [[Sächsische Akademie der Wissenschaften|Sächsischen Akademie der Wissenschaften]])
* Mitglied der [[Königlich Niederländische Akademie der Wissenschaften|Königlich Niederländischen Akademie der Wissenschaften]] (1904)
* Mitglied der [[Ungarische Akademie der Wissenschaften|Ungarischen Akademie der Wissenschaften]]
* Mitglied der [[American Academy of Arts and Sciences]] (1905)
Zeile 239 ⟶ 242:
* Benennung des Institutes für Physikalische und Theoretische Chemie an der Universität Leipzig als [[Wilhelm-Ostwald-Institut]] zur 100-Jahrfeier der Gründung am 8. Januar 1998.<ref>''Pro und contra Wilhelm Ostwald.'' UNIVERSITÄT LEIPZIG: Mitteilungen und Berichte für die Angehörigen der Universität Leipzig. Heft 1/98, S. 27.</ref>
* Würdigung mit einer Gedenktafel an seinem Haus in Großbothen im Rahmen des Programmes „[[Historische Stätten der Chemie]]“ durch die [[Gesellschaft Deutscher Chemiker]] 2005.
* In Siegburg-Wolsdorf ist die „Wilhelm-Ostwald-Straße“ nach ihm benannt.
* In Berlin ist am [[Bezirk Treptow-Köpenick#WissenschaftsstandortTechnologiestandort|Wissenschaftsstandort Adlershof]] die „Wilhelm-Ostwald-Straße“ nach ihm benannt.<ref>{{LuiseLexStr|art=a|bez=15|id=W809|kaupert=Wilhelm-Ostwald-Strasse-12489-Berlin|name=Wilhelm-Ostwald-Straße}}</ref>
* Die „Wilhelm-Ostwald-Straße“ in der Bundesstadt Bonn trägt seinen Namen.
* Ein [[Ostwald (Mondkrater)|Mondkrater]] auf der Position 10.24° Nord 121.54° Ost wurde 1970 nach ihm benannt.
Zeile 253 ⟶ 257:
 
== Der Nachlass ==
Im Archiv der [[Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften|Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften]] (Archiv der BBAW) in Berlin, Jägerstraße 22 befinden sich im Bestand '''NL W. Ostwald''' 24 laufende Meter (lfm) Akten, die durch 9 Findbücher erschlossen sind. Dazu gehören: Persönliche Unterlagen, Manuskripte, Arbeitsmaterialien, Unterlagen über politische Betätigung, geschäftliche Unterlagen, Korrespondenz, Unterlagen über Ostwalds Mitwirkung in verschiedenen Organisationen, Fotosammlung, Aufzeichnungen von Grete Ostwald. über Wilhelm Ostwald, Druckschriftensammlung und die Teilnachlässe: Grete Ostwald, [[Eugen Ristenpart]], Gerhard Streller, Paul Krais und Hans Hinterreiter.<ref>[https://archiv.bbaw.de/nachlaesse/nachlaesse/ostwald-wilhelm Archiv der BBAW]</ref><ref>Fritz Wollenberg: ''Plansprachen im Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.'' In: Plansprachliche  Bibliotheken und Archive – Beiträge der 17. Jahrestagung der Gesellschaft für Interlinguistik e. V., 23.–25. November 2007 in Berlin. Interlinguistische Informationen, Beiheft 15, Detlev Blanke (Hrsg.), Berlin 2008, S. 45–56.</ref>
 
In 8 Kopierbüchern zu je 500 Seiten sind Briefe Ostwalds aus den Jahren 1890–1913 als Kopien erhalten. Der wissenschaftliche Assistent im Wilhelm-Ostwald-Archiv Hans-Günther Körber schätzte 1969 den Bestand an Briefen und Briefkopien auf 60 000 und die Zahl der Korrespondenzpartner auf 5500.<ref>Hans-Günther Körber: ''Aus dem wissenschaftlichen Briefwechsel Wilhelm Ostwalds.'' II. Teil, Akademieververlag, Berlin 1969.</ref>
Zeile 265 ⟶ 269:
Das WOA, von Grete Ostwald (1882–1960) 1936 gegründet, wurde 1960 dem Zentralen Archiv der AdW als Außenstelle angegliedert, die Wilhelm-Ostwald-Gedenkstätte, 1974 eingerichtet, ab 1984 vom Institut für Biotechnologie der AdW betreut. Am 1. Januar 1988 übernahm der VEB Chemieanlagenbaukombinat Leipzig-Grimma das Gelände.<ref>Beate Bahnert: ''Der Gigant auf dem Berg''. In: Leipziger Blätter, Heft 14, Frühjahr 1989, Rat des Bezirkes Leipzig, Abteilung Kultur (Hrsg.), S. 40–46. Beate Bahnert war wissenschaftliche Mitarbeiterin im Wilhelm-Ostwald-Archiv.</ref> 1994 übernahm der sächsische Staat rückwirkend ab 1990 Gelände und Häuser. Für das Museum/Archiv war jetzt das Ministerium für Wissenschaft und Kunst zuständig. Finanzen stellte der Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB) zur Verfügung.<ref>Ulf Messow und Ulrike Köckritz: ''[http://wilhelm-ostwald.de/joomla/images/verein/Dokumentation_2009.pdf Dokumentation und Bemerkungen zur Wilhelm-Ostwald-Gedenkstätte zu Großbothen]'' </ref>
 
Der gemeinnützige Verein „Freunde und Förderer der Wilhelm-Ostwald-Gedenkstätte ‚Energie’ Großbothen“, 1995 umbenannt in Wilhelm-Ostwald-Gesellschaft zu Großbothen e. V. (WOG), kümmert sich seit seiner Gründung 1990 um Erhaltung, Pflege und Nutzung des Nachlasses Ostwalds. Große Verdienste darum erwarben sich auch die Nachkommen Ostwalds, die nach 1953 ein Wohnrecht behielten, insbesondere die Tochter Ostwalds Grete Ostwald, der Sohn Carl-Otto Ostwald, die Enkelin Ostwalds Margarete (Gretel) Brauer (1918–2008), ihre Tochter Anna-Elisabeth Brauer und deren Mann Karl Hansel (1942–2006). Dieser kümmerte sich als Initiator und Geschäftsführer der WOG um die Sanierung des Landsitzes und trieb als Redakteur und Herausgeber der Schriftenreihe ''Mitteilungen der Wilhelm-Ostwald-Gesellschaft'' von 1996 bis 2006 die Erschließung und Veröffentlichung des wissenschaftlichen Nachlasses voran;<ref>[https://www.wilhelm-ostwald.de/joomla/index.php/de/mitteilungen?start=60 Schriftenreihe Wilhelm-Ostwald-Gesellschaft e.&nbsp;V. Mitteilungen]<br /></ref> er war weiterhin um die Fortführung der seit 1975 laufenden Großbothener Gespräche bemüht.<ref>Ulrich Pofah: ''Dr. Ing. Karl Hansel.'' In: Mitteilungen der Wilhelm-Ostwald-Gesellschaft zu Großbothen e.&nbsp;V., 11. Jg. 2006, Heft 2, S. 52, ISSN 1433-3910.</ref>
 
== Erinnerungsveranstaltungen ==
'''1953'''
 
Feier und Ehrung Wilhelm Ostwalds anlässlich seines 100. Geburtstages in Großbothen und  im [[Wilhelm-Ostwald-Institut|Physikalisch-Chemischen Institut (PCI)]] der Universität Leipzig
 
Eröffnung: Institutsdirektor  [[Herbert Staude]], Festvortrag: [[Rudolph Zaunick]] (Halle).
 
'''1978'''
 
Festkolloquium  der Sektion  Chemie  und der Chemischen  Gesellschaft  der DDR  aus  Anlass des  125.  Geburtstages Ostwalds am 12./13.  September im ''PCI''.
 
Vortragende:  G. K.  Boreskov  (Nowosibirsk),  I. Haber (Krakow),  K.  Schwabe (Meinsberg),  H. Gerischer (Berlin-Dahlem), G. Kelbg (Rostock), I.  Stradins (Riga), L. Rathmann (Leipzig).<ref>Zum  125.  Geburtstag von Wilhelm Ostwald. Wissenschaftliche Beiträge, Leipzig 1980.</ref>
 
'''1982'''
 
27. Berliner Wissenschaftshistorisches Kolloquium aus Anlass des 50. Todestages von Wilhelm Ostwald am 6.4. April 1982 zum Thema: Probleme der wissenschaftlichen Kommunikation um die Wende vom 19./20. Jahrhundert.
 
Vorträge: [[Hubert Laitko]] (AdW der DDR, Institut für Theorie, Geschichte und Organisation der Wissenschaft, Berlin): Probleme der wissenschaftlichen Kommunikation um die Jahrhundertwende. / Luboš Novy (AdW der ČSSR, Institut für Tschechoslowakische und Weltgeschichte, Prag): Zu einigen konzeptionellen Problemen der Analyse der Entwicklung der wissenschaftlichen Kommunikation. / Regina Zott (AdW der DDR, Institut für Theorie, Geschichte und Organisation der Wissenschaft, Berlin): Wilhelm Ostwald – Theoretiker und Praktiker wissenschaftlicher Kommunikation. / Wolfgang Liebscher (AdW der DDR, Zentralinstitut für Organische Chemie, Berlin): Die Nomenklatur chemischer Elemente und Verbindungen und ihre Bedeutung für die wissenschaftliche Kommunikation. / Wolfgang Göbel (AdW der DDR, Institut für Technologie der Fasern, Dresden): August Kekulé als wissenschaftlicher Kommunikator: Der internationale Chemiker-Kongress in Karlsruhe 1860 – Ausgangspunkt des Siegeszuges der Valenztheorie. / Uwe Niedersen (Humboldt-Universität zu Berlin): Ostwald und das Entstehen und die Kommunikation der Idee von der Zeitgerichtetheit des natürlichen Geschehens. / Gretel Brauer (Ostwald-Gedenkstätte Großbothen, Enkelin Ostwalds): Einige Bemerkungen zum Verhältnis von Interessenvielfalt und wissenschaftlicher Produktivität W. Ostwalds.<ref>Hubert Laitko und Regina Zott: ''Probleme der wissenschaftlichen Kommunikation um die Wende vom 19./20. Jahrhundert.'' Beiträge des 27. Berliner Wissenschaftshistorischen Kolloquiums aus Anlass des 50. Todestages von Wilhelm Ostwald – 6.4.1982, Berlin. Akademie der Wissenschaften der DDR. Institut für Theorie, Geschichte und Organisation der Wissenschaft, Berliner Wissenschaftshistorische Kolloquien VI, Heft 28, Berlin 1982, gedruckt als Manuskript.</ref>
Zeile 292 ⟶ 296:
Anlass war der Vortrag Ostwalds „Die internationale Hilfssprache und das Esperanto“, gehalten 1906 in der im selben Gebäude Spandauer Str. neu eröffneten Handels-Hochschule Berlin.
 
Vorträge: [[Bengt-Arne Wickström]] (Humboldt-Universität): Eröffnungsrede / Ralf Dyck (Oberstufenzentrum für Farbtechnik und Raumgestaltung Berlin-Neukölln): Wilhelm Ostwald – sein Leben und seine wissenschaftlichen Leistungen. / Detlev Blanke (Gesellschaft für Interlinguistik): Wilhelm Ostwald, Ido und die Interlinguistik. / Fritz Wollenberg (Esperanto-Liga Berlin): Der Briefwechsel Wilhelm Ostwald zu interlinguistischen Problemen. / Wolfgang Liebscher (Gesellschaft Deutscher Chemiker): Nomenklatur und Terminologie der Chemie unter dem Aspekt des Wirkens von Wilhelm Ostwald.<ref>Ulrich Becker/Fritz Wollenberg: ''Eine Sprache für die Wissenschaft.'' Beiträge und Materialien des Interlinguistik-Kolloquiums für Wilhelm Ostwald am 9. November 1996 an der Humboldt-Universität zu Berlin. Interlinguistische Informationen. Mitteilungsblatt der Gesellschaft für Interlinguistik e.&nbsp;V., Beiheft 3. Berlin 1998. ISSN 1432-3567.</ref><ref>Fritz Wollenberg: ''Interlingvistika Memorkolokvo por Wilhelm Ostwald en Berlin.'' In: Esperanto – Sprache und Kultur in Berlin, Jubiläumsbuch 1903–2003, Esperanto-Liga Berlin (Hrsg.), Mondial, New York - Berlin 2006, S. 203–215, Esperanto mit Resümee in Deutsch - ISBN 978-1-59569-043-2.</ref><ref>Wilhelm Ostwald: ''Die internationale Hilfssprache und das Esperanto''. Möller & Borel, Berlin 1906.</ref>
 
'''1998'''
 
Festkolloquium zum 100-jährigen Jubiläum der Einweihung  des  [[Wilhelm-Ostwald-Institut|Physikalisch-Chemischen  Instituts]] an  der  Universität Leipzig am 9.–11. Januar.
 
Vortragende: R. Szargan, H. C. Papp, H. Baumgärtel, K. Krause, G. Ertl, M. Winnewisser, J. Schwuger, W.  Fratzscher, W.  Lorenz/A. Meisel/K.  Quitzsch, Habili-tanden: K. Möhle/K.-H. Hallmeier/G. Wittstock, Großbothen: R. Schmidt, M. Brauer, W. Höflechner.
 
'''2004'''
Zeile 304 ⟶ 308:
Wilhelm-Ostwald-Symposium der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, unterstützt durch die Estnische Akademie der Wissenschaften und die Lettische Akademie der Wissenschaften am 26. und 27. November 2004 in Berlin zu interdisziplinären und internationalen Aspekten bei Ostwald.
 
Moderation: [[Eberhard Knobloch]], Berlin und [[Wolfgang Fratzscher]], Halle. Vorträge: [[Ortrun Riha]], Leipzig: Kind seiner Zeit: Ostwald aus wissenschaftshistorischer Perspektive / Erki Tammiksaar, [[Tartu]]: Wilhelm Ostwald und Tartu / [[Klaus Mainzer]], Augsburg: Katalyse und Energie – Wilhelm Ostwalds Naturphilosophie gestern und heute / Wolfgang Fratzscher, Halle: Technische Energetik oder Allgemeine Energietechnik / [[Jan Koenderink]], Utrecht: Ostwald and the Theory of Colors / Frank-Michael Matysik, Leipzig: Physikalische Chemie und Elektrochemie: Ostwalds Meilensteine und Akzente / Regina Zott, Berlin: Bewirtschaftung des Geistes – Wilhelm Ostwald über Lernen, Studieren und Reformieren.<ref>Wilhelm-Ostwald-Symposium 2004: [httphttps://ostwald.bbaw.de/programmfileadmin/Webdateien/Dateien/arbeitsbericht_2004.pdf ProgrammArbeitsbericht.] Abgerufen am 14. Februar 2023.</ref>
 
== Literatur ==
* {{NDB|19|630|631|Ostwald, Wilhelm|Hans-Georg Bartel|11859057X}}
* Jan-Peter Domschke, Hansgeorg Hofmann: ''Der Physikochemiker und Nobelpreisträger Wilhelm Ostwald (1853–1932) – Ein Lebensbild''. Sonderheft 23 der Schriftenreihe ''Mitteilungen der Wilhelm-Ostwald-Gesellschaft zu Großbothen e.&nbsp;V.'', 2012, {{ISSN|1433-3910}}.
* Carl Gerhard Spilcke-Liss: ''Der Wirkungskreis von Wilhelm Ostwalds Leipziger Schule der physikalischen Chemie''. 313 S. Freiberg 2009. ISBN 978-3-936980-31-8
* Jan-Peter Domschke, Peter Lewandrowski: ''Wilhelm Ostwald – Leben, Wirken und Gesellschaftsauffassungen''. Dissertation. Karl-Marx-Universität Leipzig, 1977.
Zeile 347 ⟶ 351:
* [http://www.tu-harburg.de/b/hapke/ostwklas.html Porträt TU Harburg]
* [http://electroneubio.secyt.gov.ar/Jose_Ingenieros'_Biological_Psychology.pdf Einführung von W. Ostwald zu José Ingenieros’: ''Prinzipien der Biologischen Psychologie''.] (PDF; 994&nbsp;kB) Felix Meiner, Leipzig 1918, 1922
* {{Academictree|chemistry|5484}}
* [http://www.genealogy-theochem.de/view.php?id=1457 Wilhelm Ostwald] im [[Theoretical Chemistry Genealogy Project]]
 
Die Lebenslinien sind bei [[Zeno.org]]: [http://www.zeno.org/Naturwissenschaften/M/Ostwald,+Wilhelm Wilhelm Ostwald Lebenslinien. Eine Selbstbiografie] zugänglich.
Zeile 368 ⟶ 374:
[[Kategorie:Hochschullehrer (Universität Leipzig)]]
[[Kategorie:Hochschullehrer (Massachusetts Institute of Technology)]]
[[Kategorie:Hochschullehrer (Kaiserliche Universität TartuDorpat)]]
[[Kategorie:Hochschullehrer (Technische Universität Riga)]]
[[Kategorie:Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften]]
Zeile 378 ⟶ 384:
[[Kategorie:Mitglied der American Philosophical Society]]
[[Kategorie:Korrespondierendes Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften]]
[[Kategorie:Mitglied der Niedersächsischen Akademie der Wissenschaften zu Göttingen]]
[[Kategorie:Mitglied der Royal Society of Edinburgh]]
[[Kategorie:Mitglied der Accademia delle Scienze di Torino]]
[[Kategorie:Mitglied der Königlich Dänischen Akademie der Wissenschaften]]
[[Kategorie:Person als Namensgeber für einen Mondkrater]]
[[Kategorie:Ehrenmitglied des Physikalischen Vereins]]
Zeile 404 ⟶ 411:
[[Kategorie:Gestorben 1932]]
[[Kategorie:Mann]]
[[Kategorie:Ehrenmitglied der Deutschen Bunsen-Gesellschaft]]
 
{{Personendaten