Als '''Ziffer''' wird hier wie in der Mathematik ein Zeichen verstanden, mit dem einzeln oder im Verbund aus mehreren Ziffern eine Zahl dargestellt wird.<ref>[https://www.dwds.de/wb/Ziffer Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache: Ziffer]. Abgerufen am 22. Oktober 2022.</ref> Sie ist die kleinste Untergliederung, aus der das Zahlzeichen einer Zahl zusammengesetzt wird (abgesehen von Zusatzzeichen wie Komma).
Jeder Ziffer wird ein '''Ziffernwert''' zugeordnet.<ref>Karl-Heinz Kompenhans: ''Wirtschaftsmathematik mit Kleinrechnern''. Gabler, 1978, S. 116.</ref><ref>Günter Kemnitz: ''Technische Informatik: Band 2''. Springer, 2011, S. 156.</ref> Er ergibt sich in einem [[Stellenwertsystem]] aus einem Abzählvorgang, in dem der Wert einer jeden Ziffer in der konventionellen Reihenfolge um jeweils eine Eins erhöht wird; siehe auch [[Stellenwertsystem#Ziffernvorrat]]. Dabei ist zu beachten, dass die Anfangsziffer vor dem ersten Zählschritt eine [[Null]] ist. Ihr Wert entspricht keiner [[Anschauung]] und bedeutet so etwas wie „leer“,<ref>[https://woerterbuchnetz.de/?sigle=DWB&lemma=Ziffer#0 Deutsches Wörterbuch von ''Jacob Grimm'' und ''Wilhelm Grimm'', digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/21], abgerufen am 27. Oktober 2022.</ref> „nichts“ oder „ohne Wert“. Im Dezimalsystem gibt es keine höherwertige Ziffer als die 9 mit dem Wert neun. – InHingegen werden in verschiedenen [[Additionssystem]]en werden Ziffernwerte hingegen in größeren Sprüngen auf die Ziffern verteilt. So ist in der [[Römische Zahlschrift|römischen Zahlschrift]] in der heute üblichen Form die höchstwertige Ziffer das M mit dem Wert tausend.
Jedem Zahlzeichen wird ein '''Zahlenwert''' zugeordnet.<ref>[https://www.dwds.de/wb/Zahlenwert Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache: Zahlenwert]. Abgerufen am 31. Oktober 2022.</ref> Die unterschiedlichen Zahlzeichen „12“ im Dezimalsystem, „1100“ im Dualsystem und „XII“ im römischen System stehen alle für denselben Wert wie in den deutschen Wörtern „zwölf“ und „ein Dutzend“.
== Geschichte ==
Das wohl älteste und einfachste Zahlzeichen ist eine Folge von parallelen Strichen jeweils mit dem Ziffernwert eins, wie es als Strichliste bis in die Gegenwart verwendet wird. Diese Zahlzeichen eignen sich gut für das Zählen im Bereich kleiner natürlicher Zahlen.
[[Datei:Indian numerals 100AD.svg|mini|Brahmi-Ziffern]]
[[Datei:Sanskrit Arabic numerals.jpg|mini|Oben [[Devanagari]], unten [[Arabisches Alphabet#Arabische Ziffern|arabisch]]]]
Die heute üblichen Ziffern werden als [[Arabische Zahlschrift|arabisch]] bezeichnet. Die Form der einzelnen Zeichen unterscheidet sich ganz erheblich von denen, die in der arabischen Schrift gebräuchlich sind. Diese wurden indischen Zeichen entlehnt, die wohl etwa 200 vor Chr. mit der [[Brahmi-Zahlschrift]] angefangen hatten.
Die von den Indern übernommene Neuerung war, dass die Zehnerpotenzen nicht mehr durch andere Zeichen ausgedrückt wurden, sondern durch die Position gleichartiger Ziffern in der mehrstelligen Zahl. Die [[Null]] ist etwas jünger. Diese für das Stellenwertsystem wichtige Ziffer ist das Ergebnis einer Entwicklung, die ab dem 2. Jahrhundert nach Christus in Indien nachweisbar ist. Der Italiener [[Leonardo Fibonacci]] übernahm die Ziffern aus arabischen Quellen und beschrieb sie in seinem [[Liber abaci]] (1202) als „indisch“. Die geometrische Anordnung der Stellenwerte ist in indischer, original arabischer und europäischer „arabischer“ Zahlenschreibung gleich. Da [[Devanagari]] und die anderen aus der [[Brahmi-Schrift]] abgeleiteten indischen Schriften ebenso wie die europäischen Schriften rechtsläufig sind, die arabische Schrift aber linksläufig, beginnen Zahlen für Leser arabischer Schrift (und daraus abgeleiteter Schriften) mit dem niedrigsten Stellenwert – wie wir das in der verbalen Formulierung zweistelliger Zahlen in der deutschen Sprache kennen, z. B. „achtunddreißig“.
Für größere Zahlenwerte ist beispielsweise die [[griechische Zahlschrift]] entstanden, die in der Variante als [[Milesisches System]] 27 griechische Buchstaben als Ziffern verwendet. Ihre Werte sind über drei dekadische Stufen (der Einer, der Zehner und der Hunderter) mit je neun Ziffern verteilt (entsprechend der heutigen Darstellung 1–9, 10–90, 100–900). Der niedrigste Ziffernwert beträgt also eins, der höchste neunhundert. Zur Darstellung eines Zahlenwertes werden diese Ziffern gemäß dem Additionssystem zu Zahlzeichen zusammengefasst. Ähnliches gilt für die [[hebräische Zahlschrift]]. In der [[Römische Zahlschrift|römischen Zahlschrift]] in der heute üblichen Form ist eine Straffung enthalten durch eine dekadische Stufung mit nur jeweils zwei Ziffernwerten, so dass sie mit nur sieben Buchstaben als Ziffern bis zum Ziffernwert tausend kommt. Allerdings müssen in den Zahlzeichen einzelne Ziffern bei Bedarf mehrfach geschrieben und ihre Werte addiert werden. Noch älter ist die [[ägyptische Zahlschrift]] in verschiedenen Entwicklungsstufen, die bildhafte Zeichen ([[Hieroglyphen]]) für [[Zehnerpotenz]]-Werte verwendet.
Vor der Übernahme des indischen Systems hatte man in der [[Arabische Schrift|arabischen Schrift]] wie auch in der [[Hebräisches Alphabet|hebräischen]]<ref>{{Literatur |Autor=Frank Matheus |Titel=Einführung in das Biblische Hebräisch: Studiengrammatik |Sammelwerk=Theologische Arbeitsbücher |Auflage=7. |Verlag=Lit Verlag Dr. W. Hopf |Ort=Berlin |Datum=2017 |ISBN=978-3-8258-3171-4 |Seiten=20-21}}</ref> und der griechischen, Buchstaben als Zahlzeichen, die ersten neun für die Einer, die nächsten neun für die Zehner, die dritten und etwaige Ergänzungszeichen für die Hunderter. Die Zahlenwerte der einzelnen Buchstaben waren von Schrift zu Schrift verschieden und geben jeweils einen ursprünglichen Zustand des Zeichensatzes und seiner gedichtartigen Abfolge wieder. In der griechischen Schriftgeschichte gibt es sogar einen Unterschied zwischen dem [[Milesisches System|milesischen System]] und dem weiter verbreiteten [[griechische Zahlzeichen]]. Alle diese Buchstabensysteme waren also schon fortgeschrittener, als die aus einer Strichliste entwickelte [[römische Zahlschrift]].
[[Datei:2001 in Keilschrift.png|mini|hochkant=0.6|links|2001 = 33 x 60 + 21]]
[[Datei:Babylonian numerals.svg|mini|hochkant=1.4|Zusammengesetzte Ziffern der [[Keilschrift]]]]
Bemerkenswerter Weise verwendeten schon die [[Babylon]]ier ein Stellenwertsystem. Allerdings vervielfältigte sich bei ihrem [[Sexagesimalsystem#Das Sexagesimalsystem der Babylonier|Sexagesimalsystem]],<ref>Stanislas Dehaene: ''Der Zahlensinn oder Warum wir rechnen können''. Springer, 1999, S. 117</ref><ref>Howard L. Resnikoff: ''Mathematik im Wandel der Kulturen''. Vieweg, 1983, S. 18</ref> der Wert jedes Zeichens mit einem Schritt nach links auf das Sechzigfache. Die Null wurde nicht geschrieben, sondern durch ein [[Leerzeichen]] angedeutet.<ref>[https://kryptografie.de/kryptografie/chiffre/babylonische-zahlen.htm Kryptographie: ''Babylonische Zahlen'']</ref> An den einzelnen Stellen stellten zusammengesetzte Ziffern die Zahlen von 1 bis 59 nach einem Dezimalsystem dar, mit einer Gruppe von senkrecht stehenden schmalen langen Keilen zur Darstellung der Einer von 1 bis 9 in Form einer Strichliste und links davon einer Gruppe von bis zu fünf waagerecht stehenden kurzen breiten Keilen als Strichliste der Zehner. Insofern verwendete die [[Babylonische Mathematik]] eine Mischung aus Dezimal- und Sexagesimalsystem, und innerhalb jeder Stelle (Ziffer) kein Stellenwertsystem.
In verschiedenen Kulturkreisen der Welt haben sich für Zahlenangaben eigene Schriftzeichen entwickelt, die im Artikel [[Zahlschrift]] aufgeführt werden. Beispielsweise verwendet die [[Babylonische Zahlschrift#Das Sexagesimalsystem der Babylonier|babylonische Zahlschrift]] nur zwei verschiedene Ziffern und kommt damit durch die Verknüpfung des Additionssystems mit einer frühen Form des Stellenwertsystems bis zu beliebig großen Zahlenwerten. Besonders bedeutsam war die Erfindung der Zahl null in Indien, wodurch eine perfekte Ausbildung des Stellenwertsystems möglich wurde. Dieses wurde in einer Zahlschrift mit zehn verschiedenen Ziffern realisiert. Deren Entstehung und Ausbreitung wird im Artikel [[Arabische Zahlschrift]] beschrieben. Der Aufbau dieser Schrift hat dem [[Dezimalsystem]] zu fast weltweiter Verbreitung verholfen.
In der [[Ägyptische Zahlschrift|ägyptischen Zahlschrift]] ist der einfache Strich entweder das [[Ideogramm]] für ''eins'' und ''Einheit'', oder ein [[Determinativ]], Füllzeichen, oder Ersatzzeichen. Sechs weitere Hieroglyphen wurden auch als Zahlzeichen für die Zehnerpotenzen von 10 bis {{FormatNum|1000000|de}} verwendet. Jedes dieser Zeichen wurde entsprechend einer Strichliste zwischen 1- und 9-mal gesetzt, die höherwertigen Gruppen links der geringerwertigen. Die alten Ägypter verwendeten also kein Stellenwertsystem.
Eine besondere Art von Zahlzeichen weist die Knotenschrift [[Quipu]] des [[Inkareich]]s auf.
Ein dezimales Stellenwertsystem weisen [[Quipu]]s des [[Inkareich]]s auf: Wo Zahlen notiert wurden, bestand jede Ziffer aus einer Gruppe dicht gedrängter Knoten. Ihre Position im Faden entschied, ob sie Einfache, Zehnfache oder Hundertfache darstellte.<ref>[https://english.elpais.com/science-tech/2022-12-20/knots-representing-numbers-the-mathematics-of-the-incas.html# El País (englische Version): ''Knots representing numbers: The mathematics of the Incas'']</ref>
== Verwendung in Zahlensystemen ==
|