„Steuer“ – Versionsunterschied
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Fuisting, Bernhard (1902): Grundzüge der Steuerlehre, Berlin : Heymann 1902. |
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Ein Zusammenhang lässt sich mit dem germanischen Wort ''sceutan'' („schießen“) vermuten, welches seinerseits Grundlage des zum Ende des Hochmittelalters im Städterecht verwendeten [[Niederdeutsche Sprache|nieder-]] und [[Mitteldeutsche Sprachen und Dialekte|mitteldeutschen]] Begriffs des [[Schoss (Steuer)|Schosses]], eine Art Vermögensteuer, bildete.<ref>vgl. S. Hähnchen: ''Rechtsgeschichte'' 4. Auflage, Rz. 319 ff.</ref>
Einer anderen Theorie nach kann sich der Begriff aus dem [[Althochdeutsch]]en ''stiura''<ref>{{Literatur |Autor=Stefan Homburg |Titel=Allgemeine Steuerlehre |Auflage=7. |Verlag=Vahlen |Ort=München |Datum=2015 |ISBN=978-3-8006-4922-8 |Seiten=30}}</ref> ableiten, wobei dieser hier der Bedeutung Stütze und, im Sinne von Unterstützung, Hilfe oder auch Beihilfe nahekommt.
== Historische Entwicklung ==
Zur geschichtlichen Entwicklung des Steuer-Wesens von der Antike bis zur Neuzeit
=== Antike ===
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Während der Zeit der [[Römische Republik|römischen Republik]] expandierte das Reich ab dem 3. Jahrhundert v. Chr. enorm und immer mehr [[Provinz]]en und tributpflichtige Reiche trugen zur Deckung des staatlichen Finanzbedarfs bei, so dass im Jahre 167 v. Chr. die römischen Bürger von den direkten Steuern befreit wurden.
In den Provinzen wurden die direkten Steuern ([[Grundsteuer|Grund-]] und [[Kopfsteuer]]) durch [[Prokurator]]en verwaltet, doch der Einfachheit halber war die Erhebung der indirekten Steuern (Zölle, Wege- und Nutzungsgelder) verpachtet und das System der [[Steuerpächter]] (''[[publicani]]'') führte zu Misswirtschaft und Ungerechtigkeiten. Erst [[Augustus|Kaiser Augustus]] legte die gesamte Steuererhebung wieder in die Hände von staatlichen Beamten ([[Quästur|Quästoren]]). Berühmt wurde dabei ein Fehlgriff: Der von Caesar in seine Heimat entlassene gallische Sklave Licinius wurde von Augustus als Verwalter in Lugdunum (heutiges [[Lyon]]) eingesetzt, wo Licinius dann das Jahr um zwei Monate erweiterte.<ref>[http://www.gottwein.de/latine/LLLlicin1.php ''Licinius''] auf: ''www.gottwein.de''</ref> Diese Konstruktion brachte ihm in Lugdunum zwei weitere Monatssteuern im Jahr ein, bis Augustus – nach Beschwerden aus Gallien – diese Art der Steuererhebung nach etwa zwei Jahren abstellte.<ref>[[Cassius Dio]]: ''Römische Geschichte.'' S. 52–21.</ref><ref>Vermutlich wurde dabei die Unterteilung des Jahres in 10 Monate auf 12 Monate umgestellt. (Ginzel, Friedrich Karl: ''Handbuch der mathematischen und technischen Chronologie; das Zeitrechnungswesen der Völker'', 1914)</ref>
{{Siehe auch|Dekaprotoi}}
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Mit dem Niedergang des römischen Reiches wurden, bei steigenden Staatsausgaben, die Steuereinnahmen geringer und der Staatsschatz ([[aerarium]]), der bisher im [[Saturntempel]] verwahrt und vom [[Senat]] überwacht wurde, zugunsten des kaiserlichen Sondervermögens ([[Fiscus]]) aufgelöst. Genötigt, nicht nur die Kosten des römischen [[Haushaltsplan|Etats]] zu decken, sondern auch eine möglichst große Steigerung des Privatvermögens zu erwirtschaften, zeigen sich die ersten – geschichtlich verbürgten – Kuriositäten in der Steuergesetzgebung: „[[Pecunia non olet]]“ (Geld stinkt nicht) – dieser wohlbekannte Ausdruck wurde von [[Vespasian|Kaiser Vespasian]] verwendet, um eine Steuer (''vectigal urinae'') auf [[öffentliche Bedürfnisanstalt]]en, Urinale oder die Nutzung des Urins, zum Beispiel in der [[Gerben|Gerberei]], zu rechtfertigen.<ref>{{Literatur |Autor=Anna Pikulska-Radomska |Titel=On Some Fiscal Decisions of Caligula and Vespasian |Sammelwerk=Studia Ceranea |Band=2 |Datum=2012 |Seiten=53–60 |DOI=10.18778/2084-140X.02.05}}</ref>
Die Frage, die den Kaiser zu der bekannten Rechtfertigung veranlasst haben soll, lässt sich auch als Beschwerde über zunehmenden Uringeruch in Rom deuten. Unter der Annahme, dass die Steuer an der Zahl der Entleerungen bemessen wurde, könnte einer spekulativen Überlegung zufolge eine seltenere Entleerung der Urinkübel zu dem Gestank geführt haben – dies wäre ein frühes Beispiel von [[Steuerwiderstand|Steuerausweichung]].<ref>{{Literatur |Autor=Frank X. Ryan |Titel=Zum Einwand des Titus gegen die Harnsteuer des Vespasian |Sammelwerk=Phasis |
=== Mittelalter und Frühe Neuzeit ===
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Während der gesamten Historie zeigen sich zwei Probleme, die auch in heutiger Zeit nicht gelöst sind: Zum einen führt die [[Steuergesetzgebungshoheit]] oftmals zu einer [[Doppelbesteuerungsabkommen|Doppelbesteuerung]], und zum anderen ergibt sich immer die Schwierigkeit der Abgrenzung der Steuererhebung von den übrigen Beitreibungen seitens der Herrschenden. So fordern nicht selten vier Institutionen eine Steuer von der Bevölkerung: die Krone (Kaiser oder König), der Landesfürst, die Gemeinde oder Stadt und nicht zuletzt die Kirche. Demzufolge werden die Steuern unterschieden in Reichssteuern (z. B. [[gemeiner Pfennig]]), in Steuern der Landesherren, in kommunale Steuern und in den kirchlichen Zehnt. Daneben werden immer auch Beiträge ganz allgemein für eine staatliche Leistung fällig (Nutzgelder), Abgaben wie die [[Feudalabgabe]] oder der [[Todfall]] erhoben und Dienstleistungen erbracht ([[Frondienst]]e, [[Hand- und Spanndienste]]), die einem Grundherrn zustanden als Gegenleistung für den Schutz, den er den Hörigen bieten musste.
Befreiung von Staatssteuern und Frondiensten auf Zeit wurde beispielsweise Bauherren beim Neubau von Häusern aus Steinen – statt des damals üblichen Fachwerks – gemäß Anordnungen zur Brandverhütung des 18. Jahrhunderts im [[Kurtrier|Kurfürstentum Trier]] und weiterer [[Kurfürst]]entümer des [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reiches]] gewährt. Dort hieß es nach dem damaligen Sprachgebrauch im § 3, dass „die Personal-Freyheit auf drey Jahre hiermit gnädigst verstattet seyn“.<ref>{{Literatur |Autor=[[Franz-Josef Sehr]] |Hrsg=Der Kreisausschuss des Landkreises Limburg-Weilburg |Titel=Brandschutz im Heimatgebiet vor 300 Jahren |Sammelwerk=Jahrbuch für den Kreis Limburg-Weilburg 2022
=== Frühere Steuerarten ===
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|}
Daneben existieren in Deutschland teilweise noch örtliche Steuern auf Ebene der Gemeinden, z. B. [[Fischereisteuer]], [[Getränkesteuer]], [[Hundesteuer]], [[Jagdsteuer]], [[Schankerlaubnissteuer]], [[Vergnügungsteuer (Deutschland)|Vergnügungsteuer]] und [[Zweitwohnungsteuer]].<ref>{{Internetquelle
=== Steuergruppen nach Steuerart ===
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{{Hauptartikel|Lenkungsabgabe}}
Lenkungssteuern sollen gesellschaftlich nicht erwünschte Verhaltensweisen beeinflussen. So wird mit einer hohen [[Tabaksteuer]] versucht, das Rauchen einzudämmen, die [[Alkopopsteuergesetz (Deutschland)|Alkopop-Steuer]] soll den Preis von [[Alkopops]] so erhöhen, dass ein Missbrauch durch Jugendliche verhindert wird und die [[Ökosteuer (Deutschland)|Ökosteuer]] soll auch dazu animieren, den Energieverbrauch und damit den Schadstoffausstoß zu verringern. Andererseits kann mit [[Steuervergünstigung]]en auch ein bestimmtes – gesellschaftspolitisch gewolltes – Verhalten gefördert werden. Der Lenkungszweck steht in Konflikt zum Fiskalzweck. So würde bei vollständigem Eintreten der gewünschten Verhaltensweisen keine Steuereinnahmen mehr generiert werden können. Daher zielt eine Lenkungssteuer nicht auf die maximale, sondern auf die optimale Zweckerfüllung ab. Z. B. ist der Sinn einer Ökosteuer nicht die Umweltverschmutzung auf Null zu reduzieren, sondern den als für optimal gehaltenen Grad zu erreichen.<ref>{{Literatur |Autor=Stefan Homburg |Titel=Allgemeine Steuerlehre |Auflage=7. |Verlag=Vahlen |Ort=München |Datum=2015 |ISBN=978-3-8006-4922-8 |Seiten=5}}</ref>
=== Steuern mit Umverteilungszweck ===
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== Kritik ==
[[Datei:Shop window in Bad Schandau with reflection - The tax is the citizen's golden decoration and eternal burden.jpg|mini|[[Symbolfoto|Symbolbild]] - [[Bürger]][[meinung]] zu Steuern in einem [[Schaufenster]] in [[Bad Schandau]]]]
Durch die negativen finanziellen Auswirkungen auf den Bürger und die eingeschränkten Möglichkeiten zur Einflussnahme auf den Vermögensverlust sind Steuern und die Steuergesetzgebung ein ständiger politischer Streitpunkt und vielfacher Kritik ausgesetzt. Diese Kritik richtet sich im Wesentlichen auf die Punkte [[Gerechtigkeit]] und [[Angemessenheit]], die Wirksamkeit (bei Steuern mit Lenkungsfunktion – z. B. der Ökosteuer), die Durchsetzbarkeit und die allgemeinen ökonomischen Folgen. Verschiedene politische Richtungen führen gegen bestimmte Steuern – und manche Gruppierungen sogar gegen die Steuer an sich – Argumente an, die teilweise wissenschaftlich umstritten sind. Aber auch prinzipiellere Kritiken finden sich, die nicht zwingend Staatseinnahmen an sich in Frage stellen, deren Verteilung oder Höhe, als vielmehr die Steuerdominanz innerhalb der Abgabenstruktur, also den Umstand, dass andere Typen öffentlicher Einnahmen (z. B. Gebühren, Spenden, Beiträge) und bürgerschaftlicher Dienste am Gemeinwesen eine fiskalisch untergeordnete Rolle spielen oder in der öffentlichen Diskussion über Staatsfinanzierung trotz teils immenser Bedeutung wenig Berücksichtigung erfahren. Was Theoretiker des [[Steuerstaatsprinzip]]s als dessen ökonomische Vorteile verstehen (z. B. die Gegenleistungsfreiheit, den Zwangscharakter und die normative Wertfreiheit), lässt sich beispielsweise aus Sicht demokratischer Fiskaltheorien, kapitalismuskritischer Ansätze oder bürgerschaftlicher Gemeinwohlbelange als politische Nachteile argumentieren,<ref>Siehe z. B. {{Literatur |Autor=Peter Sloterdijk |Titel=Die nehmende Hand und die gebende Seite |Verlag=Suhrkamp |Ort=Frankfurt am Main |Datum=2010}} Ferner Ute Sacksofsky, Joachim Wieland (Hrsg.): ''Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat.'' Nomos, Baden-Baden 2000; Ulrich K. Preuß: ''Rechtsstaat – Steuerstaat – Sozialstaat. Eine Problemskizze.'' In: Dieter Deiseroth u. a. (Hrsg.): ''Ordnungsmacht? Über das Verhältnis von Legalität, Konsens und Herrschaft.'' Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 1981, S. 46–68; Sebastian Huhnholz: ''Die Steuer des Steuerstaates.'' In Verena Frick, [[Oliver Lembcke]], [[Roland Lhotta]] (Hrsg.): ''Politik und Recht''. Nomos-Verlag, Baden-Baden 2017, S. 453–472.</ref> wobei zu berücksichtigen ist, dass der im öffentlichen Sprachgebrauch oftmals verallgemeinerte Begriff „Steuer“ (im Sinne von Abgaben aller Art) zu Missverständnissen einlädt und öffentliche Debatten um mögliche Reformen der Öffentlichen Finanzen immer wieder durch eine Vielzahl unfiskalischer Motive und Argumente verzerrt.<ref>Siehe z. B. {{Literatur |Hrsg=[[Jan Rehmann]], [[Thomas Wagner (Soziologe)|Thomas Wagner]] |Titel=„Angriff der Leistungsträger?“ Das Buch zur Sloterdijk-Debatte |Verlag=Argument-Verlag |Ort=Hamburg |Datum=2010}}</ref> Die oft heftige Kritik führt zu einer fehlenden gesellschaftlichen Akzeptanz der Besteuerung und kann als Folge eine [[Steuerverweigerung]]shaltung auslösen. Mögliche Wege zur Umgehung der Steuer sind die [[Steuerflucht]], bei der Einkünfte in ein [[Niedrigsteuerland]] ([[Steueroase]]) verlagert werden oder als [[Steuerstraftat|Straftat]] die [[Steuerhinterziehung (Deutschland)|Steuerhinterziehung]].
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{{Wiktionary}}
{{Wikisource}}
* [https://www.arte.tv/de/videos/RC-022419/der-staat-und-sein-geld/ Der Staat und sein Geld – Die Geschichte der Steuern.] Zweiteilige Film-Dokumentation von [[arte]], Länge: 2
* [[Roman Seer|Seer, Roman]] (2014): [https://beckassets.blob.core.windows.net/product/toc/14490451/9783631652299_toc_001.pdf Steuern im historischen Kontext. Ein Ausschnitt der Steuergeschichte anhand ausgewählter Fragestellungen], in: Roman Seer (Hrsg.): Bochumer Schriften zum Steuerrecht, Band 28. [[Frankfurt am Main]] [u. a.]: [[Peter-Lang-Verlagsgruppe|Peter Lang]] Acad. Research, 2014.
* Fuisting, Bernhard (1902): [https://digital.staatsbibliothek-berlin.de/werkansicht?PPN=PPN644925833&PHYSID=PHYS_0001&DMDID=DMDLOG_0001 Grundzüge der Steuerlehre, Vierter Band], Berlin;
=== Deutschland ===
* [https://www.bzst.de/DE/Service/Behoerdenwegweiser/FinanzverwaltungLaender/finanzverwaltunglaender_node.html Die deutschen Finanzämter]
* [https://www.bmf-steuerrechner.de/ Interaktiver Steuerrechner des deutschen Bundesfinanzministeriums]
* Statistisches Bundesamt (Destatis) [https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/OeffentlicheFinanzenSteuern/Steuern/Steuern.html Themenbereich Steuern] und [https://www.destatis.de/DE/Publikationen/WirtschaftStatistik/WirtschaftStatistikFinanzenSteuern.html Aufsätze aus der Zeitschrift ''Wirtschaft und Statistik'']. Abgerufen am 24. Januar 2018
* [https://www.bundesfinanzministerium.de/Monatsberichte/2023/06/Inhalte/Kapitel-5-Aktuelles-aus-dem-BMF/5-2-publikationen.html Monatsberichte des Bundesfinanzministeriums]
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