„Bruderschaft der Vagabunden“ – Versionsunterschied

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=== Gründung der Bruderschaft und der Vagabundenkongress ===
1927 gründete Gog in Stuttgart die ''Bruderschaft der Vagabunden'', deren Schutzpatron [[Till Eulenspiegel]] war. Zu Pfingsten 1929 rief er zum ersten [[Vagabundenkongress 1929|internationalen Vagabundenkongress]] auf den Stuttgarter Killesberg, zu dem trotz massiver Polizeisperren etwa 600 Teilnehmer kamen.<ref>{{Webarchiv | url=https://gruene-jugend.de/generalstreik-ein-leben-lang/ | wayback=20171027025319 | text=Grüne Jugend Berlin}}. ''Generalstreik ein Leben lang''. Abgerufen am 26. Oktober 2017</ref> Unter den Rednern befanden sich [[Alfons Paquet]], [[Willi Hammelrath]], [[Gusto Gräser]] und [[Theodor Lessing]]. [[Erich Mühsam]], [[Maxim Gorki]], [[Knut Hamsun]] und [[Lewis Sinclair]] schickten Grußbotschaften. Auf diesem Kongress rief Gog in seiner berühmten Eröffnungsrede zum „lebenslangen Generalstreik“ auf. Zitat:
{{Zitat|Die Gesellschaft, vertreten durch ihre Behörden, spricht von ihrer Fürsorge. Das Gesetz sorgt für mich, für die Gesellschaft, für die Satten, damit die Opfer ihrer Tyrannis ihnen nicht an den Leib rücken. Ihre ‚Fürsorge‘ ist Polizistenhumanität! Ist ‚Vorsorge‘! […] Die tugendfreien Spießer sprechen von den Vagabunden als einem arbeitsscheuen Gesindel. Was weiß den (sic!) diese Gesellschaft vom Weg und Ziel der Landstraße? […] Generalstreik das Leben lang! Lebenslänglich Generalstreik! |ref= <ref>[{{Webarchiv|url=http://www.drstefanschneider.de/armut-a-wohnungslosigkeit/kunden-&%26-vagabunden/811-gregor-gog-generalstreik-das-leben-lang-lebenslaenglich-generalstreik-stuttgart-1929.html |wayback=20140503040313 |text=Gregor Gog: ''Generalstreik das Leben lang! Lebenslänglich Generalstreik.'' Stuttgart 1929] |archiv-bot=2024-08-06 05:57:14 InternetArchiveBot }}. Aufruf zum Kongress der Vagabunden 1929 in Stuttgart</ref>}}
 
Als treibende Kraft der internationalen Vagabundenbewegung setzte sich Gog, der „König der Vagabunden“ wie die Presse ihn bezeichnete, für die Rechte der Obdachlosen ein.<ref>[http://www.geissstrasse.de/publikationen/denkblatt-gregor-gog/ Gregor Gog: Rebell und Revolutionär]. Abgerufen am 23. Mai 2010</ref> Die „Reservearmee des kämpfenden Proletariats“ von „Tippelbrüdern, Außenseitern“ und „Ausgestossenen“ hatten sich zum Schrecken der Behörden<ref>[http://www.berliner-zeitung.de/archiv/koenig-der-vagabunden,10810590,10325658.html Autor: Karsten Krampitz]. In: [[Berliner Zeitung]] vom 7. Oktober 2005. Abgerufen am 28. April 2013</ref> zu einem „Weltkongress der Vagabunden“, von tatsächlich internationaler Beachtung und zu Hungermärschen organisiert.<ref>[http://www.syndikalismusforschung.info/einfuhrungdeutsch.htm Syndikalismusforschung. Einführung]. Unter Abschnitt: „Die Vagabundenbewegung“ (4.3.3.2.). Abgerufen am 23. Mai 2010</ref>
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Ziel der Bruderschaft war [[gegenseitige Hilfe]], Solidarität, das Bewusstwerden der eigenen Situation in der Gesellschaft, das Fördern des Selbstbewusstseins und Selbsthilfe. Kirchliche und staatliche Organisationen für soziale Fürsorge wurden abgelehnt. Um sich der Kontrolle durch den Staat und die „[[Bürgerliche Gesellschaft]]“ zu entziehen, sollte von den Vagabunden die Initiative ausgehen, selbst Herbergen und andere Unterkünfte zu realisieren. Eine klassenlose, freie Gesellschaft wurde angestrebt im Sinne des Anarchismus und Anarchosyndikalismus.
 
Organ der [[Bruderschaft]] war die ursprünglich von Gustav Brügel 1927 herausgegebene Zeitschrift ''[[Der Kunde]]''. Die erste Ausgabe wurde beschlagnahmt. Daraufhin übernahm Gog die Herausgeberschaft. Die Artikel der Zeitschrift enthielten sowohl sozialkritischen Protest „als auch eine utopische Überhöhung der Vagabunden-Existenz“. Über die Situation der Obdachlosen schrieb Gog unter anderem Artikel zu ''Zwei Millionen auf der Landstraße'', ''Der Landstreicher Tombrock'' und ''Straßen ohne Ende''.<ref>[{{Webarchiv|url=http://www.ruhr-uni-bochum.de/traum/Traum(a)%20Texte%20fertig/Ohm-Gog-fertig.pdf |wayback=20161104204357 |text=Ruhr-Universität Bochum]}}. Über G. Gog. PDF, 71 kB. Abgerufen am 27. Mai 2010 [Website nicht mehr erreichbar].</ref> Die Zeitschrift sollte den Vagabunden die Gelegenheit geben, ihre Erfahrungen und Meinungen zu veröffentlichen. Darüber hinaus wurde auch in anderen anarchistischen und anarchosyndikalistischen Blättern veröffentlicht. Gerhard Siegismund publizierte in ''[[Besinnung und Aufbruch]]'', Gregor Gog in ''[[Der Syndikalist]]''.
 
Gog und seine Ehefrau [[Anni Geiger-Hof|Anni Geiger-Gog]] standen der [[FAUD]] nahe, ebenso [[Theodor Plivier]] und [[Helmut Klose]]. Durch [[Artur Streiter]], Hermann Giesau, Karl Heinz Bodensieck und Helmut Klose kam die Verbindung zur Berliner FAUD und zur [[Gilde freiheitlicher Bücherfreunde]] zustande. Der Einfluss der Vagabundenbewegung auf den Anarchosyndikalismus und die FAUD war jedoch gering.<ref>[http://www.syndikalismusforschung.info/einfuhrungdeutsch.htm Die Vagabundenbewegung und die FAUD]. Abgerufen am 27. Mai 2010.</ref>
 
1933 wurde die Bruderschaft der Vagabunden von den [[Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]] zerschlagen. Das von Gog betreute Archiv der Bruderschaft wurde beschlagnahmt.<ref>Zeitungsartikel von Baga Gam, Zitat: „1933 beendete eine ‚Bettlerrazzia‘ der Nationalsozialisten die ‚Bruderschaft der Vagabunden‘. 1938 ließ Heinrich Himmler mehr als 1.500 ‚Arbeitsscheue‘, ‚Asoziale‘ und Obdachlose ins Konzentrationslager Buchenwald bringen.“ In: [[Strassenfeger (Straßenzeitung)|Straßenfeger]], {{Webarchiv | url=http://www.strassenfeger-archiv.org/article/4364.mein-traum-von-einer-idealen-strassenzeitung.html | wayback=20150924110811 | text=Nr. 18, August 2010}}. Abgerufen am 24. August 2012.</ref> Gog und andere Vagabunden konnten jedoch einige Schriftstücke und Kunstwerke der Bruderschaft ins Exil retten.
 
== Künstlergruppe der Vagabunden ==
Die Bruderschaft war zugleich auch eine Künstlerbewegung. [[Hans Tombrock]] (1895–1966) lernte Gog 1928 kennen, zusammen mit [[Hans Bönnighausen]] und [[Gerhart Bettermann]] gründeten sie die „Künstlergruppe der Bruderschaft der Vagabunden“.<ref>{{Webarchiv | url=http://www.karo-dame.de/publikationen.html?&no_cache=1&show=42 | wayback=20140404163051 | text=Begleittext zur ''Grafik-Mappe: Hans Bönnighausen.'' Karo Dame Kulturprojekte}}</ref> Tausende von Zeichnungen, Aquarellen, Holz- und Linolschnitte entstanden und wurden zum Teil abgedruckt. 1929 wurde die erste Kunstausstellung organisiert und im „Verlag der Vagabunden“ erschien eine „Vagabundenmappe“.
 
== Filmische Rezeption ==
1929 drehte der Österreicher [[Fritz Weiß (Regisseur)|Fritz Weiß]] mit der Fachberatung von Gregor Gog den 49-minütigen Stummfilm ''Vagabund'', der sich um den Alltag von Menschen dreht, die sich für ein Leben auf der Straße entschieden haben. Ein toter Obdachloser wird für einen Journalisten Aufhänger für erfolgreiche Artikel zum Thema.<ref>[http://www.filmportal.de/df/ca/Uebersicht,,,,,,,,23B1661698CE4989A4A418135E28FE04,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,.html Kurzinformation zum Film ''Der Vagabund'']{{Toter LinkFilmportal|url=http://www.filmportal.de/df/ca/Uebersicht,,,,,,,,23B1661698CE4989A4A418135E28FE04,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,.html 23b1661698ce4989a4a418135e28fe04|dateAbruf=20192021-08 |archivebot=201907-08-28 05:40:49 InternetArchiveBot }}. Regie: Fritz Weiß. Österreich 1930. Verleih: Erdeka-Film GmbH, Berlin.</ref>
 
Eine zweiteilige Filmdokumentation, „Generalstreik das Leben lang“ und „Könner in Lumpen“, wurde 2008 im [[Haus der Demokratie und Menschenrechte]] in Berlin gezeigt – ein Zeitzeugnis über die Künstler der Landstraße und die Bruderschaft der Vagabunden.
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== Weblinks ==
* [[Patrick Spät]]: [https://www.heise.de/tp/features/Gregor-Gog-der-Koenig-der-Vagabunden-3369101.html ''Gregor Gog, der König der Vagabunden''] ''Telepolis'', 4. Januar 2015.
* [[Patrick Spät]]: [https://www.spiegel.de/geschichte/weimarer-republik-gregor-gog-koenig-der-vagabunden-a-1291713.html ''Generalstreik ein Leben lang.''] ''Spiegel Online'', 16. Oktober 2019.
 
== Weiterführende Literatur ==
* [[Walter Fähnders]] (Hrsg.): ''Nomadische Existenzen. Vagabondage und Boheme in Literatur und Kultur des 20. Jahrhunderts.''. Schriften des Fritz-Hüser-Instituts 16. Klartext Verlag, Essen 2007., ISBN 978-3-89861-814-4.
* Wolfgang Haug: Theodor Plievier – Anarchist ohne Adjektive. Der Schriftsteller der Freiheit. Eine Biographie, Verlag Edition AV, Bodenburg 2020
* Walter Fähnders, Henning Zimpel (Hrsg.): ''Die Epoche der Vagabunden''. [[Klartext Verlag]] (Schriften des Fritz-Hüser-Instituts). Essen 2009, ISBN 978-3-89861-655-3.
* Hans-Dier Mück: ''Roter Verschwörerwinkel am Grünen Weg. Der „Uracher Kreis“ Karl Raichles: Sommerfrische für Revolutionäre des Worts, 1918-1931''. Bad Urach 1991.
* Richard E. Funcke: ''Die Bruderschaft der Vagabunden. Ein Zeitbild''. In: Die christliche Welt 49 (1929), Nr. 20, 19. Oktober, Sp. 990-995 (1) und Nr. 21, 2. November, Sp. 1047-1052 (2).
* Gregor Gog: ''Von unterwegs. Tagebuchblätter des verlorenen Sohnes''. Verlag des Bundes der Brüder, Stuttgart 1926.
* Gregor Gog: ''Vorspiel zu einer Philosophie der Landstraße. Aus den Notizen eines Vagabunden''. Verlag der Vagabunden, Stuttgart 1928.
* [[HarryWolfgang WildeHaug]]: ''Theodor Plievier – Anarchist ohne Adjektive. NullpunktDer Schriftsteller der Freiheit.'' KurtEine DeschBiographie, Verlag, MünchenEdition u.AV, a.Bodenburg 1965.2020
* Walter Fähnders (Hrsg.): ''Nomadische Existenzen. Vagabondage und Boheme in Literatur und Kultur des 20. Jahrhunderts''. Schriften des Fritz-Hüser-Instituts 16. Klartext Verlag, Essen 2007. ISBN 978-3-89861-814-4
* Walter Fähnders, Henning Zimpel (Hrsg.): ''Die Epoche der Vagabunden''. [[Klartext Verlag]] (Schriften des Fritz-Hüser-Instituts). Essen 2009, ISBN 978-3-89861-655-3.
* Klaus Trappmann (Hrsg.): ''Landstrasse, Kunden, Vagabunden. Gregor Gogs Liga der Heimatlosen''. Gerhardt Verlag, Berlin 1980.
* Künstlerhaus Bethanien (Hrsg.): ''Wohnsitz: Nirgendwo. Vom Leben und Überleben auf der Landstraße''. Frölich & Kaufmann, Berlin 1982, ISBN 3-88725-070-2.
* Hartmut Rübner: ''Freiheit und Brot. Die Freie Arbeiter-Union Deutschlands. Eine Studie zur Geschichte des Anarchosyndikalismus''. Seite 294. [[Libertad Verlag]], Potsdam 1994, ISBN 3-922226-21-3.
* Rolf Jessewitsch, Gerhard Schneider (Hrsg.): ''Verfemt – Vergessen – Wiederentdeckt. Kunst expressiver Gegenständlichkeit aus der Sammlung Gerhard Schneider''. Seite 481. Anlässlich der Ausstellung Verfemt, Vergessen, Wiederentdeckt. Kunstverein Südsauerland Olpe, 4. Juli bis 8. August 1999 und 23. Juli bis August 2000. Museum Baden, Solingen-Gräfrath. Wienand Verlag, Köln 1999, ISBN 3-87909-665-1.
* [[Bethanien (Berlin)|Künstlerhaus Bethanien]] (Hrsg.): ''Wohnsitz: Nirgendwo. Vom Leben und Überleben auf der Landstraße''. Frölich & Kaufmann, Berlin 1982, ISBN 3-88725-070-2.
* Elvira Reith (Hrsg.): Katalog: ''Hans Bönnighausen – ein Malervagabund''. ''[[Edition Karo]] Dame'', Dortmund, ISBN 3-00-010141-1.
* [[Hans-DierDieter Mück]]: ''Roter 'Verschwörerwinkel' am Grünen Weg. Der „Uracher'Uracher Kreis“Kreis' [[Karl Raichle|Karl Raichles]]: Sommerfrische für Revolutionäre des Worts, 1918-1931''. Bad Urach 1991.
* Hanneliese Palm, Christoph Steker (Hrsg.): ''Künstler, Kunden, Vagabunden''. C.W. Leske Verlag, Düsseldorf 2020, ISBN 978-3-946595-08-3.
* Elvira Reith (Hrsg.): Katalog: ''Hans Bönnighausen – ein Malervagabund''. ''[[Edition Karo]] Dame'', Dortmund, ISBN 3-00-010141-1.
* [[Hartmut Rübner]]: ''Freiheit und Brot. Die Freie Arbeiter-Union Deutschlands. Eine Studie zur Geschichte des Anarchosyndikalismus''. Seite 294. [[Libertad Verlag]], Potsdam 1994, ISBN 3-922226-21-3.
* Klaus Trappmann (Hrsg.): ''Landstrasse, Kunden, Vagabunden. Gregor Gogs Liga der Heimatlosen''. Gerhardt Verlag, Berlin 1980.
* [[Harry Wilde]]: ''Theodor Plievier. Nullpunkt der Freiheit.'' Kurt Desch Verlag, München u. a. 1965.
 
== Einzelnachweise ==