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[[Datei: Bonifacius VIII - Fresco in Lateran.jpg|miniatur|Fresko im [[Lateran]] von [[Giotto di Bondone]] (Ausschnitt): Papst Bonifatius VIII. ruft 1300 das erste Heilige Jahr aus.]]
'''Bonifatius VIII.''' (* um [[1235]] in [[Anagni]]; † [[11. Oktober]] [[1303]] in [[Rom]]; geboren als '''Benedetto Caetani'''), auch '''Bonifaz VIII.''' genannt, war [[Papst]] von 1294 bis 1303. Bonifatius führte das [[Jubeljahr]] ein.
 
== Frühe Jahre ==
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Benedetto [[Caetani (Adelsgeschlecht)|Caetani]] wurde um 1235 in Anagni (Latium) geboren, 60 km südöstlich von Rom. Er war mütterlicherseits der Neffe [[Alexander IV. (Papst)|Alexanders IV.]], der ihn 1260 zum Kanonikus an der Kathedrale von Todi ernannte. 1264 begleitete er als Sekretär den päpstlichen Legaten [[Martin IV.|Simon de Brie]], den späteren Papst Martin IV., nach Paris. Als Begleiter des Kardinallegaten in England, [[Hadrian V.|Ottobono Fieschi]], geriet Caetani wenige Jahre später in Gefangenschaft und wurde durch den späteren König [[Eduard I. (England)|Eduard I.]] befreit. 1276 hielt er sich erneut in Frankreich auf, um in päpstlichem Auftrag die Einnahmen des [[Zehnt|Kirchenzehnten]] zu überwachen.
 
1281 wurde er [[Kardinaldiakon]] mit der Titelkirche ''[[San Nicola in Carcere|San Nicola]]'', 1291 von Papst [[Nikolaus IV. (Papst)|Nikolaus IV.]] zum [[Kardinalpriester]] der Titelkirche ''[[Santi Silvestro e Martino ai Monti]]'' befördert und schließlich 1294 maßgeblicher Berater des nach langem Konklave gewählten Mönch-Papstes [[Coelestin V.]]
 
== Papstwahl ==
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== Wissenschaften ==
Bonifatius war ein versierter [[Jurist]] – wie seine Zusammenstellung des ''[[Liber Sextus]]'' desim [[CodexCorpus Iuris Canonici]] (1298) zeigt. Er gründete in Rom die [[Universität La Sapienza]]. Wissenschaft ohne Grenzen schätzte er allerdings nicht: So verbot er beispielsweise 1299 das [[Mos teutonicus|Zerstückeln oder Kochen von Leichen]], wodurch die wissenschaftliche [[Obduktion|Sektion]] und die Erforschung der [[Anatomie]] in Verruf gerieten.
 
== Heiliges Jahr ==
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Durch die Besteuerung des französischen Klerus kam es zum Zusammenstoß zwischen dem Papst und König [[Philipp IV. (Frankreich)|Philipp IV. von Frankreich]]. In der Bulle ''[[Clericis laicos]]'', die mit der Behauptung begann, „Laien seien die Feinde des Klerus“, stellte der Papst am 25. Februar 1296 umstrittene Behauptungen und Forderungen auf. Doch musste er diese bereits am 22. Juli 1297 in der Bulle ''Etsi de statu'' zurücknehmen, als er in Konflikt mit den Colonna-Kardinälen [[Giacomo Colonna (Kardinal)|Giacomo]] und [[Pietro Colonna|Pietro]] geraten war.
 
Diese hatten ein Manifest verfasst, das die Abdankung von Papst Coelestin für illegal erklärte. In zwei weiteren Manifesten verurteilten sie die Amtsführung des Papstes. Darauf begann der Papst, einen blutigen Krieg gegen die Colonna zu führen. Er beschlagnahmte deren Besitz für seine [[Nepotismus am Heiligen Stuhl|Nepoten]] und setzte die Colonna-Kardinäle ab. Auch ließ er die colonnischen Städte [[Colonna (Latium)|Colonna]], [[ZagarolaZagarolo]] und vor allem [[Palestrina (Latium)|Palestrina]], den Stammsitz der Colonna, zerstören. Die verfolgten Kardinäle flohen daraufhin zum französischen König. Es kam zu einer erneuten Auseinandersetzung zwischen dem König und dem Papst, die unter anderem zur Festnahme des päpstlichen Legaten in Frankreich 1301 führte und am 18. November 1302 in der bekanntesten Bulle ''[[Unam Sanctam]]'' gipfelte.
 
Die Bulle ist unmittelbar gegen den französischen König gerichtet und betonte den unbedingten Vorrang der geistlichen vor der weltlichen Macht, denn es gebe lautnach {{B|Lk|22|38|GNB}} zwei Schwerter, von denen das geistliche ''von der Kirche'', das weltliche ''für die Kirche'' gebraucht werde. Mit der [[Zwei-Schwerter-Theorie]] begründete das Papsttum seinen Anspruch auf unbegrenzte Gewalt über alle Kronen und Völker in der Welt.
 
Politisch verstanden konnten die Ansprüche des Papsttums nie durchgesetzt werden. Der Konflikt um das Verhältnis von geistlicher und weltlicher Macht fand im Anspruch dieser Bulle einen neuen Höhepunkt, durchzog aber schon seit Papst [[Gregor VII.]] die gesamte abendländische Geschichte.
 
== Attentat von Anagni ==
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Auf Betreiben der mit Bonifatius in Fehde stehenden Familie [[Colonna (Adelsgeschlecht)|Colonna]] erhob im Juni 1303 in Paris eine Versammlung von Prälaten und Baronen gegen den Papst schwerste Anschuldigungen – dies mit dem Zweck, ein Allgemeines Konzil zur Absetzung des Papstes herbeizuführen. Als der König von Frankreich, Philipp der Schöne, sich dies zu eigen machte, berief Bonifatius für den 8.&nbsp;September 1303 ein päpstliches [[Konsistorium]] ein. Auf diesem sollte feierlich die Exkommunikation von Philipp IV. verkündet werden.<ref name="eder_110">[[Manfred Eder]]: ''Kirchengeschichte. 2000 Jahre im Überblick.'' Patmos, Düsseldorf 2008, ISBN 978-3-491-70411-4, S. 110 f.</ref>
 
Einen Tag zuvor, am 7.&nbsp;September 1303, kam es jedoch zum [[Attentat von Anagni]], südlich von Rom. Dort hielt sich Bonifatius, wie im Sommer üblich, in seiner Sommerresidenz auf. Philipp IV. gilt als Auftraggeber des Attentats. Der König ließ durch [[Sciarra Colonna]], dessen Familie vom Papst verfolgt wurde, und [[Wilhelm von Nogaret]], dessen Eltern der [[Inquisition]] zum Opfer gefallen waren, mehrere Kardinalspaläste unter päpstlichem Banner mit dem Ruf „Es lebe der König von Frankreich und Colonna“ stürmen. Unter persönlichen Misshandlungen verlangte man vom Papst seinen Rücktritt, die Erstattung des enteigneten Colonna-Besitzes und die Auslieferung des Kirchschatzes an einige ältere Kardinäle. Der Papst wollte allerdings nicht [[Abdikation|abdanken]]. Nach zwei Tagen, am 9.&nbsp;September, gelang ihm mit Hilfe der Bürger von Anagni in blutigen Gefechten die Vertreibung der Eindringlinge. Er segnete seine Befreier und ging zurück nach Rom, wo er am 25.&nbsp;September eintraf, aber nur noch einen Monat lebte. Er starb am 11.&nbsp;Oktober 1303 und wurde in seiner pompösen Kapelle in [[Petersdom#Konstantinische Basilika (Alt-St. Peter)|Alt-St. Peter]] beigesetzt.
 
[[Datei:Bonifatius Grabmal Grotte.JPG|mini|Das Grabmal von Bonifatius VIII. von [[Arnolfo di Cambio]] gestaltet. Es befindet sich heute in den vatikanischen Grotten]]
Die Bedeutung des Attentates wird zum Teil darin gesehen, dass den (nicht neuen) Ansprüchen des Papstes „rücksichtslose Grobheit, kalter Hohn und pietätlose Gewalttat entgegenschlugen und siegreich blieben.“<ref name="eder_111">Manfred Eder: ''Kirchengeschichte. 2000 Jahre im Überblick.'' Patmos, Düsseldorf 2008, ISBN 978-3-491-70411-4, S. 111</ref> Mit dem Attentat von Anagni sei „die hochmittelalterliche Geltung des Papsttums untergegangen“<ref name=eder_111/>.
 
Sein Nachfolger wurde Papst [[Benedikt XI.]] und diesem nachfolgend 1305 [[Clemens V.]], vorher Erzbischof von Bordeaux. 1306 widerrief dieser die Bulle ''Clericis laicos'' und schwächte die Bulle ''Unam sanctam'' ab. Er siedelte 1309 nach [[Avignon]] über, womit die Periode päpstlicher [[Hegemonie]] im Mittelalter zu Ende ging.
 
== Häresieprozess ==
Schon kurz nach Bonifaz’ Amtsantritt kursierten Gerüchte über ketzerische Äußerungen. Sein Interesse für Naturwissenschaften (wozu im ausgehenden dreizehnten Jahrhundert auch Magie und Alchemie zu zählen sind) sorgte für die üblichen Verdächtigungen. Nach dem Tod des Papstes setzte König Philipp IV. von Frankreich – der auch den [[Templerorden|Templerprozess]] inszenieren ließ – im Jahr 1310 durch, dass Clemens V. einen posthumenpostumen Prozess gegen Bonifatius VIII. wegen Häresie eröffnete. Philipps Motiv dafür war persönlicher Hass auf seinen früheren Feind, der den Exkommunikationsprozess gegen ihn betrieben hatte, doch sind die zahlreichen gesammelten Zeugenaussagen über Bonifatius zum Teil glaubwürdig, wenn auch der größere Teil nachweislich falsch ist (u.&nbsp;a. der [[Teufelspakt]], sexuelle Übergriffe u.&nbsp;ä.) und die Übereinstimmung der verschiedenen Berichte offenbar auf Absprachen beruht. Es lässt sich aber nicht ausschließen, dass er sich tatsächlich mit manchmal nihilistisch-hedonistischen, manchmal auch mit kritisch-freigeistigen Äußerungen hervorgetan hat, wie sie ähnlich auch von anderen Personen dieser Zeit überliefert werden. Die durch die Kreuzzüge unvermeidliche Begegnung mit dem Orient brachte die mittelalterliche Harmonie der Weltordnung bereits merklich ins Wanken. Besonders ergiebig war in dieser Hinsicht die Zeugenbefragung von Groseau im August und September 1310.

Nicht nur die oben zitierten Aussagen des Papstes sind in den Protokollen dieses Verhörs überliefert, sondern auch weitere Aussprüche wie:
* „Geschlechtsverkehr und die Befriedigung der Naturtriebe ist so wenig ein Vergehen wie Händewaschen“;
* „Paradies und Hölle gibt es nur in dieser Welt, nicht im Jenseits; wer gesund, reich und glücklich ist, hat das Paradies auf Erden“;
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== Literatur ==
* [[Ernesto Sestan]]: ''Bonifacio VIII.'' In: ''Enciclopedia Dantesca, a cura di Umberto Bosco.'' A-CIL, Rom 1970, S. 675–679.
* [[Tilmann Schmidt]]: ''Bonifatius VIII.'' In: ''Lexikon des Mittelalters.'' Bd. 2, München/Zürich 1983, Sp. 414–416.
* {{EnciclopediaDeiPapi|Verfasser=[[Eugenio Dupré Theseider]]|ID=bonifacio-viii_(Enciclopedia-dei-Papi)/|Lemma=Bonifacio VIII|Band=2|SeiteVon=|SeiteBis=|Kommentar=|kurz=}}
* Agostino Paravicini Bagliani: ''Boniface VIII. Un pape hérétique?'' Paris 2003.
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* [[Heinrich Finke]]: ''Aus den Tagen Bonifaz VIII. Funde und Forschungen.'' Münster i.W. 1902. (= Vorreformationsgeschichtliche Forschungen; 2).
* [[Michael Matheus]] / [[Lutz Klinkhammer]] (Hrsg.): ''Eigenbild im Konflikt. Krisensituationen des Papsttums zwischen Gregor VII. und Benedikt XV.'' WBG, Darmstadt 2009, ISBN 978-3-534-20936-1.
* [[Tilmann Schmidt]]: ''Der Bonifaz-Prozess. Verfahren der Papstanklage in der Zeit Bonifaz VIII. und Clemens V.'' Köln 1990.
* Karl Wenck: ''War Bonifaz VIII. ein Ketzer?'' In: ''Historische Zeitschrift'' 94 (1905), S. 1–66.
* Adro Xavier: ''Bonifacio VIII.'' Barcelona 1971.