„Steuerstrafrecht (Deutschland)“ – Versionsunterschied
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Das '''Steuerstrafrecht''' ist in Deutschland eine Materie des [[Nebenstrafrecht]]s und im Achten Teil der [[Abgabenordnung]] (§§ 369 ff. AO) geregelt. Es umfasst sowohl das materielle Steuerstrafrecht ([[Steuerdelikt]]e) als auch das Strafverfahren bei Steuerstraftaten. Ergänzend gelten die allgemeinen Gesetze über das Strafrecht, vor allem der Allgemeine Teil des [[Strafgesetzbuch (Deutschland)|Strafgesetzbuchs]] (StGB).
Das '''deutsche Steuerstrafrecht''' umfasst im weitesten Sinne alle Gesetze, die Sanktionen wegen Verstößen gegen [[Steuerrecht (Deutschland)|deutsche Steuergesetze]] androhen. Zwar enthalten die [https://www.gesetze-im-internet.de/ao_1977/BJNR006130976.html#BJNR006130976BJNG007801301 §§ 369 ff.] [[Abgabenordnung]] (AO) einige Regelungen über die strafrechtlichen Konsequenzen bestimmter Verstöße gegen Steuergesetze, allerdings handelt es sich insoweit um Blanketttatbestände, das heißt offene Gesetze, die durch das materielle Steuerrecht ausgefüllt werden. Die Verknüpfung des strafrechtlichen Tatbestandes mit dem besonderen Steuerrecht ist kennzeichnend für das Steuerstrafrecht, insbesondere für den Grundtatbestand der Steuerhinterziehung ({{§|370|ao_1977|juris}} AO). Danach macht sich wegen [[Steuerhinterziehung (Deutschland)|Steuerhinterziehung]] strafbar, wer über steuerlich erhebliche Tatsachen pflichtwidrig unvollständige oder unrichtige Angaben macht oder die Finanzbehörden über solche pflichtwidrig in Unkenntnis lässt ({{§|370|ao_1977|juris}} Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO). Ausgangspunkt einer jeden Steuerhinterziehung ist also die Abgabe einer falschen oder unvollständigen [[Steuererklärung]] oder das pflichtwidrige Unterlassen einer solchen. Was erheblich und was pflichtwidrig ist, ergibt sich aus den einzelnen Vorschriften des besonderen Steuerrechts wie etwa dem [[Einkommensteuergesetz (Deutschland)|Einkommensteuergesetz]] (EStG) oder dem [[Umsatzsteuergesetz (Deutschland)|Umsatzsteuergesetz]] (UStG). Der Erfolg der Steuerhinterziehung besteht in einer Steuerverkürzung. Verkürzt sind Steuern, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden (§ 370 Abs. 4 S. 1 AO). Die Höhe der Steuerschuld bzw. die Rechtzeitigkeit der Festsetzung lässt sich jedoch nur nach den einzelnen Steuergesetzen bestimmen.▼
== Systematik ==
Die
=== Steuerordnungswidrigkeiten ===
=== Steuerstraftaten ===
▲''Steuerordnungswidrigkeiten'' können gem. {{§|377|ao_1977|juris}} AO mit einer Geldbuße geahndet werden. Zu ihnen gehören die leichtfertige Steuerverkürzung ({{§|378|ao_1977|juris}} AO), die Steuergefährdung ({{§|379|ao_1977|juris}} AO) und der unzulässige Erwerb von Steuererstattungs- oder [[Steuervergütung]]sansprüchen ({{§|383|ao_1977|juris}} AO).
==== Tatbestände ====
Steuerstraftaten (Zollstraftaten) sind gem. {{§|369|ao_1977|juris}} Abs. 1 AO:
# Taten, die nach den Steuergesetzen strafbar sind,
# der [[Bannbruch]] ({{§|372|ao_1977|juris}} AO),
# die Wertzeichenfälschung und deren Vorbereitung, soweit die Tat [[Steuerzeichen]] betrifft,
# die [[Begünstigung]] einer Person, die eine Tat nach den Nummern 1 bis 3 begangen hat,
außerdem die [[Steuerhinterziehung (Deutschland)|Steuerhinterziehung]] ({{§|370|ao_1977|juris}} AO) mit der besonderen Möglichkeit einer strafbefreienden [[Selbstanzeige]] in {{§|371|ao_1977|juris}} AO, der gewerbsmäßige, gewaltsame und bandenmäßige [[Schmuggel]] ({{§|373|ao_1977|juris}} AO)<ref>Torsten Hildebrandt: [https://steuerstrafrecht-rechtsanwalt.de/zollstraftat-schmuggel.html ''Schmuggel.''] Abgerufen am 20. Mai 2023.</ref> und die [[Hehlerei (Deutschland)#Steuerhehlerei|Steuerhehlerei]] ({{§|374|ao_1977|juris}} AO).
Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Art. 5 Nr. 20 und 21 des [[Zollkodex der Union]] (für die [[Import|Ein-]] und [[Export|Ausfuhr]] von Waren zu entrichtenden [[Zoll (Abgabe)|Abgaben]]) sind Steuern im Sinne des § 369 AO ({{§|3|ao_1977|juris}} Abs. 3 AO).
== Steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren ==▼
==== Regelungstechnik ====
§ 369 Abs. 1 Nr. 1 AO enthält eine [[Blankettverweisung]] in die materiellen Steuergesetze. Während beispielsweise {{§|26b|ustg|juris}} [[Umsatzsteuergesetz (Deutschland)|UStG]] Verstöße gegen umsatzsteuerrechtliche Pflichten als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro ahndet, bestraft {{§|26c|ustg|juris}} UStG als Straftatbestand die gewerbs- oder bandenmäßige Tatbegehung mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe. Für die [[Energiepreispauschale]] verweist {{§|121|estg|juris}} EStG zurück in die Straf- und Bußgeldvorschriften der A0.
▲
Die Steuerstraftaten werden im Regelfall mit einer [[Geldstrafe (Deutschland)|Geldstrafe]] oder einer [[Freiheitsstrafe (Deutschland)|Freiheitsstrafe]] geahndet. Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr kann das Gericht gem. {{§|375|ao_1977|juris}} AO außerdem für die Dauer von zwei bis zu fünf Jahren die Fähigkeit, [[öffentliches Amt|öffentliche Ämter]] zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus [[Wahlrecht#Passives Wahlrecht|öffentlichen Wahlen]] zu erlangen, aberkennen ({{§|45|stgb|juris}} Abs. 2 StGB) sowie bestimmte Tatmittel [[Einziehung (StGB-D)|einziehen]] ({{§|74a|stgb|juris}} StGB).
== Ermittlungs- und Strafverfahren ==
Bei dem Verdacht einer Steuerstraftat ermittelt die [[Finanzbehörde]] den Sachverhalt. Der Grund hierfür ist, dass die Finanzbehörden in Steuerstrafsachen über eine besondere Sachkunde verfügen. Finanzbehörden sind das [[Hauptzollamt]], das [[Finanzamt]], das [[Bundeszentralamt für Steuern]] und die [[Familienkasse]] ({{§|386|ao_1977|juris}} Abs. 1 AO). Sachlich zuständig ist die Finanzbehörde, welche die betroffene Steuer verwaltet ({{§|387|ao_1977|juris}} Abs. 1 AO). Wären mehrere Finanzbehörden zuständig, weil eine Person mehrerer Straftaten beschuldigt wird oder bei einer Tat mehrere Personen als Täter oder Teilnehmer beschuldigt werden, gebührt der Vorzug der Finanzbehörde, die wegen der Tat zuerst ein Strafverfahren eingeleitet hat ({{§|389|ao_1977|juris}}, {{§|390|ao_1977|juris}} AO).
Die ''[[Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren|Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren]] (Steuer) – AStBV (St)'' sind gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder und sollen „der einheitlichen Handhabung des Gesetzes dienen sowie die reibungslose Zusammenarbeit der zur Verfolgung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten berufenen Stellen der Finanzbehörden untereinander, mit anderen Stellen der Finanzbehörden sowie mit den Gerichten und Staatsanwaltschaften gewährleisten.“<ref>[https://esth.bundesfinanzministerium.de/ao/2020/Anhaenge/BMF-Schreiben-und-gleichlautende-Laendererlasse/Anhang-73/inhalt.html ''Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren (Steuer) – AStBV (St) 2020.''] BMF, amtliches AO-Handbuch, BStBl. I S. 1142.</ref> Die ''Dienstvorschrift für das Straf- und Bußgeldverfahren (Aufgabenwahrnehmung und Organisation) – StraBuDV'' des [[Bundesministerium der Finanzen|Bundesministeriums der Finanzen]] (BMF) enthält Regelungen zu verfahrensrechtlichen Fragen und dem Geschäftsablauf bei der Bearbeitung steuerrechtlicher Straf- und Bußgeldverfahren durch die Bediensteten der Strafsachen- und Bußgeldstellen der Hauptzollämter, der Zollfahndungsämter und der Finanzbehörden.
Gerichte und die Behörden von Bund, Ländern und kommunalen Trägern der öffentlichen Verwaltung, die nicht Finanzbehörden sind, haben Tatsachen, die sie dienstlich erfahren und die auf eine Steuerstraftat schließen lassen, dem Bundeszentralamt für Steuern oder, soweit bekannt, den für das Steuerstrafverfahren zuständigen Finanzbehörden mitzuteilen ({{§|116|ao_1977|juris}} AO).<ref>vgl. [https://www.bzst.de/DE/Behoerden/Steuerstraftaten/MitteilungSteuerstraftaten/mitteilungsteuerstraftaten_node.html ''Mitteilung von Steuerstraftaten.''] Bundeszentralamt für Steuern, abgerufen am 30. Mai 2022.</ref>
Auch die [[Staatsanwaltschaft (Deutschland)|Staatsanwaltschaft]] kann ein Ermittlungsverfahren durchführen. Der Finanzbehörde kommt dann die Rolle einer [[Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft]] zu ({{§|402|ao_1977|juris}} AO). Die Funktion haben auch die Beamten der Zoll- und [[Steuerfahndung]]. Sie haben dabei dieselben Rechte und Pflichten wie die Behörden und Beamten des Polizeidienstes nach den Vorschriften der Strafprozessordnung ({{§|404|ao_1977|juris}} AO). Erwägt die Staatsanwaltschaft, das Verfahren nach {{§|398|ao_1977|juris}}, {{§|398a|ao_1977|juris}} AO einzustellen, so hat sie die sonst zuständige Finanzbehörde zu hören ({{§|403|ao_1977|juris}} Abs. 4 AO).
Abweichend von {{§|138|stpo|juris}} Abs. 1 [[Strafprozessordnung (Deutschland)|StPO]] können außer [[Rechtsanwalt|Rechtsanwälten]] und Rechtslehrern an deutschen Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt auch [[Steuerberater]], Steuerbevollmächtigte, [[Wirtschaftsprüfer]] und [[Vereidigter Buchprüfer|vereidigte Buchprüfer]] zu [[Strafverteidiger (Deutschland)|Verteidigern]] gewählt werden ({{§|392|ao_1977|juris}} AO). Das Steuerstrafrecht gehört zur Ausbildung der [[Fachanwalt für Steuerrecht|Fachanwälte für Steuerrecht]].
=== Strafverfahren ===
Für das [[Strafprozessrecht (Deutschland)|Strafverfahren]] wegen Steuerstraftaten gelten grundsätzlich die allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren, namentlich die Strafprozessordnung, das [[Gerichtsverfassungsgesetz]] und das [[Jugendgerichtsgesetz (Deutschland)|Jugendgerichtsgesetz]] ({{§|385|ao_1977|juris}} Abs. 1 AO).
Strafsachen wegen Steuerstraftaten sollen beim [[Amtsgericht]] einer bestimmten Abteilung zugewiesen werden ({{§|391|ao_1977|juris}} Abs. 3 AO). Für Straftaten nach dem Finanzmonopol-, Steuer- und Zollrecht ohne Steuerstraftaten, welche die Kraftfahrzeugsteuer betreffen, sind bei den [[Landgericht]]en gem. {{§|74c|gvg|juris}} Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GVG [[Wirtschaftsstrafkammer]]n zuständig.
Im [[Strafbefehlsverfahren (Deutschland)|Strafbefehlsverfahren]] und in der [[Hauptverhandlung]] sind die Finanzbehörden beteiligt ({{§|406|ao_1977|juris}}, {{§|407|ao_1977|juris}} AO).
== Literatur ==
* {{Literatur |Autor=Jörg Burkhard |Titel=Strafbefehl im Steuerstrafrecht |Reihe=Europäische Hochschulschriften. Reihe II, Rechtswissenschaft |BandReihe=2222 |Ort=Frankfurt |Datum=1997 }}
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* [[Peter Bilsdorfer]]: ''Die Entwicklung des Steuerstraf- und Steuerordnungswidrigkeitenrechts.'' Jährlicher Berichtsaufsatz in der NJW, zuletzt: NJW 2021, 1504.
== Weblinks ==
* ''[https://www.bundesfinanzministerium.de/Monatsberichte/2023/10/Inhalte/Kapitel-3-Analysen/3-3-verfolgung-von-steuerstraftaten-2022.html Analysen und Berichte: Verfolgung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten im Jahr 2022.]'' [[Bundesministerium der Finanzen]], Link zum Download (PDF; 227 KB).
== Einzelnachweise ==
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[[Kategorie:Nebenstrafrecht (Deutschland)]]
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