„Extensive Tierhaltung“ – Versionsunterschied

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[[Datei:20101020 Sheep shepherd at Vistonida lake Glikoneri Rhodope Prefecture Thrace Greece.jpg|mini|hochkant=1.5|Wanderschäferei in [[Griechenland]]]]
[[Datei:PigExtensive2.jpg|miniatur|extensive [[Schweineproduktion]] in den Alpen bei [[Cimalmoto]] (Schweiz) ]]
[[Datei:Landwirtschaft, Weidetiere - Hochalm.jpg|mini|[[Alm (Bergweide)#Almwirtschaft|Almwirtschaft]]: Form der extensiven Weidehaltung im [[Hochgebirge]]]]
Die '''extensive Tierhaltung''' bezeichnet Systeme der [[Viehhaltung]], welche sich durch eine starke Landnutzung und geringere Nutzung anderer [[Produktionsfaktor]]en von der [[intensive Tierhaltung|intensiven Tierhaltung]] unterscheiden.
[[Datei:PigExtensive2.jpg|miniatur|extensive [[Schweineproduktion|Schweinehaltung]] inim den AlpenFreiland bei [[CimalmotoCampo (Vallemaggia)|Cimalmotto]] (Schweiz) ]]
Die '''extensiveExtensive Tierhaltung''' (von lat.: ''extendere'' = „ausdehnen“) bezeichnet Systeme der [[ViehhaltungTierproduktion]], welche sich durch eine starkegroßflächige Landnutzung undmit geringeregeringem Viehbesatz bei geringerer Nutzung anderer [[Produktionsfaktor]]en vongekennzeichnet sind. Sie ist das Gegenteil der [[intensiveIntensive Tierhaltung|intensiven Tierhaltung]] unterscheiden.
 
In den meisten Fällen ist kein Zusatzfutter notwendig und das Vieh ist häufig ganzjährig auf der Weide. Um [[Überweidung]]sschäden zu verhindern, werden oftmals mehrere Tierarten kombiniert, die die Grasnarbe unterschiedlich belasten und einen ökologisch sinnvollen [[Weidedruck]] ergeben. Zudem liegt darin der Grund für die vormals [[Nomadismus|nomadischen]] Formen der [[Fernweidewirtschaft]], die nach wie vor die sinnvollste und häufigste Nutzungsform der empfindlichen Naturweiden in den Trockengebieten der Erde darstellt.<ref name="Doppler">Werner Doppler: ''Landwirtschaftliche Betriebssysteme in den Tropen und Subtropen.'' Ulmer Verlag, Stuttgart 1991.</ref><ref>A. Rosati, A. Tewolde, C. Mosconi, World Association for Animal Production (Hrsg.): ''Animal Production and Animal Science Worldwide.'' Wageningen Academic Pub, 2005.</ref> (''siehe auch'' [[Pastoralismus]])
 
Mehr als ein Viertel der gesamten Landoberfläche der Erde werden auf diese Weise extensiv [[Landnutzung|landwirtschaftlich genutzt]].<ref>Erle C Ellis, [[Navin Ramankutty]]: [https://ecotope.org/people/ellis/papers/ellis_2008.pdf ''Putting people in the map: anthropogenic biomes of the world''.] (PDF; 4,3&nbsp;MB) The [[Ecological Society of America]], Washington D.C. 2008.</ref>
 
== Definition ==
Ein Tierhaltungsverfahren ist dann extensiv, wenn mindestens ''ein'' [[Produktionsfaktor]] (Arbeit, Boden, Kapital) extensiv –&nbsp;also nur geringfügig&nbsp;– genutzt wird. Ziel der extensiven Viehhaltung ist es, meist ertragsschwache Landwirtschaftsflächen noch rentabel zu bewirtschaften. In der dicht besiedelten [[Ökumene (Geographie)|Ökumene]] kommt zudem der Flächenerhalt von [[Kulturlandschaft]]en im Sinne des Naturschutzes hinzu.<ref>Dagmar Emmert: ''Die Rinderhaltung im Ökologischen Landbau – eine tiergerechte und umweltverträgliche Alternative?'' Institut für Tierhygiene, Verhaltenskunde und Tierschutz der Tierärztlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München, 2001.</ref>
Die [[Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation|FAO]] definiert extensive Tierhaltung als Systeme, in denen mehr als 10&nbsp;% der [[Futtermittelanalytik#Trockenmasse|Futtertrockenmasse]] dem eigenen [[Bauernhof|Betrieb]] entstammt und/oder in denen die Besatzdichte 10 [[Großvieheinheit]]en pro [[Hektar]] betrieblicher [[Landwirtschaftliche Nutzfläche|landwirtschaftlicher Nutzfläche]] unterschreitet.<ref name=FAOsystems>[[Food and Agriculture Organization|FAO]] (1995): [ftp://ftp.fao.org/docrep/fao/005/w0027e/w0027e00.pdf World Livestock Production Systems. Current status, issues and trends. FAO Animal Production and Health Paper 127.]</ref> Somit ist auch die [[Ökologische Landwirtschaft#Ökologische Viehzucht|ökologische Viehhaltung]] ein extensives System.
 
Als Maßeinheit für den [[Viehbesatz]] wird in der Regel die [[Großvieheinheit]] (GV oder GVE) verwendet, die für ein Rind oder ein Kamel oder beispielsweise für 10 Schafe oder 12 Ziegen steht.
 
''(Die folgend genannten Werte dürfen nicht in Relation zu den Durchschnittswerten verschiedener Staaten gesehen werden – wie u.&nbsp;a. im Artikel [[Viehbesatz]] genannt –, da dort extensive ''und'' intensive Systeme in die Berechnung einfließen.)''
[[Datei:Camel Market (8626639754).jpg|mini|Kamele sind weitaus besser an die spärliche Vegetation der Wüsten angepasst als Rinder, so dass die auf Rindern basierenden Großvieheinheiten im Grunde nur eine grobe Orientierung zulassen.]]
[[Datei:Rentiere am Unna Allagas.jpg|mini|Da für Rentiere das gleiche wie für Kamele gilt, wird ihr Besatz in Stückzahlen angegeben.]]
{| class="wikitable"
|+ Extensiver Tierbesatz zur nachhaltigen Bestandssicherung der jeweiligen Weidelandschaften
|- class="hintergrundfarbe5"
! Weidelandtyp
! &nbsp;GVE&nbsp;<br />je 100 ha, von … bis
! Quelle
|-
| Subarktische Tundren u. Waldtundren&nbsp;&nbsp; ||style="text-align:center"| 1 bis 7 Rentiere<br />(entspricht 0,3–2,1) || spektrum.de<ref name="spektrum.de">[https://www.spektrum.de/lexikon/geographie/tragfaehigkeit/8211 ''Tragfähigkeit''.] In: Online-Lexikon von Spektrum. Abgerufen am 22. März 2014.</ref>
|-
| Kalte Wüsten (Asien) || style="text-align:center" | 0,5–3 || UNI Greifswald<ref name="UNI Greifswald">Hagen Gottschling: ''Die Naturräume des Biosphärenreservates Issyk-Kul in Kirgisistan. Eine landschaftsökologische Studie an Transekten.'' In: ''Greifswalder Geographische Arbeiten'', Band 36, Institut für Geographie und Geologie der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, 2006.</ref><br />spektrum.de<ref name="spektrum.de" />
|-
| Heiße Wüsten (Afrika, Asien) || style="text-align:center" | 1,8–3,3 || [[FAO]]<ref name="FAO">J.M. Suttie, S.G. Reynolds, C. Batello: ''Grasslands of the World.'' In: ''Plant Production and Protection.'' Serie 34, FAO, Rom 2005.</ref><br />spektrum.de<ref name="spektrum.de" />
|-
| Kalte Halbwüsten (Asien) || style="text-align:center" | 3–5 || Schultz<ref name="Schultz">J. Schultz: ''Die Ökozonen der Erde''. Ulmer, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-8252-1514-9</ref>
|-
| Trockensteppen (Asien) || style="text-align:center" | 5–16 || Schultz<ref name="Schultz" />
|-
| Heiße Halbwüsten (Afrika, Asien) || style="text-align:center" | 6,7–10 || spektrum.de<ref name="spektrum.de" />
|-
| Trockene Savannen (Afrika, Asien) || style="text-align:center" | 8,3–16 || spektrum.de<ref name="spektrum.de" />
|-
| Grassteppen (Asien) || style="text-align:center" | 16–50 || Schultz<ref name="Schultz" />
|-
| Hutewald (Mitteleuropa) || style="text-align:center" | 16–30 || ABU Soest<ref name="ABU Soest">M. Bunzel-Drüke, C. Böhm, G. Finck, R. Kämmer, E. Luick, E. Reisinger, U. Riecken, J. Riedl, M. Scharf, O. Zimball: ''Wilde Weiden – Praxisleitfaden für Ganzjahresbeweidung in Naturschutz und Landschaftsentwicklung''. Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz im Kreis Soest e.&nbsp;V. (Hrsg.), Sassendorf-Lohne 2008</ref>
|-
| Magerrasen (Mitteleuropa) || style="text-align:center" | 30–50 || ABU Soest<ref name="ABU Soest" />
|-
| Almen (Mitteleuropa) || style="text-align:center" | 50–80 || ABU Soest<ref name="ABU Soest" />
|-
| Extensive Grünlandhaltung || style="text-align:center" | 80–150 || ABU Soest<ref name="ABU Soest" />
|-
| z. Vgl. ''Intensive Tierhaltung'' || style="text-align:center" | 200–600 || Schultz<ref name="Schultz" /><br /> ABU Soest<ref name="ABU Soest" />
|}
 
== Formen ==
[[Datei:Flickr - DVIDSHUB - Iowa Agribusiness Development Team backs veterinary programs for Kuchis (Image 3 of 4).jpg|mini|Schafherde der [[Kutschi|Kuchi]]-Nomaden Afghanistans: In den Trockenregionen der Erde ist die extensive Tierhaltung sowohl zur Selbstversorgung als auch für den Markt bislang ohne Alternative.]]
Zu den extensiven Viehhaltungssystemen gehören die reine Viehhaltung in [[Grünland]]systemen mit Eigenfutterproduktion und geringer Besatzdichte (z.B. im [[Altiplano]], dem [[Cerrado (Brasilien)|Cerrado]], oder der [[Sahelzone]]), zweitens [[Regenfeldbau]] (z.B. Kleinbauern in [[Huabei]], [[Mitteleuropa]], [[Nordamerika]] oder [[Indien]]) und drittens [[Bewässerungsfeldwirtschaft]] (z.B. im [[Mittelmeerraum]], [[Japan]], oder in [[Südasien]]).<ref name=FAOsystems />
Der Ursprung der extensiven Tierhaltung liegt bei den [[Nomadismus|Hirtennomaden]] Asiens und Afrikas. Alle daraus hervorgegangenen Systeme der sogenannten „Fernweidewirtschaft“ sind auch heute noch extensiv. Hingegen geht der Anteil der traditionellen [[Selbstversorgung]] zugunsten marktorientierter Produktion stetig zurück.<ref>Fred Scholz: ''Nomadismus ist tot.'' In ''Geographische Rundschau'', Heft 5, 1999, S.&nbsp;248–255</ref><ref>Annegret Nippa u. Museum für Völkerkunde Hamburg (Hrsg.): ''Kleines abc des Nomadismus.'' Publikation zur Ausstellung “Brisante Begegnungen. Nomaden in einer sesshaften Welt.” Hamburg 2011</ref>
 
''Stationär'' extensive Viehhaltungssysteme sind in feuchteren Savannengebieten ebenso alt wie der Nomadismus. Sie kommen hauptsächlich in Afrika vor. Moderne stationäre Systeme in Trockenregionen mit Eigenfutterproduktion und geringer Besatzdichte finden sich z.&nbsp;B. im [[Altiplano]], dem [[Cerrado]], im [[Wilder Westen|Westen der USA]] oder der [[Sahelzone]].<ref name="FAOsystems">[https://www.fao.org/3/w0027e/w0027e.pdf ''World Livestock Production Systems. Current status, issues and trends''.] [[Food and Agriculture Organization|FAO]] Animal Production and Health Paper 127, 1995.</ref>
 
Auf den ursprünglich künstlich angelegten [[Grünland]]flächen der dicht besiedelten Gebiete Eurasiens und Amerikas wird vorwiegend intensive Tierhaltung betrieben. Hier findet sich als traditionelle extensive Form noch die [[Almwirtschaft]] der Gebirge (vornehmlich Alpen, Norwegen, Pyrenäen, Karpaten). Aufgrund diverser Folgeprobleme der intensiven Haltung etabliert sich seit dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts erneut eine extensive Strategie in den [[Agrarlandschaft|Agrarregionen]]: die moderne [[Ökologische Landwirtschaft#Ökologische Tierzucht und Tierhaltung|ökologische Viehhaltung]].
 
Zusammenfassend lässt sich die extensive Tierhaltung im Wesentlichen nach folgenden Kriterien und Kombinationen untergliedern:
 
{| class="wikitable" style="text-align:center; width:99%;"
|- class="hintergrundfarbe5"
!width="25%"| Weidemanagement
! width="25%"| Sesshaftigkeit
!width="25%"| '''[[Grünlandwirtschaft]]'''<br />(anthropogen entstandene Weiden)
!width="25%"| '''[[Pastoralismus]]'''<br />(Beweidung natürlicher Offenlandschaften)
|-
|"class="hintergrundfarbe5"| [[Stationäre Tierhaltung]]
|style="background:#ebeced"| die Tierhalter sind sesshaft (Pastorale Hirten sind [[Halbsesshaftigkeit|halb-sesshaft]])
| [[Ökologische Landwirtschaft|Ökologische Tierproduktion]]
| [[Ranching]]
|-
|rowspan="3" class="hintergrundfarbe5"| [[Fernweidewirtschaft|(Mobile) Fernweidewirtschaft]]
|style="background:#ebeced"| zumindest Tierhalter sind [[Sesshaftigkeit|sesshaft]]
| ([[Almwirtschaft]])
| [[Transhumanz]]
|-
|style="background:#ebeced"| halb-sesshaft, [[Halbnomadismus|halb-nomadisch]] oder teilweise nomadisch
|
| [[Mobile Tierhaltung]]
|-
|style="background:#ebeced"| alle Angehörigen leben [[Nomade|nomadisch]]
|
| [[Nomadismus]]
|}
 
== Probleme ==
[[Ektoparasiten]] sorgen bei großen extensiv gehaltenen Herden außerhalb Europas für große wirtschaftliche Schäden.<ref>Felix R. Althaus: ''Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie für die Veterinärmedizin''. Georg Thieme Verlag, 2007, ISBN 978-3-8304-1070-6</ref>
 
== Einzelnachweise ==
<references />
 
[[Kategorie:NutztierhaltungViehwirtschaft]]
[[Kategorie:UmweltschutzWeidehaltung]]
[[Kategorie:Tierschutz]]