[gesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
K George Romanes: Tippfehler entfernt
Velvetpirate (Diskussion | Beiträge)
K Definitionen von „Instinkt“: Tippfehler korrigiert
Markierungen: Mobile Bearbeitung Bearbeitung von einer mobilen Anwendung Bearbeitung mit Android-App
 
(15 dazwischenliegende Versionen von 10 Benutzern werden nicht angezeigt)
Zeile 1:
{{Dieser Artikel|erläutert den Instinkt im Sinne der Verhaltensbiologie;. fürFür den gleichnamigen Film siehe [[Instinkt (Film)]], für die EP der deutschen Sängerin ''Céline'' siehe [[Instinkt (EP)]].}}
 
'''Instinkt''' (deutsch auch '''Naturtrieb''')<ref>Duden: [httphttps://www.duden.de/rechtschreibung/Naturtrieb ''Naturtrieb'', abgerufen am 9. August 2016].</ref><ref>Eduard Teller: ''Wegweiser durch die drei Reiche der Natur für Lehrende und Lernende.'' Otto Spamer, Leipzig 1875, S. 384 f. („Alle Thiere haben einen Instinkt (Naturtrieb), d.&nbsp;h. einen angeborenen Trieb, das zu thun, was zu ihrer Erhaltung und Fortpflanzung nöthig ist.&nbsp;[…]“).</ref> bezeichnet im Allgemeinen eineneine [[angeboren]]en Mechanismus der Verhaltenssteuerung, das heißt, diee innere Grundlage (den „Antrieb“) eines vom Beobachter wahrnehmbaren [[Verhalten (Biologie)|Verhaltens]] von Tieren.

Im engeren Sinne ist ''Instinkt'' ein historischer Fachbegriff der [[Ethologie|klassischen vergleichenden Verhaltensforschung]] (Ethologie), der ein Verhalten bezeichnet, das durch [[Schlüsselreiz]]e über einen [[Angeborener Auslösemechanismus|angeborenen Auslösemechanismus]] (AAM) hervorgerufen werden kann und das sich in einer geordneten Abfolge von stets gleichförmigen [[Instinktbewegung]]en (bedeutungsgleich: in „erbkoordiniertem Verhalten“ oder „Erbkoordinationen“) äußert.<ref name="HerderLexikon85">''Lexikon der Biologie.'' Band 4. Herder Verlag, Freiburg im Breisgau 1985, S. 373, ISBN 3-451-19644-1.</ref> Die Untersuchung der Instinkte und die Erarbeitung einer [[Instinkttheorie]] sah die seit den 1930er-Jahren aus der [[Tierpsychologie]] hervorgegangene, klassische vergleichende Verhaltensforschung als eines ihrer wesentlichen Forschungsziele an, während die Befürworter des [[Behaviorismus]] die Suche nach inneren Ursachen für Verhaltensweisen grundsätzlich ablehnten.
 
Einige Autoren verweisen auf das Phänomen einer spontan – ohne äußeren Einfluss – ansteigenden [[Handlungsbereitschaft]] als wesentliches Element eines Instinkts, was eine Nähe zur [[Triebtheorie]] diverser psychologischer Schulen zur Folge hat.
Zeile 23 ⟶ 25:
Gelegentlich wurde die Bezeichnung ''Instinkt'' auch auf geistige, nicht-bewusste Vorgänge des Menschen angewandt, so beispielsweise 1846 von dem Physiologen und Anatom [[Ernst Heinrich Weber]]:
 
: „Wenn man den Begriff des Instinktes allgemeiner fassen will, als es gewöhnlich geschieht, wenn man die unbekannte Ursache von einer jeden angeborenen zweckmäßigen Tätigkeit, zu der sich die Seele nicht selbst bestimmt, Instinkt nennen will, mag sich nun diese Tätigkeit auf die Bildung von Vorstellungen oder auf die Hervorbringung von Bewegungen beziehen, so kann man jene Seelenanlage auch als einen intellektuellen Instinkt bezeichnen.“<ref>[[Ernst Heinrich Weber]]: ''Der Tastsinn und das Gemeingefühl.'' In: [[Rudolf Wagner (Mediziner)|R. Wagner]]: ''Handwörterbuch der Physiologie,.'' Band 3.3. Vieweg, Braunschweig 1846, S. 481 ff., hier: S. 487 (Digitalisate: [http://books.google.de/books?id=hGJEAAAAcAAJ&pg=PA487 Google Books], [http://echo.mpiwg-berlin.mpg.de/ECHOdocuViewfull?pn=495&tocMode=thumbs&tocPN=1&url=/mpiwg/online/permanent/library/5KHCZ2KY/index.meta&viewMode=images&start=491&searchPN=1&mode=texttool&characterNormalization=reg Echo]).</ref>
 
=== Charles Darwin ===
[[Charles Darwin]] verstand unter [[Instinktverhalten]] zum einen Verhaltensweisen, die vollkommen ohne Erfahrung schon beim erstmaligen Ausführen beherrscht werden, zum anderen aber auch solche, die durch Erfahrung erworben wurden. In seinem Werk ''[[Der Ausdruck der Gemütsbewegungen bei dem Menschen und den Tieren]]'' beschreibt Darwin 1872 beispielsweise, dass Tiere durch das Aufrichten ihrer Haare ''„ihren Feinden gegenüber größer und furchtbarer aussehen“'', dabei eine drohende Stellung einnehmen und ''„dass ferner derartige Stellungen und Laute nach einer Zeit durch Gewohnheit instinktiv wurden“.''<ref>Charles Darwin: ''Der Ausdruck der Gemütsbewegungen bei dem Menschen und den Tieren.'' Eichborn, Frankfurt am Main 2000 (Kritische Edition), S. 117; im Original: “such attitudes and utterances after a time becoming through habit instinctive.” Charles Darwin: ''The expression of the emotions in man and animals.'' 1st edition. John Murray, London 1872, S. 103 f. ([http://darwin-online.org.uk/content/frameset?itemID=F1142&viewtype=side&pageseq=1 online]).</ref><ref>Paul Lange: ''Die Lehre vom Instinkte bei Lotze und Darwin''. 1896 ({{ULBDD|urn:nbn:de:hbz:061:1-92298}}).</ref>
 
=== Douglas Alexander Spalding ===
[[Douglas Alexander Spalding]], der bereits 1873 das 60 Jahre später von [[Konrad Lorenz]] popularisierte Phänomen der [[Prägung (Verhalten)|Prägung]] untersucht hatte, beschrieb den Instinkt 1872 als „Inherited Association“ (''geerbte [[Assoziation (Psychologie)|Assoziation]]''), die „das Produkt der angehäuften Erfahrungen früherer Generationen“ sei (''the product of the accumulated erxperiences of past generations'').<ref>[[Douglas Alexander Spalding]]: ''On instinct.'' In: ''[[Nature]].'' Band 6, Nr. 154, 1872, S. 485–486, [[doi:10.1038/006485a0]].</ref>
 
=== William James ===
Zeile 36 ⟶ 41:
Der britische Evolutionsbiologe [[George Romanes]] grenzte 1885 in seinem Buch ''Die geistige Entwicklung im Tierreich'' den Instinkt von den [[Reflex]]en ab, wobei der auf den Unterschied von ''Empfindung'' und ''Wahrnehmung'' abhob:
 
: „Instinkt ist Reflexthätigkeit, in die ein Bewusstseinselement hineingetragen ist. Der Ausdruck [gemeint ist: Instinkt] ist deshalb ein die Gattung betreffender, insofern er alle geistigen Fähigkeiten umnfasstumfasst, welche bei einer der individuellen Erfahrung vorausgehenden bewussten und anpassenden Handlungen beteiligt waren, ohne notwendige Kenntnis der Beziehungen zwischen den angewandten Mitteln und dem erreichten Zwecke, aber ähnlich ausgeführt unter ähnlichen und häufig wiederkehrenden Umständen bei allen Individuen ein und derselben Art. Aus dieser Definition des Instinkts folgt, dass ein Reiz, welcher eine Reflexthätigkeit hervorruft, über eine Empfindung nicht hinausgeht; dagegen verursacht ein Reiz, der eine instinktive Thätigkeit zur Folge hat, eine Wahrnehmung.“<ref>[[George Romanes]]: ''Die geistige Entwicklung im Tierreich.'' Darwinistische Schriften, Zweite Folge, Band V. Ernst Günthers Verlag, Leipzig 1887, S. 169, [https://archive.org/stream/darwin-online_1887_Entwicklung_A968/1887_Entwicklung_A968#page/n177/mode/2up Volltext bei archive.org].</ref>
 
George Romanes unterschied Empfindung und Wahrnehmung dahingehend, dass die Empfindungen durch das Bewusstsein klassifiziert und so zur Wahrnehmung veredelt werden: Wahrnehmung sei „Empfindung ''plus'' dem geistigen Inkredienz der Interpretation.“<ref>George Romanes: ''Die geistige Entwicklung im Tierreich,'' S. 132.</ref>
Zeile 49 ⟶ 54:
* einen [[Motivation|motivationalen]] Teilprozess: Der Instinkt bestimme, in welcher ganz bestimmten Weise in Bezug auf das Objekt gehandelt oder zumindest der Impuls zu einer solchen Handlung erlebt wird.
 
Jedem Instinkt ordnete McDougall zudem noch eine entsprechende Emotion zu (z.&nbsp;B. Fluchtinstinkt ↔ Furcht).
 
Bis in die 1930er Jahre hielten die [[Vitalismus|Vitalisten]] die ''Instinkte'' einer naturwissenschaftlichen Forschung weder zugänglich noch bedürftig; „wir betrachten den Instinkt, aber wir erklären ihn nicht“, schreib [[Johan Bierens de Haan]] noch 1940.<ref>Zitiert aus: [[Konrad Lorenz]]: ''Vergleichende Verhaltensforschung. Grundlagen der Ethologie.'' Springer-Verlag, Wien und New York 1978, ISBN 978-3-7091-3098-8, S.&nbsp;2.</ref>
Zeile 57 ⟶ 62:
 
=== Nikolaas Tinbergen ===
[[Nikolaas Tinbergen]] definierte 1951<ref>Nikolaas Tinbergen: ''The Study of Instinct.'' Oxford University Press, New York 1951.</ref> Instinkt als einen [[Hierarchie|hierarchisch]] organisierten Mechanismus im Nervensystem, der auf bestimmte innere und äußere, vorwarnende, auslösende und richtende Impulse anspricht und sie mit koordinierten, lebens- und [[Art (Biologie)|artarterhaltenden]]erhaltenden Bewegungen beantwortet: also ein komplexes System aus [[Schlüsselreiz]]en, hierdurch verursachten inneren Zustandsänderungen (vgl. [[Angeborener Auslösemechanismus]]) und nachfolgenden Instinktbewegungen.
 
== Anwendung des Instinktbegriffs auf den Menschen ==
Der US-amerikanische Soziologe und Sozialpsychologe [[Luther Lee Bernard]] stellte 1926 einen Katalog der in der Literatur gefundenen Instinkte zusammen und fand 5684 verschiedene Instinkte.<ref>L. L. Bernard: ''Instinct. A study in social psychology.'' Henry Holt, New York 1926.</ref>
 
Der kanadische [[Sozialpsychologie|Sozialpsychologe]] [[Otto Klineberg]] nannte 1954 drei Kriterien, die erfüllt sein müssen, um auch beim Menschen von Instinkt reden zu können:<ref>Otto Klineberg: ''Social Psychology.'' New York 1954, S. 69.</ref>
Zeile 71 ⟶ 76:
 
* Zum einen haben neuere Ergebnisse der [[Sozialisation]]sforschung und der [[Verhaltensbiologie]] die „Naturhaftigkeit“ von Verhaltensweisen teilweise widerlegt.
* Zum anderen werden Verhaltensweisen nur mit der ''Bezeichnung'' „Trieb“ oder „Instinkt“ belegt, ohne dass dies das Verhalten erklärt; die zu findende Erklärung wird vielmehr bloß vom beobachtbaren Verhalten auf das Instinkt-Konzept verschoben. Beispiel: Jemand flüchtet nach einem Unfall – man gehorcht dem ‚Fluchtinstinkt‘; oder man hilft – man gehorcht dem ‚Helferinstinkt‘. [[Wissenschaftstheorie|Wissenschaftstheoretisch]] spricht man hier von einer [[Problemdopplung]]: Es ist nicht mehr nur das Verhalten zu erklären, sondern auch die als Instinkt bezeichnete hypothetische Ursache des Verhaltens.
* Zusätzlich ist das hypothetische Phänomen ''Instinkt'' als Erklärungsgröße kaum zu widerlegen. Die Unmöglichkeit einer [[Falsifikation]] bedeutet jedoch, dass der [[Informationsgehalt (Wissenschaftstheorie)|Informationsgehalt]] der ‚Erklärung‘„Erklärung“ minimal ist.
 
Der deutsche Philosoph und Soziologe [[Arnold Gehlen]] (1904–1976) postuliertehatte bereits 1940 eine erbliche „Instinktreduktion“ beim Menschen postuliert, den er allgemein als „[[Mängelwesen]]“ sah.<ref>Arnold Gehlen: ''Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt.'' 16. Auflage, Wiebelsheim 2014, S. 26, ISBN 978-3-89104-781-1 (Erstauflage 1940).</ref>
 
Im ''Metzler Lexikon Philosophie'' schreibt Jörg Schmidt: „Bei Instinkten spielen die kognitiven Fähigkeiten eine untergeordnete Rolle, jedoch ist gegen die Meinung der [[Philosophische Anthropologie|philosophischen Anthropologie]] kein Gegensatz zu den Vernunftstrukturen vorhanden.“<ref>{{Internetquelle |url=https://www.spektrum.de/lexikon/philosophie/instinkt/980 |titel=Instinkt |sprache=de |abruf=2023-04-24}}</ref>
Der deutsche Philosoph und Soziologe [[Arnold Gehlen]] (1904–1976) postulierte bereits 1940 eine erbliche „Instinktreduktion“ beim Menschen, den er allgemein als „[[Mängelwesen]]“ sah.<ref>Arnold Gehlen: ''Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt.'' 16. Auflage, Wiebelsheim 2014, S. 26, ISBN 978-3-89104-781-1 (Erstauflage 1940).</ref>
 
== Siehe auch ==